Eishockey

HEV ist die Nummer eins in Herne

26. Februar 2016 | Freizeit Gesellschaft

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Freude auf die Playoff-Spiele

So manch ein Fußballverein wird neidisch in Richtung Gysenberg schauen. Von vierstelligen Zuschauerzahlen können Clubs wie Westfalia Herne, DSC Wanne-Eickel oder SV Sodingen nur träumen. Das gilt übrigens auch für die sportliche Situation. Denn auch dort läuft es aktuell für den traditionsreichen Eishockeyvereinaus dem Revier. In der Oberliga Nord – der dritten Liga – hat die Mannschaft von Trainer Frank Petrozza die Qualifikation für die Playoffs erreicht. „Wir sind auf einem guten Weg, schauen aber immer nur auf das nächste Spiel. Auch in den Playoffs müssen wir uns vor niemandem verstecken", betont der Kanadier, der in seiner 20-jährigen Profikarriere viele Vereine kennengelernt hat und in der Saison 2014/15 zum Trainer des Jahres in der Oberliga gewählt wurde. Und was macht Herne aus? „Wir haben hier eine familiäre Atmosphäre und das können momentan nicht viele Vereine von sich behaupten. Wir haben acht Spieler dabei, die sind hier seit drei Jahren, zwei oder drei sind sogar seit vier Jahren dabei." In der dritten Liga längst keine Selbstverständlichkeit.

Impressionen aus der Umkleidekabine

  • In der Kabine ©Thomas Schmidt, Stadt Herne

Großer Jubel nach Sieg über Essen

Der Aufschwung hat sicherlich auch mit dem Trainer persönlich zu tun, der schon als Spieler in der Saison 2004/2005 in Herne sehr erfolgreich als Vollblutstürmer auf dem Eis dem Puck hinterher jagte. In der Serie 2012/2013 kehrte er als Spieler und Sportlichen Leiter in Doppelfunktion zum HEV zurück. Nach einer Verletzung musste er seine Karriere allerdings noch vor dem letzten Saisonspiel beenden. Heute ist er für das verantwortlich, was auf dem Eis passiert. Und auf dem Eis passieren zurzeit erfolgreiche Sachen. Groß war der Jubel, als ausgerechnet im Derby gegen die Moskitos aus Essen durch einen 4:2-Heimsieg die vorzeitige Teilnahme an den Playoffs unter Dach und Fach war. Am 12. Februar waren fast 2500 Zuschauer in der Halle. Ausverkauft war sie damit noch nicht, die Kassenhäuschen schließen erst bei 3700 Fans. Vielleicht gelingt es ja in den Playoffs diese Marke zu knacken. Die Richtung scheint zumindest zu stimmen. Nicht ohne Grund sagt Petrozza: „Ohne Fans gibt es keine Erste Mannschaft." Und die Fans haben den Gysenberg längst für sich wieder entdeckt.

In Zivil

  • Thomas Richter, Stürmer ©Thomas Schmidt, Stadt Herne

Quartett in der fünften Saison in der Verantwortung

Eine Entwicklung, die auch Jürgen Schubert, Frank Schäfer, Rolf Meinhardt und Ehrenpräsident Günter Thill gerne registrieren. Die vier führen die Gysenberghalle und die erste Mannschaft in der fünften Saison ehrenamtlich. „Sportlich gesehen stehen wir an einer sehr interessanten Stelle", betont Geschäftsführer Schubert. Das sehen auch die Fans so. „Wir sind immer noch in der Vorrunde und haben einen vierstelligen Zuschauerschnitt. Zum Auswärtsspiel nach Essen fuhren Anfang Januar 1000 Herner mit, das halte ich für eine ziemlich phänomenale Zahl. Hier hat sich wirklich etwas entwickelt", freut sich Schubert über den Zuspruch des Publikums. Mit 171 verkauften Dauerkarten gab es diesmal einen neuen Rekord. Der Verein hat sich wieder zu einem Aushängeschild für den Herner Sport entwickelt, nachdem es zuvor auch einige turbulente Jahre auf dem Eis gab.

