Ballett

Trixi-Chefin sucht Nachfolger

26. Dezember 2014 | Freizeit Gesellschaft Kultur

16 Jahre war sie alt, als Beatrix die ersten Ballettkurse gab. Daraus entwickelte sich eine Ballettschule und ein Kinderchor, die weit über Herne hinaus bekannt wurden. In ihrer Wohnung stehen noch die leicht verblühten Blumensträuße und Glückwunschgeschenke von dem großen Jubiläumsfest im Kulturzentrum. Alles gut gelaufen. Was nicht selbstverständlich war. Die Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr stand unter keinem guten Stern. 2011 starb zuerst Beatrix Zschechs Mutter und dann der Onkel, Bert Fengler, und im Jahr 2012 ihr Mann. „Ich bin die einzige Überlebende“, sagt sie traurig.

Unterstützung der Familie

Mit den drei Menschen verlor Beatrix Zschech nicht nur liebe Angehörige, sondern auch Vertraute, die sie immer unterstützt hatten. Ihre Mutter Waltraud Gadzalla nähte die Kostüme, der Onkel steuerte die Bühnenbilder bei oder übernahm einen Tanzpart. Ihre wichtige handwerkliche, künstlerische und psychologische Unterstützung fehlen jetzt an allen Ecken. In ihrer Mutter oder ihrem Onkel hatte sie jemand, der „ohne Geld“ half. „Wenn heute ein Reißverschluss kaputt ist, muss ich zum Schneider“, sagt Beatrix Zschech. Und der kostet Geld.

  • Beatrix Zschech blättert ihre Alben durch, die zeigen, wie interessant die 50-jährige Trixi-Geschichte ist. © Stadt Herne, Horst Martens
Sie zweifelte an den Sinn einer Feier. „Ich habe gedacht, da freut sich keiner.“ Aber am Ende war es ein schönes Jahr mit einer Gala zum Muttertag, dem Jubiläumsfest mit Live-Big-Band und dem Adventskonzert. Und danach beginnen schon die Vorbereitungen für das 51. Jahr der Trixis. Beim Ballettunterricht stehen ihr Conny Linger und Jenny Pirat zur Seite. Es wird die traditionellen Konzerte geben. Auch eine TV-Sendung steht schon fest bei „Immer wieder sonntags“ mit Marianne und Michael.

Die Zeiten haben sich geändert. Tummelten sich früher bis zu 200 Kinder bei den „Trixis“, so sind es heute etwa 80. „Früher konnte eine Gruppe 20 Kinder umfassen, heute dürfen es maximal zehn sein.“ Die Kinder brauchen mehr Zuwendung, die die Eltern sind viel ungeduldiger, verlangen schnell Höchstleistungen.

Keiner in Sicht, der es für Plus-Minus-Null macht

Ans Aufhören denkt die Trixi-Chefin nicht, aber die 66-Jährige weiß, dass sie ewig weitermachen kann. „Ich muss einen Nachfolger finden, jemand, der es nicht genauso macht wie ich, aber mit viel Liebe.“ Gar nicht so einfach. Die Ballettschule ist nicht kommerziell aufgebaut, sie gründet zum einem auf der Unterstützung von Vertrauten, zum anderen auf günstigen Teilnahmebedingungen. „Ich wollte die Kinder erreichen, die es sich nicht leisten konnten“, sagt sie. Mit dieser Einstellung konnte sie keinen großen Gewinn einfahren, sondern musste sehen, dass am Schluss „Plus-Minus-Null“ rauskommt. „Diese Einstellung rächt sich heute, denn ich finde keinen Nachfolger, der es für Plus-Minus-Null macht.“

Eine typische Wanner Familie - und dann das ...

Hineingeboren wurde sie in eine typische Wanner Familie. „Mein Vater war Bergmann.“ Die Familie konnte nicht aus dem Vollen schöpfen, aber: „Wir waren nicht arm, wir hatten ja Musik.“ Ihre Mutter spielte Klavier und Geige, ihr Onkel war Tänzer und später nach dem Krieg Schaufenstergestalter.

Am Anfang meinte das Schicksal es nicht gut mit ihr.  Eine grässliche Kinderlähmung fesselte sie an den Rollstuhl, als sie vier war, beeinflusste wiederum ihren Lebenslauf positiv, denn die Krankenkasse bezahlte den Ballettunterricht als Therapie. Neben dem Ballett übte die Mutter mit ihr auch ihre Stimme ein. Sie wurde zu einem Kinderstar, sang mit Eddie Constantine, spielte auch in dem einen oder anderen Kinderfilm. Vor den „Trixis“ gab es schon die Beatrix als bekannte Größe. Mit 13 nahm die Folkwangschule in Essen sie als Stipendiatin auf, wenig später holte Boris Pilato die junge Ballerina ans Gelsenkirchener Musiktheater.

Als die Trixis geboren wurden

Entscheidend war die Mitarbeit der heranwachsenden Beatrix als Ferienbetreuerin bei der AWO, eine Aufgabe, die auch ihre Mutter dort wahrnahm. Beatrix mit den Kindern tanzen und singen. Die Kinder waren von den Ballettkünsten begeistert und waren sich einig, dass sie zusammen bleiben und regelmäßig Ballettunterricht nehmen und an Chorproben teilnehmen wollten - und zwar außerhalb der AWO-Mitgliedschaft. Das war die Geburtsstunde der Trixis. Beatrix Zschech zählte 16 Lenze. Die ersten Auftritte in Vereinen rund um Herne und Wanne-Eickel, und dann jenseits der Stadtgrenzen, 1965 zum Beispiel in der Dortmunder Westfalenhalle.

