Renegade mit Uraufführung in der neuen Spielstätte "zeche 1"

An der Grenze zur Ketzerei

1. März 2016 | Kultur

"Wir bewegen uns an der Grenze zur Blasphemie und Ketzerei", sagt Regisseur Neco Çelik, und zunächst weiß man nicht, ob diese Worte eine Drohung oder ein Versprechen sind.  Çelik hat mit "Renegade" 2015 das Tanzstück "Ruhm" am Schauspielhaus Bochum uraufgeführt. Mit den Ausprägungen des Islams in der westlichen Welt hat er sich schon in "Schwarze Jungfrauen" beschäftigt.

  • Sie bewegen sich an der Grenze zur Blasphemie und Ketzerei. Die Tänzer des Ensembles Pottporus © Frank Dieper, Stadt Herne

Stereotype über muslimische Männer

"Renegade", Ableger des Herner Pottporus, feiert seine Premiere in der neuen Spielstätte jenseits der Stadtgrenze, bei der Bochumer "Zeche 1", dem "Zentrum für urbane Kunst": ein Spielort, der Industriekultur ausstrahlt mit seinem morbiden Abriss-Charme. Als Herner fragt man sich bange, ob damit Renegade für die Stadt verloren ist. "Auf jeden Fall können die Bürger der Stadt Renegade auch in Bochum ihre Verbundenheit mit der Gruppe beweisen", lädt Pottporus-Chef Zekai Fenerci herzlich ein, die Stätte Prinz-Regent-Straße zu besuchen. Zekai Fenerci, der auch Produktionsleiter von "Basmala" ist, trägt die Idee zu dem Stück schon seit einem Jahr mit sich herum: Er dachte dabei an die Salafisten und die "Problemjugendlichen", die sich von ihnen  einfangen lassen. So ist ein Tanzstück enstanden, dass sich konkret mit den Stereotypen der dreiteiligen Einheit  Islam, HipHop und Extremismus auseinander setzt. Viele Hip-Hopper seien Moslems - seit dem historischen Beginn.

  • Proben im urbanen Raum © Frank Dieper, Stadt Herne

Demütigungen erzeugen Hass

Çelik unterstreicht dies: "Es gibt unbegrenzte Stereotype über muslimische Männer; die ganzen Attitüden, das Machohafte.  Nach Köln mussten wir uns in unseren Proben anpassen. Heute gilt: Das Aussehen bestimmt, wer du bist." Einer der Tänzer ist aus Frankreich angereist und wurde häufig kontrolliert. Der Moslem mit Rucksack, schwarzem Bart, schwarzen Haaren. "Wir backen uns unseren Terroristen selbst", verspricht Celik ironisch. "Das sind Wahnsinnsmöglichkeiten für das Theater, wenn man das Ausschlachten kann", ist Çelik begeistert und meint die Vorurteile. Das Stück erzählt auch von den Demütigungen, die Hass erzeugen. "Und von all den Ausgrenzungen und der kollektiven Brandmarkung", fügt Çelik hinzu.

"Basmala" heißt der Titel. Mit der Basmala-Formel soll gebetsmühlenartig jede Handlung im alltäglichen Leben eines Muslims begonnen werden. Doch wie verwandeln sich diese Rituale, wenn sie von den vielen plötzlich ganz anders gesehen werden. In Bildern ausgedrückt könnte die Bildverschiebung wirken wie in diesen exemplarischen Szenen:

  • Proben im urbanen Raum © Frank Dieper, Stadt Herne

Spannbettücher verwandeln sich in Tschadors

Die Tänzer stehen frontal zur Bühne, reiben die Handrücken rhythmisch aneinander. Ein muslimisches Ritual. Dann drehen sich die Tänzer mit dem Rücken zum Publikum. Das gleiche Bild wirkt völlig anders: Es könnte eine Masturbationsszene sein. Eine weitere Szene: Die Tänzer sind in schwarze Spannbettücher gehüllt. Wetten, dass im Publikum jeder an muslimische Frauen in ihren schwarzen Tschadors denkt. Kommt auf den Blickwinkel an.

Basmala - Freund oder Feind. In Zusammenarbeit mit den Tänzern: Milad Samim, Ibrahima Biaye, Sefa Erdik, Feddy Houndekindo. Regie: Neco Çelik.

Donnerstag, 10. 3.2016, Uraufführunge, 19.30 Uhr. Weitere Aufführungstermine: 12.3., 9.4., 30.4., 27.5., 28.5.

Eintritt: 12,-, erm. 8,- Euro. www.zecheeins.de, www.pottporus.de.