Die Verwandlung

  • Sam Verelst, Stürmer ©Thomas Schmidt, Stadt Herne

Der Traum von einer Herner Reihe

„Wir merken, dass wir das Vertrauen zurückgewinnen in der Wirtschaft, Politik und bei den Fans. Das ist spürbar und das sieht man nicht nur an den Zahlen", sagt Schubert, dem der HEV sichtlich am Herzen liegt. Schon als kleiner Junge drehte er auf dem Eis seine Runden und feuerte in den 70er und 80er Jahren seine Idole an. Es sind legendäre Sportler wie Rekordspieler Guido Drongowski, Berti und Lutz Bongers, Ingo Rduch oder „Hexer" Peter Glinka, die Schubert sofort einfallen. Noch kann von einer neuen starken Herner Reihe keine Rede sein. „Von diesem Traum sind wir noch ein Stück entfernt, da brauchen wir einen langen Atem", blickt Schubert auf die Nachwuchsabteilung. Acht Teams sind hier bereits im Aufbau und sollen mit Hilfe eines hauptamtlichen Trainers die Zukunft des Traditionsvereins sichern.

Halle wurde 1970 eröffnet

Die eigene Halle zu betreiben, bringt viele Vorteile mit sich. Doch es bedeutet auch viel Verantwortung. Bei einer Halle, die 1970 eröffnet wurde, müssen die Verantwortlichen vor allem die Kosten im Blick haben. „Das haben wir uns von Beginn an auf die Fahnen geschrieben", erklärt auch Gesellschafter Frank Schäfer. In den vergangenen fünf Jahren sei der Verein kontinuierlich in allen drei Bereichen gewachsen. Neben der ersten Mannschaft und dem Nachwuchsbereich bildet die Halle – mit öffentlichen Laufzeiten, Kinderdisko und Schulsport – die dritte Säule im Konzept. Schäfer spricht inzwischen von einem mittelständischen Unternehmen.

Eindrücke aus der "Betreuerlounge"

  • Hinter den Kuliissen. "Die Betreuer Lounge" ©Thomas Schmidt, Stadt Herne

Schon im Kindesalter vom HEV-Virus infiziert

Ein Unternehmen, das nicht an der Börse geführt wird, dessen „Aktien" aber dennoch steigen. Auch Schäfer hat es schon früh an die Bande gezogen und das HEV-Virus nicht mehr losgelassen. „Mit zehn Jahren bin ich zum ersten Mal mit meinen Eltern und meiner Schwester in der Halle gewesen. Es war ein Derby gegen Essen mit 5000 Zuschauern." Es war eine Atmosphäre, die ihre Wirkung nicht verfehlte. Denn seitdem hat der Lehrer, der an einem Berufskolleg unterrichtet, nur wenige Auftritte verpasst. Sein ehrenamtliches Engagement darf man wohl als Glücksfall für den HEV bezeichnen. Denn als Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik gibt es wohl keine Ecke in, an und unter der Halle, die Schäfer noch nicht genauer unter die Lupe nahm. Für ihn ist der HEV eine Marke. Eine Marke, auf die er sogar schon im Urlaub angesprochen wurde. Bei einer Rucksacktour durch Mexiko traf er auf einen Deutschen aus Wedemark. „Als ich ihm erzählte, dass ich aus Herne komme, fragte er mich im Hochgebirge von Chiapas tatsächlich, ob es den HEV noch gibt. Mit so einer Frage rechnet man in Mexiko eigentlich nicht. Aber wer den Eishockeysport in Deutschland kennt, kennt auch den HEV", ist Schäfer überzeugt.

„HEV - das Düsseldorf von der Ruhr"

Und kaum ein Zweiter kennt den Verein wohl so gut wie Ehrenpräsident und Gründungsmitglied Günter Thill. Auch er freut sich über die gute Entwicklung der vergangenen Jahre. Bei seinem ersten Besuch am Gysenberg war das noch ganz anders. „Damals standen hier ein paar Pfeiler, die ersten drei Spiele mussten wir damals in Dortmund absolvieren." Es war keine einfache Zeit. Viel lieber erinnert er an die Jahre danach. „Das war ein Traum - 2. Liga. Man verglich uns mitder Brehmstraße. Wir waren das Düsseldorf von der Ruhr …"

Text: Michael Paternoga