Ein Tag bei ... Radio Herne

Der beste Mix: Chronik eines langen Sendetages

24. Juli 2015 | Gesellschaft Kultur

6:00 Uhr: Es geht los. Im Sendestudio leuchtet grellrot das Ruheschild auf. Der Moderator macht das Show-Opening, stellt sich vor, begrüßt die Hörer.

6:30 Uhr: Stefan Erdmann platziert sich vor seinem Mikrofon im Sendestudio. Nach einigen Räuspern, um die Stimme frei zu kriegen, liest er die „Schlagzeilen aus Herne und Wanne-Eickel“.

Nach zwei Songs kommt ein Beitrag von Volontär Julius Kühn. Er hat in einer Moschee das Fastenbrechen beobachtet. Preikschaft benötigt für die Sendung zwei überregionale Themen. Radio NRW, der Rahmensender aus Oberhausen, bietet Griechenland und den Queen-Besuch an.

Siehe auch: Vor 25 Jahren: Herne 90,acht Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne „Wenn wir weiter schwarze Zahlen schreiben …“

7:45 Uhr: Auf die Sekunde genau wird Radio NRW mit einem Gewinnspiel zugeschaltet.

Heute ist ein ruhiger Morgen, ein Tag wie viele andere. Ein bewaffneter Überfall auf Aldi am frühen morgen, wie vor Kurzem, ist da schon ein Glücksfall, natürlich nur redaktionell gesehen.

„All you‘re waiting for“ läuft, Preikschat schunkelt mit. „Für die Gelenke ist der Job gut“, sagt er. Immerhin steht er von sechs bis zehn am Mischpult. Die Musik, die Weltnachrichten und Beiträge liefert Radio NRW. Die lokalen Sender entscheiden, was sie selbst in ihrem Sendegebiet einbringen wollen. Selbst wenn in Herne niemand Sendung macht, erklingt der Jingle „Radio Herne … der beste Mix“, ausgelöst durch einen Fernwirkbefehl aus Oberhausen.

  • Radio Herne 90acht. ©Thomas Schmidt, Stadt Herne

Wichtig: Was vor der Haustür passiert

Was im Laufe des Tages bei allen Radioleuten auffällt, ist die virtuose Beherrschung der Technik. Weil alles so genau mit Radio NRW abgestimmt werden muss, kommt es auf das präzise Timing an. Radio NRW betreibt viel Aufwand, um die Musiktitel eines Tages festzulegen. Radio Herne punktet mit dem „besten Mix“. „Das andere Pfund neben der gut ausgewählten Musik ist der lokale Bezug“, sagt Preikschat. Die Herner hören den Sender, weil sie wissen wollen, was vor der Haustür und in der Stadt passiert.

7:00 Uhr: Nach den Nachrichten meldet sich Preikschat wieder zurück. „Ich sitze bei den Hörern am Frühstückstisch. Die Leute stehen mit dir auf, frühstücken mit dir und gehen mit dir auf Arbeit.“ Immerhin schalten pro Stunde 13.000 Hörer zu.

8:09 Uhr: Ein „Blitzer“ wird gemeldet. „Das ist für die Leute der größte Hype“, sagt Preikschat, wenn sie die Geschwindigkeitsmesser von Polizei und Stadt melden können. Überhaupt ist der Bezug zum „Gerade Jetzt“ für die Hörer wichtig. „Hier am Berliner Platz regnet es gerade“, ist ein Satz, der Live-Authentizität verspricht. „Und beim Wetter wollen die Leute am liebsten eine Vorhersage für ihre Straße.“

Ulrich Kohlloeffel, Vorstandsvorsitzender der Veranstaltergemeinschaft von Radio Herne taucht in den Redaktionsräumen auf. Sein wichtigstes Anliegen: Radio Herne zukunftssicher zu machen. „Wir haben gerade die uneingeschränkte Lizenz für die nächsten zehn Jahre bekommen. Wirtschaftlich schreiben wir zum ersten Mal schwarze Zahlen“, sagt er erleichtert. (Beitrag dazu unter inherne.net).

Redaktionskonferenz um 10 Uhr

Kurz vor zehn tut sich was in Redaktion. Die zweite Schicht rückt an. Christine Schindler, die Chefredakteurin, der langgediente Reporter Oliver Grabowski, der Volontär Julius Kühn, der „Freie“ Alexander Bolte erscheinen. Martin Lang ist im Urlaub.

