Bunker und unterirdische Gebäude in Herne

Vergessen in der Erde

26. Februar 2018 | Gesellschaft

  • Teile der Lüftungsanlage rosten vor sich hin. ©Thomas Schmidt, Stadt Herne

Rätselhafte Tipps von älteren Hernern

Drei Tage lang stand das Telefon nicht still. 90 Anrufe nahmen die Mitarbeiter entgegen und versuchten, die Gebäude möglichst genau zu orten. Besonders die Schilderungen älterer Leute forderten mitunter die detektivischen Fähigkeiten der städtischen Mitarbeiter. „Der Feuerlöschteich ist da, wo früher der Spielplatz war“ – für Herner Urgesteine ist das eine eindeutige Beschreibung, nicht aber für junge Ingenieure. Die mussten daraufhin erst ermitteln, wo in den vergangenen Jahrzehnten ein Spielplatz gewesen war. Mit Erfolg: Insgesamt trugen sie 70 bisher unbekannte Objekte in den Karten ein.

An geheimen Orten errichtet

Dass die Bauten überhaupt in Vergessenheit geraten sind, liegt vorwiegend am Zweiten Weltkrieg. Luftschutzbunker, die damals gebaut wurden, wurden in keiner Karte verzeichnet, denn sie sollte auf keinen Fall dem Feind in die Hände fallen. Vier ehemalige Bunker gehören der Stadt Herne. So gibt es zum Beispiel gegenüber dem Hauptbahnhof in Wanne-Eickel einen Hochbunker und einen an der Edmund-Weber-Straße. Am Westring befindet sich ein Bunker, der als Archiv und Lager für das Emschertal-Museum dient. Unter dem Parkplatz am Eickeler Markt ist ein Tiefbunker versteckt.

Weitere Bunker auf Herner Stadtgebiet gehören dem Bund , so zum Beispiel an der Langekampstraße, Ecke Landgrafenstraße. Dort steht ein zwölf Meter hoher fensterloser Betonklotz, der vor kurzem versteigert wurde. Das erste, was drinnen auffällt, ist das völlige Fehlen der Außenwelt: Kein Geräusch, kein Licht, kein Geruch, nicht einmal die Uhrzeit lässt sich erahnen. Die Luft ist trocken, nur im obersten Stockwerk ist an wenigen Stellen Wasser durch die Decke getropft, bis der Putz bröselte und das Stahlgeflecht in der Decke freilegte.

Spuren aus dem vorigen Jahrhundert

Das Treppenhaus des Bunkers sieht aus wie ein ganz normaler Rohbau: blanker Beton, breite Stufen. In einer Nische ist ein Wasserrohr übrig geblieben, an der Wand eines Ganges stehen die kryptischen Hinweise: „1. Reihe hinten 50 – 2. + 3. Reihe hinten 55“, sorgfältig gemalt. In einem Nebenraum rostet eine Lüftungsanlage vor sich hin: Runde Metallbottiche mit langen Zahlenreihen darauf, ein paar Rohre und Absperrhähne.

Alle Stockwerke sind gleich aufgebaut, zwei lange Gänge, einige kurze Querverbindungen, dazwischen kleine Räume von wenigen Quadratmetern. Die Türen zu den einzelnen Kammern stehen offen, das Holz ist fahl, an einigen Stellen ausgeblichen. Etwa 1940 wurde der Bunker gebaut, um während des Zweiten Weltkrieges die Bevölkerung vor Luftangriffen zu schützen. Die Möbel sind längst verschwunden, in den alten Sanitär-Räumen sind nur noch verrostete Rinnen übrig.

Gebäude verschwinden im Boden

Andere Bauten, zum Beispiel Feuerlöschteiche, wurden nach dem Krieg oft zugeschüttet und ein Haus darauf gebaut. Wobei man sich unter einem Feuerlöschteich keinen idyllischen Teich mit Seerosen vorstellen darf. Viel mehr handelte es sich um Betonwannen, groß wie ein Klassenraum und anderthalb Meter tief, in denen tausende Liter Wasser für die Feuerwehr gespeichert wurden. Zisternen hingegen wurden meist genutzt, um Regenwasser zu. Viele Bauwerke verschwanden buchstäblich im Boden, denn Trümmer türmten sich darauf, Blätter und Pflanzenreste bildeten eine Erdschicht, die mit den Jahren wuchs. Manch ein Hausbesitzer wird nicht ahnen, dass in seinem Garten ein Betonklotz schlummert.

Toller Weinkeller oder großes Problem?

Für Bauherren kann das teuer werden – oder eine tolle Chance. Gelegentlich lässt sich ein Feuerlöschteich als Fundament für ein neues Haus nutzen, ein Bunker bietet einen gleichmäßig kühlen Raum, in dem man einen Wein lagern oder nächtelang Partys feiern kann. Einen Bau aus meterdicken Betonwänden abzureißen, ist allerdings extrem schwierig – waren die Bunker doch dafür gebaut, selbst Sprengstoffen Stand zu halten. Rund 220 unterirdische Bauwerke kennt das Katasteramt inzwischen. Viele weitere werden wahrscheinlich nie gefunden, denn über ihnen wachsen Wiesen, Wälder und die Stadt.

Nina-Maria Haupt