Wenn sich heute die jungen Elevinnen treffen, um an ihren Bewegungen zu feilen, dann tun sie es genau dort, wo sie es schon vor mehr als 50 Jahren tat: Im Ballettsaal der VHS Wanne. „Als die VHS Wanne eröffnet wurde, habe ich dort getanzt“, erinnert sich Beatrix Zschech. Der Ballettsaal hat dort einen tollen Schwingboden. Nachher hat sie sich an der Folkwang-Schule ausbilden lassen. Aber Ballettlehrerin war nicht ihr Berufswunsch. „Dafür, dass ich es nie werden wollte, habe ich es aber ganz schön lang gemacht.“

Um ihrer Kunst ein weiteres finanzielles Standbein zu geben, absolvierte sie eine kaufmännische Lehre bei der Ruhrkohle AG. „Dort war ich 25 Jahre beschäftigt und habe das mit dem Ballett nebenberuflich gemacht.“ Sie verliebte sich in den Dipom-Ingenieur Hans-Richard Zschech, Leiter der Montag-Grundstücksgesellschaft der RAG.  „Ich war seine Sekretärin.“

Mit allen Stars der Branche

Beatrix Zschech blättert in einem Album mit zahlreichen Starunterschriften und Fotos, auf denen die Trixis mit bekannten Leuten aus dem Showgeschäft abgelichtet sind. Beim Durchblättern des Kompendiums wird klar: Die Trixis haben mit allen Stars zusammen gearbeitet, die in der Branche Rang und Namen hatten.

  • Beatrix Zschech und der noch sehr jungendliche Jürgen Marcus auf einer Gala.
    Beatrix Zschech und der noch sehr jungendliche Jürgen Marcus auf einer Gala. Archiv: Zschech.
Ein Überblick auf die Top Ten ihrer größten Erfolge macht deutlich, wie groß tatsächlich die Anerkennung war. Typisch, dass aus den angepeilten Top Ten zum Schluss noch ein Top Eleven geworden ist.

Top Eleven der Trixis

1. ZDF-Hitparade – Paola singt mit den Trixis „Der Teufel und der junge Mann“, 1981.

2. Zweiter Platz beim „Eurovision Song Contest“. Paola singt „Peter Pan“ mit den Trixis, 1982.

3. Südfrankreich-Tournee, Cahours, Figeac, 1974/75.

4. Beim „Adventsfest der 100.000 Lichter“, moderiert von Florian Silbereisen, treten die „Trixis“ mit Richard Claydermann auf, 2010

5. Zahlreiche Auftritte mit Gotthilf Fischer in den 80-er und 90-er Jahren. Zschech: „Wir waren im ‚Blauen Bock‘ mit Paola, haben dort Gotthilf Fischer getroffen. Er hat uns engagiert, aber nicht nur mit drei, vier Trixis, wie üblich. ;Sie können mit einem großen Bus kommen‘, sagte er. Ich habe mit ihm bestimmt 40 Sendungen gemacht.

6. Deutschland-Fest zur Wiedervereinigung. Trixis fahren mit Gotthilf Fischer auf einem Wagen durch das Brandenburger Tor.

7. Mit dem Kammersänger und Moderator Günter Wewel zahlreiche „Kein schöner Land“-Sendungen.

8. Dreimalige Teilnahme am Internationalen Gesangs- und Tanz-Turnier in Konin.

9. Etwa zehnmal bei „Hallo Heino“- Sendungen dabei.

10. „Immer wieder sonntags“ mit Stefan Mross. Sehr beliebt, weil die Aufnahmen im Europapark Rust stattfinden. Der Produktionsleiter kennt die Trixis schon gut. Er hat schon die Sendung mit Paola gemacht.

11. Griechenland-Tournee mit Chor und Auftritten in Thessaloniki und Athen. „Kohlenpott-Polka“ auf der Akropolis.

Einige haben es geschafft

Beatrix hatte es geschafft, wurde 1989 sogar mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Trotzdem hadert sie manchmal mit dem Schicksal. Ballett war eigentlich für „höhere Töchter“, diese Vorstellung in den 50-ern hat sie geprägt: „Ich habe ziemlich viel erlebt, dass die Leute nicht für mich waren, sondern dagegen“, sagt sie bitter.

Aber auch einige ihrer Schülerinnen haben es geschafft. Obwohl Berufsbildung nicht das Ziel der Ballettschule war, sind einige Elevinnen Berufs-Ballerinas geworden. Nicole Gößling wurde bei Folkwang ausgebildet und hat eine eigene Ballettschule in Mönchengladbach. Hale Al Orfali ist Mezzosopran und in München tätig. Peter Grimberg ist als Entertainer und Musikshowproduzent. Jennifer Schlensker hat demnächst in Essen ein Engagement im Musical „Elisabeth“.

„Ich war noch niemals in New York"

Im Augenblick ist sie noch damit beschäftigt, aufzuarbeiten. Was die Mutter, der Onkel, der Mann hinterlassen haben, muss eingeordnet werden. Im Keller stehen jede Menge Filmkästen. Und irgendwo lagern die alten Bühnenbilder von Bert Fengler. Trotz der Überlegungen, ihr Werk in die Hände eines anderen zu legen, hat sie noch Ziele. „Ich war noch niemals in New York“, sinniert sie. Und sie meint, mit den Trixis.

www.trixis.net

Text und aktuelle Fotos: Horst Martens

Archivfotos: Beatrix Zschech