10:00 Uhr: Redaktionskonferenz. Christine Schindler verteilt die Themen. Sie hat hier als Praktikantin begonnen. Als sie ihre Radiokarriere begann, war das digitale Zeitalter schon angebrochen. Was damals begann, hat sich radikal vollzogen. „Social Media“ ist aber nicht nur Konkurrent, kann auch Verbündeter sein. „Wir haben die Online-Aktivitäten ausgebaut, senden selbst auch online.“ 6.000 Facebook-Freunde hat das Radio. Mütter berichten, wie sie den Kita-Streik bewältigen. Entlaufene Tiere und verlorene Kuscheldecken finden zu ihrem Eigentümer zurück.

  • Ein Tag bei Radio Herne: Das Team: Kyra Preuß, Stefan Erdmann, Oliver Grabowski, Christine Schindler, Alexander Bolte (hinten), Beate Sommer (vorne), Achim Preikschat, Julius Kühn. ©Thomas Schmidt, Stadt Herne

Das Mops-Orakel

Immer wieder bemüht sich der Sender um die Hörerbindung. Und da hat auch schon mal Winston geholfen, der Mops von Stefan Erdmann. Winston spielte das Orakel bei der Fußball-WM und sagte alle Ergebnisse richtig voraus.

Oliver Grabowski fährt zur Pressekonferenz der Stadt im Jugendzentrum Am Freibad. Fünf Jugendzentren-Leiterinnen informieren über das städtische Ferienprogramm. Eigentlich braucht er nur zwei Gesprächspartner für die sogenannten O-Töne, aber er entschließt sich, alle zu befragen: „Dann kann ich während der Ferien noch Nachrichten zu den einzelnen Angeboten senden.“

Der Dortmunder Grabowski ist stadtbekannt, wird von allen „Olli“ genannt. Von vielen Veranstaltern wird er als Moderator engagiert. Fürs Radio hat er sich für die Reporterrolle entschieden: „Da komme ich viel raus und lerne Menschen kennen.“ Die ihm wiederum Neuigkeiten anvertrauen. Networking heißt sowas in Neudeutsch.

Julian Kühn informiert sich, wie das Lastenfahrrad ankommt. Einige O-Töne der an dem wissenschaftlichen Projekt beteiligten Firmen hat der Volontär schon vors Mikrofon bekommen. Aber er braucht noch die von Sabine Pachtmann, der Managerin des City Centers.

Kyra Preuß ist eingetroffen. Sie bereitet sich auf die Sendung „Am Nachmittag“ von 16 bis 18 vor, die sie moderieren wird.

15:15 Uhr: Endlich ruft Frau Pachtmann an!

15:29 Uhr: Christine Schindler hat von Stefan Erdmann übernommen. Sie ist jetzt die Nachrichtenfrau und für die „Schlagzeilen“ und die lokalen Nachrichten zuständig.

Grabowski kommt von der Einweihung des neuen Gebäudes des Marienhospitals. Er hat die O-Töne des Gesundheitsministers. „Jetzt siehst du, wie unter Druck gearbeitet wird, dann friert die Hölle ein. Chaka, chaka.“

Kyra Preuß hat sich ins Sendestudio begeben. Jetzt, vor 16 Uhr, wächst die Stauliste ständig. „Beim ersten Mal war ich superaufgeregt“, erinnert sie sich an die Premiere im September.

Das Wetter: Bäh!

16:00 Uhr: Preuß legt sich die Blätter mit den Anmoderationstexten zurecht, massiert sich die Wangen, murmelt. „Ein bisschen den Mund lockern.“ Dann kommen die Verkehrsnachrichten: Und das Wetter in Herne: „Lässt sich mit einem Wort beschreiben: Bäh!“

Die Sendung läuft gut. Zwei Stunden wie im Sauseschritt.

18:00 Uhr: Auch nach Sendeschluss ist noch lange nicht Schluss. Die Beiträge für den nächsten Morgen müssen vorbereitet werden. Ein langer Tag geht zu Ende. Hat alles reibungslos geklappt. Die Notfall-CD für den Worse-Case wird weiter Staub ansammeln.

Text: Horst Martens / Fotos: Thomas Schmidt