Ausstellung im Herner Archäologie-Museum belegt "Revolution"

Einfluss der Jungsteinzeit wichtiger als Digitalisierung

22. Mai 2017 | Gesellschaft Kultur

Als die ersten Bauern auftauchten ...

900 Fundstücke und zahlreiche Mitmachstationen führen 7.000 Jahre zurück in die Vergangenheit. Die interessanten Fundstücke sollen eine besondere Entwicklung belegen: 2,5 Millionen Jahre lebten im heutigen NRW Jäger und Sammler. Und dann - vor etwa 7.300 Jahren - tauchten plötzlich die ersten Ackerbauern auf und sorgten für bis dahin nie dagewesene Innovationen: Sie bauten Siedlungen, säten Getreide und züchteten Vieh. Die Entwicklung war allmählicher Prozess, der jedoch im Zeitraffer durchaus als Revolution erscheint. Der Befund - stärkere Auswirkungen als Industrialisierung und Digitalisierung - habe sich durch Forschungen erhärtet, betont Dr. Michael R. Rind, Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen. Die Ausstellung ist im Rheinland gestartet, dann wurde sie im Lipperland gezeigt, nun ist das Ruhrgebiet dran. "Ein großes Team aus Archäologen, Grabungstechnikern und Restauratoren sowie zahlreiche Unis und ihre Studenten waren damit beschäftigt, die vielen Fundstücke und vielen Befunde, zu sichten und zu präsentieren", sagt Rind. "Das Besondere ist, dass man nur die Spitze des Eisbergs sieht." Zahlreiche Funde in den Braunkohlerevieren in Westfalen haben dazu beigetragen, dass die Archäologen sich auf das Thema Jungsteinzeit konzentriert haben.

  • Dr. Barbara Rüschoff-Thale, LWL-Dezernentin, kehrt zurück an ihre alte Wirkungsstätte: Sie war die erste Museumsleiterin. ©Thomas Schmidt, Stadt Herne

Auch die Jungsteinzeit hatte eine Balkanroute

Zum ersten Mal widmet sich eine Landesausstellung einem großen Thema. "Lasst uns mal eine Landesausstellung nicht nur mit Highlightfunden der vergangenen fünf Jahre machen, sondern lasst uns zeigen, woran wir hier in NRW in den letzten 20.30, 40 Jahren ganz konkret und ganz viel gearbeitet haben", mit diesem Vorhaben bereiteten Rind und Co. die Ausstellung vor. Obwohl die Besucher auf mehrere Jahre zurück blicken, behauptet Museumsleiter Dr. Josef Mühlenbrock: "Es ist eine ganz aktuelle Thematik. Begriffe wie Überbevölkerung, Laktoseintoleranz, Parallelgesellschaft, Brandrodung, Menschen mit Migrationshintergrund, kohlenhydratreiche Ernährung, Bewegung auf der Balkanroute könnten die heutige Situation beschreiben, aber es sind Themen, die damals aufgekommen sind."

Die 900 Exponate werden in großräumigen Vitrinen und modernem Museumsmobiliar präsentiert. Auf diese Weise gelingt es den Ausstellungsmachern, den spannenden Objekten die dahinter steckende interessante Geschichte zu entlocken. Gegenüberstellungen von heute und damals stellen die Unterschiede klar oder unterstreichen die Gemeinsamkeiten: Zwei Baumstümpfe - in einem steckt eine Motorsäge, im anderen ein Steinzeitbeil. Wie lange brauchte der damalige, wie lange braucht der heutige Holzfäller.

Spannende Exponate

Der besterhaltene Schädel der Jungsteinzeit - entdeckt vor elf Jahren in der Blätterhöhle bei Hagen. Der Schädel gehörte einer Frau, die zu den Jägern und Sammlern gehörte und fast 2.000 Jahr nach dem Eintreffen der ersten Bauern in Westfalen lebte. Damit ist die Parallelgesellschaft dokumentiert: Jäger und Sammler lebten an der Seite der Ackerbauern. Es ist einer der Spitzenfunde der Ausstellung.

Prunkbeile aus Jadeit: Die großen Beile aus dem grünlichen Jadeit sind Luxusgüter und Statussymbole. Gearbeitet wurde mit den feinen, dünnen Klingen nie.

Laktoseintoleranz: Genetische Untersuchungen zeigen: Auch die ersten Bauern vertrugen keine unbehandelte Milch. Sie bekamen davon Blähungen und schlimmsten Durchfall. In kleinen Siebgefässen, in der Ausstellung zu sehen, verarbeiteten die Bauern Milch zu Käse, die viel verträglicher ist.

Keramik aus einem Großsteingrab: Die Funde waren für die westfälische Forschung nicht greifbar, weil sie in einer Sammlung in Hannover waren. Nach langer Zeit können sie erstmals wieder in Herne präsentiert werden.

Halskette aus Tierzähnen: Sie stammt aus zwei Großsteingräbern in Erwitte-Schmerlecke, die zwischen 3.500 und 2.800 vor Christi genutzt wurden. Die durchlochten Tierzähne stammen von Wölfen, Hunden, Füchsen, Dachsen und anderen Tieren.

Viele Hands-on-Geschichten

Mühlenbrock hebt hervor: "Es gibt besonders viele Hands-on-Geschichten, denn wir haben eine Familienausstellung konzipiert." Damit meint er, dass die Besucher mit einigen der Exponaten oder deren Repliken hantieren können. Archäologie zum Anfassen und Ausprobieren gibt es überall: Beim Pflugsimulator (nicht Flugsimulator) muss man einen Holzpflug richtig führen. Bei falscher Handhabung des steinzeitlichen Ackerbaugeräts muht der Ochse empört. Der einarmige Bandit ermittelt per Zufallsgenerator, wie das nächste Jahr klimamäßig aussieht. Besucher können ein Haus nachbauen oder Repliken von steinzeitlichen Werkzeugen ausprobieren. Für Schulklassen wurde eigens eine Broschüre gedruckt. Alle Altersstufen sind mit Programmen bedacht. Das museumspädagogische Begleitprogramm beschäftigt sich mit der Nahrung.

Zusätzlich gibt es noch eine zweite Ausstellung zu entdecken: Die archäologischen und paläontologischen Einrichtungen des Landes zeigen ein "Best of" ihrer Funde und Forschungsergebnisse der letzten fünf Jahre.

Horst Martens

AUSSTELLUNG HERNE
24.5.2017 - 22.10.2017

EINTRITTS­PREISE

Erwachsene: 5,00 €
Ermäßigt: 3,00 €
Kinder, Jugendliche (6 bis einschl. 17 Jahre): 2,00 €
Schulklassen: 1,60 € p.P.
Familienmkarte: 11,00 €
Erwachsene in Gruppen (ab 16 Personen): 4,00 € p.P.

KONTAKT

LWL-Museum für Archäologie
Westfälisches Landesmuseum
Europaplatz 1
44623 Herne
Tel.: 02323 94628-0 oder -24
Fax: 02323 94628-33
Email
www.museum-herne.de

 

Mehr Informationen unter: http://www.revolution-jungsteinzeit.de oder http://www.lwl-landesmuseum-herne.de