"Das Phantom vom Oppa" feiert Premiere

Ein Hoch auf die Großfamilie

12. Oktober 2018 | Gesellschaft Kultur

Wobei Großfamilie nicht nur durch verwandtschaftliche Beziehungen, sondern auch durch familiäre Nähe definiert ist. Rech hat das Stück für das ganze Ensemble geschrieben: Für jeden der zehn Mondpalast-Schauspieler ist eine Rolle drin. Blickfang auf der Bühne ist ein Baum in Originalgröße - einmal durch die Wohnung hindurch im Garten und einmal als Mittelpunkt einer Gartenszene. Die verwickelte Handlung startet mit einer Drei-Generationen-Familie aus Vater, Mutter, Tochter und Opa. "Oppa" Friedbert Breitscheid (Axel Schönnenberg) nervt mit Besserwisserei und Standesdünkel: Der ehemalige Gymnasiallehrer düpiert seine Schwiegertochter, die Hauptschullehrerin Karin Breitscheid (Susi Fernkorn) mit seiner Bildung. "Setzen, fünf!" ist sein Lieblingssatz. Ohnehin ins Dachstübchen verbannt, fühlt er sich noch weiter gedemütigt, als er auch noch in die Seniorenresidenz ziehen soll. Da wäre ihm das Altenheim lieber. Außerdem spricht er andauernd von einem angeblichen Bruder. Die Schwiegertochter meint: "Dein Bruder ist ein Phantom. So wie Phantomschmerzen." Opas Replik an den Sohn: "Was ist die Hölle gegen deine Frau!" Familienvater Thomas Breitscheid (Ekki Eumann) war viele Jahre Kontaktbereichsbeamter der Polizei, jetzt will er SEK-Mann werden. Nur schlecht, dass er sein Einsatztraining in voller Montur auch zu Hause fortsetzt, was den anderen Familienmitgliedern nicht recht ist. Tochter Yvonne Breitscheid (Melanie Linka) will die Welt retten oder zumindest die Galapagos-Schildkröten vor dem Aussterben. Mit ihrem Vater, den sie rotzig Thomas nennt, fetzt sie sich wegen dessen Fleischverzerr. (Vater: Warum ignorierst du mich? Tochter: Weil du immer noch Fleisch isst.) Und die Mutter schafft nicht nur den Lehrerjob, sondern muss auch den Haushalt rocken.

Die Familie als Magnet

Zunächst spielt sich das Familienleben in dieser Konstellation ab. Die Familie wirkt dann aber wie ein Magnet auf weitere Protagonisten, die plötzlich auftauchen und auch nicht mehr gehen. Da ist das bizarre Zwillings-Pärchen (Astrid Breidbach und Andreas Wunnenberg), das nicht nur den gleichen Vor- und Nachnamen (Maxi Mal) trägt, sondern sich teilweise im Gleichschritt auf der Bühne bewegt und an Paare aus der Comic-Literatur erinnert. Das Künstler-Duo zeigt Interesse an der Souterrain-Wohnung, ebenso übrigens wie der Jogger Dr. Arnulf Weinberg (Martin Zaik). Der kommt vielen bekannt vor - Thomas hat ein Bild von ihm in der Wache hängen sehen. Später stellt sich heraus, dass er der Innenminister ist. Helge Freund (Dominik Brünnig), der athletische Freund der aufmüpfigen Tochter, schleicht sich nur mit einer Unterhose durchs Haus und trifft dabei auf den Opa, der ebenfalls konspirativ unterwegs ist. "Ich habe Sie nicht gesehen und Sie haben mich nicht gesehen", heißt das kurzerhand von ihnen geschlossene Abkommen. Die zu Unterredung geladene Dr. Waltraut Eisentraut (Silke Volkner) von der Seniorenresidenz entpuppt sich als ehemalige Schülerin, die sich in ihren Lehrer verknallt hatte. Ihre Gefühle werden regeneriert, als ihr der Opa über den Weg läuft. Zwischen beiden bannt sich eine romantische Liaison an. Aber auch eine weitere Person macht den Großvater ganz kirr: Er hat durch das Wohnzimmerfenster seinen großen Bruder Emil im Garten entdeckt. Und der taucht dann tatsächlich auf: Untersetzt, von kleiner Statur, ist er genau das Gegenteil eines eineiigen Zwillings (Heiko Büscher). Bei all dem Durcheinander klärt sich auf, dass der Bruder viele Jahre lang durch die Welt gereist ist, auf dem Rücken immer einen Rucksack voller Geld. Jetzt stellt sich heraus, dass das ungleiche Duo vor über 30 Jahren mit dem viel jüngeren Nachbarsjungen Dr. Arnulf Weinberg, dem heutigen Innenminister, ein Ding gedreht hat.

Unterhaltsame Familienkonferenz

Der zweite  Teil des Stückes kommt als Familienkonferenz daher, in der die komplette Familie als "Schicksalsgemeinschaft" im Garten sitzt und Konflikte löst. Sie arbeiten die Biografien der älteren Protagonisten auf, debattieren darüber, was mit der Beute passiert und entwickeln ein modernes und durchaus realistisches Utopia. Ganz im Sinne der Psychotherapie: durch aktives Zuhören, durch Ich-Botschaften und mit einer Win-Win-Lösung. Alles das in packenden Dialogen und Wortgefechten. Als Thomas Rech am Schluss, als die Zuschauer stehend applaudierten, sich bei seinen beiden Tanten, seiner Lebensgefährten und bei seinen Töchtern bedankte, wurde vielen Besuchern klar, aus welcher Quelle er geschöpft hatte.

Die nächsten Termine: 12., 13., 14., 26., 27., 28. Oktober. www.mondpalast.com

Horst Martens