Im Fokus / Historisch

Anschluss an die Weltmeere

4. März 2014 | Gesellschaft

Acht Jahre lang - vom 5.4.1906 bis zum 17.7.1914 - bauten Ingenieure und Arbeiter an dem letztlich 45,4 Kilometer langen Rhein-Herne-Kanal. Die künstliche Wasserstraße verbindet die Häfen in Duisburg-Ruhrort mit dem westdeutschen Kanalnetz (u.a. Dortmund-Ems-Kanal, Wesel-Datteln-Kanal, Datteln-Hamm-Kanal). Die Pläne, parallel zur Emscher einen Kanal zu bauen, waren jedoch schon viel älter.

Siehe auch "Voll auf Kanal eingestellt"

Schon Mulvany träumte vom Kanal

Die Emscher war für die großen Kohletransportschiffe längst zu klein geworden. Erste Überlegungen, den Fluss für die Schifffahrt zu verbreitern, stammen von Zechengründer William Thomas Mulvany. Nachdem diese Ideen verworfen wurden, gründete sich 1873 in Essen das Emschertal-Komitee, um über andere Lösungen zu beraten.

Historische Ansichten vom Rhein Herne Kanal

  • Erster Spatenstich 1906, ©Bildarchiv der Stadt Herne

Emscher – von der Kloake zum Gewässer

Von Oberhausen bis Recklinghausen verläuft der Kanal parallel zur Emscher. Das einst saubere Flüßchen verkam seit Mitte des 18. Jahrhunderts durch die Zuführung von Abwasser immer mehr zur Kloake. Die Emscher ist übrigens der einzige überirdische Abwasserkanal – zwangsläufig, weil Bergsenkungen ein unterirdisches Abwassersystem im Ruhrgebiet verhinderten. Der Strukturwandel macht sich jedoch auch hier bemerkbar: Dank immer seltenerer Bergverschiebungen baut die Emschergenossenschaft bis 2017 einen unterirdischen Kanal parallel zur Emscher.

Kunst rund um die Emscherinsel

Der schmale Landstreifen zwischen Fluss und Kanal ist als „Emscherinsel“ bekannt. Die „Emscherkunst 2010“ machte im Kulturhauptstadtjahr RUHR 2010 die Emscherinsel und den entstehenden Emscher-Landschaftspark überregional als Kunst-, Kultur- und Freizeitangebote bekannt. Auch der Rhein-Herne-Kanal hat als KulturKanal an Bedeutung gewonnen.

Herne ist Hafenstadt

Herne ist Hafenstadt – und das bereits seit 1895. Als Weiterführung des 1899 eingeweihten Dortmund-Ems-Kanals zum Rhein wurde der „Stichkanal" nach Herne gebaut. Weil es noch keine nutzbare Straßenverbindung zwischen Horsthausen und Börnig gab, diente er in erster Linie dem Kohletransport zwischen den Schachtanlagen der Zeche Friedrich der Große. Schleusen für diesen Kanalabschnitt waren nicht nötig. 1938 fiel der Stichkanal Bergsenkungen zum Opfer, der Damm wurde gesprengt und das Wasser abgelassen. Östlich der Brücke über die Bahnhofstraße bis zur Brücke über den Landwehrbach verläuft jetzt in der alten Kanaltrasse die A 42, der Emscherschnellweg. Die „Hafen-Apotheke" in Horsthausen und der Kleingartenverein „Im Stichkanal" sind noch nostalgische Relikte aus dieser Zeit.

Weniger Bergsenkungen – weniger Schleusen

Da die Problematik von Bergschäden bereits frühzeitig bekannt war, waren die Experten beim Bau des Rhein-Herne-Kanals bestens darauf vorbereitet. Um das Ruhrgebiet mit den Weltmeeren zu verbinden, waren 36 Höhenmeter zu überwinden. Dies ermöglichten sieben Schleusen, die von vornherein als Doppelschleusen gebaut wurden. Fiel eine der Schleusenkammern wegen Bergschäden aus, konnte der Kanalverkehr über die andere, versetzt gebaute, sichergestellt werden. Bergsenkungen und Umbaumaßnahmen machen heute den Betrieb von nur noch fünf Schleusen notwendig, eine davon in Wanne-Eickel (hier werden 8,40 Höhenmeter überwunden), eine in Herne-Ost (12,80 Höhenmeter).

Größte Kähne der Kanalschiffahrt

Übrigens hielt der Rhein-Herne-Kanal schon beim Bau, der rund 70 Millionen Reichsmark verschlang, einen Rekord: Aufgrund seiner Bauweise konnten hier die größten Kähne der Kanalschifffahrt eingesetzt werden. Sie waren 80 Meter lang, 9,5 Meter breit und hatten einen Tiefgang von 2,5 Metern. Zunächst waren allerdings nur nicht-motorisierte Lastkähne zugelassen – das staatliche Schleppmonopol, das erst 1967 aufgehoben wurde, sollte die Baukosten wieder reinholen. Einer der Häfen für Schleppkähne war das Becken am Herner Meer. Und wie in jedem Hafen gab es auch hier ein Kneipenviertel: die kleinen Häuser an der Gneisenaustraße.

110 Brücken über den Kanal

Der Kanal trennte ganze Stadtteile, insgesamt 110 Brücken haben sie wieder verbunden. Eine der ältesten ist die Kanalbrücke 355, Eisenbahnbrücke in Wanne-Eickel, gebaut 1912. Die jüngste wurde 2009 im Rahmen der Emscherkunst eröffnet: die „Slinky Springs to Fame" am Schloss Oberhausen.

Überhaupt hat sich das Erscheinungsbild des Kanals im Laufe der Jahrzehnte verändert. Noch heute ist er eine der wichtigsten Binnenwasserstraßen Deutschlands – längst aber auch ein attraktives Naherholungs- und Freizeitgebiet.

Aal und Zander als Kanaldelikatessen

Angler und Wassersportler hat man schon immer angetroffen. Aal, Zander und Karpfen gelten nach wie vor als Kanaldelikatesse. Ruderer und Kanuten sind auf, Radfahrer und Spaziergänger neben dem Kanal auf alten Leinpfaden am Ufer unterwegs. Fahrgastschiffe pendeln regelmäßig, Marinas laden zum Verweilen in mediterran anmutendem Ambiente ein.

Text: Bärbel König-Bargel

Siehe auch:

"Voll auf Kanal eingestellt"

Anschluss zu den Weltmeeren

"Das ist mein Kanal"