"Pottperspektive": Ausstellung im Herner Rathaus

(Neue) Heimat im Sucher

15. September 2017 | Gesellschaft Kultur

  • HEIMAT- Fotografien, Zeichnungen und Malerei zum Thema Heimat und Flucht. ©Thomas Schmidt, Stadt Herne

Anna-Eva Nebowsky ist Kulturpsychologie-Studentin und hat dieses Fotoprojekt gestartet, weil sie auf der Suche nach Möglichkeiten war, Flüchtlinge kennen zu lernen. Hanna von Holt vom Caritasverband Herne wiederum war "von dieser Eigeninitiative der Studentin" hell begeistert und konnte den Verband überzeugen, dieses engagierte Projekt zu unterstützen.

Mit der Spiegelreflex durch die Stadt

Die Kernidee: In Stadtspaziergängen wandern die Geflüchteten durch die Stadt und fotografieren ihre liebsten Plätze und Ecken. In zahlreichen Spaziergängen durch das Stadtgebiet - Flottmann-Hallen, Innenstadt von Herne und Wanne-Eickel, Cranger Kirmes - sind auf diese Weise über 5.000 Fotos entstanden, wovon wiederum eine kleine Auswahl von 38 Bildern den Weg in die Ausstellung gefunden hat. Das Programm "Demokratie leben!" stellte fünf Spiegelreflexkameras zur Verfügung, die dann von Fotograf zu Fotografin wanderte. Insgesamt beteiligten sich 40 zumeist jüngere Männer und Frauen - allerdings waren die Runden jeweils kleiner. "Wir haben unendlich viel Spaß gehabt", sagt Anna-Eva Nebowsky. "Viele habe ich im Begegnungscafe Herne-Mitte kennen gelernt. Sie lieben diese Stadt, das wird in jedem Bild deutlich."

Die Ausstellung ist während der Interkulturellen Woche und darüber hinaus im Herner Rathaus bis zum 20. Oktober frei zugänglich. Vernissage: Montag, 18. September, 19 Uhr, Herner Rathaus.

Heimat und neue Freunde finden

Die Aufnahmen dokumentieren den Versuch der Teilnehmer, ihr neues Zuhause auch als Heimat zu begreifen. Für die meisten war es wichtig, dass sie hier in der Fremde neue Kontakte schließen konnten. Das bestätigt auch Feras Alras, der zur Ausstellung ein Foto von der Shisha-Bar und ein Cranger-Kirmes-Motiv beisteuerte. Vor eineinhalb Jahren kam er aus Syrien nach Deutschland. "Ich habe neue Leute kennen gelernt. Das ist wichtig. Ich hoffe jetzt, dass ich auch eine Arbeitsstelle finde", sagt der ehemalige Wirtschaftsstudent. "Und ich hoffe, dass ich irgendwann nach Syrien zurück kann, wenn dort Frieden ist." Ahmad Ashniwer wiederum betont: "Das Spazieren gemeinsam mit anderen Leuten machte großen Spaß." Und Hakam Alhabib unterstreicht: "Ich habe die deutsche Kultur besser kennen gelernt und viele neue Kontakte geschlossen."

"Das erste schöne Bild aus Deutschland"

"Interessant was sich in Facebook getan hat, wo wir die Fotos ausgetauscht haben", berichtet Nebowsky. "Viele Teilnehmer haben die Aufnahmen für neue Profilbilder verwendet. Hunderte von Kommentaren von Familienangehörigen und Freunden folgten. Sie hatten zumeist folgende Botschaft zum Inhalt: "Das ist das erste schöne Bild aus Deutschland." Der in Syrien lebende Bruder eines Teilnehmers hatte das Bild seines Bruders (Sie Titelfoto dieses Beitrags) als sein Profil festgesetzt mit dem Kommentar: "Gott trennt mich nicht von dir."

"Wanne-Eickel ist eine schöne Stadt"

Viele Fotos sind mit Zitaten ergänzt. Hier einige Beispiele: Ivica: "Ich finde, dass Wanne-Eickel eine schöne Stadt ist." George: (Plakatmotiv) "Ich lerne gerne die Kultur des Potts aus der Nähe kennen." Hakan: (Motiv: Freunde trinken Cola an einem Stand) "Ich finde, dass Deutschland meine Heimat ist." Hakan: (Menschen durch den Sucher) "Ich habe Leute aus verschiedenen Kulturen kennen gelernt." Anas (hat einen anderen Mann bei Fotografieren einer Taube aufgenommen): "Ich finde, dass Herne wie meine Heimat ist - weil ich hier die Sprache kennen gelernt habe." Anas (vor dem jüdischen Mahnmal): "Großartig, wenn man eine Deutsche findet, die von der Geschichte des Landes erzählen kann." Nedal: "Die Photo-Walks haben mir eine neue Perspektive auf Herne gegeben."

Zeichnungen und Malerei

Neben den Fotografien hängen in der Ausstellung Werke zweier Künstler, die ebenfalls ihre Heimat verließen und nach Herne kamen. Kemal Balkan setzt sich in seinen kubistischen und von naiver Malerei geprägten Werken eindrucksvoll mit sozialpolitischen Themen auseinander. Troyali Hektor stellt in seinen Zeichnungen surrealistische Motive dar.

Horst Martens