Familienzentren bieten Bildung für Kinder und Eltern

Weit mehr als nur Kinderbetreuung

2. November 2018 | Gesellschaft

  • Marianne Ludwig-Rosenstock und Gunda Neumann-Strangfeld leiten das Herner Familienzentrum Mittendrin. ©Thomas Schmidt, Stadt Herne

Tipps und Ideen für die Eltern

Das kann zum Beispiel in Elterncafés passieren, wo Eltern miteinander ins Gespräch kommen und immer wieder auch Fachleute für Tipps und Fragen zur Verfügung stehen. Das können Logopäden sein, Heilpädagogen, Ergotherapeuten, Pädagogen oder Psychologen oder Mitarbeiter von städtischen Stellen. So lernen in manchen Gruppen Eltern Möglichkeiten kennen, wie sie ihr Kind fördern können, damit es bei der Einschulung einen guten Start hat. Oder sie bekommen Ideen, was sie mit ihren Kindern zuhause basteln können.

Immer wieder kommen auch Mitarbeiter von Praxen oder Beratungsstellen, die auf Sorgen von Eltern eingehen können, ob ihr Kind sich gut entwickelt. Für die Eltern sei es häufig einfacher, sich bei anderen Stellen Rat zu holen, wenn sie einige Mitarbeiter schon aus den Elterncafés kennen. Auch die Kinder profitieren davon, nicht nur, weil ihre Eltern mehr erfahren. „Die Kinder freuen sich, wenn ihre Eltern in die Kita kommen“, hat Ludwig-Rosenstock beobachtet.

Gut im Stadtteil vernetzt

„Wir hatten als städtische Einrichtung schon vorher eine gute Vernetzung zu anderen Stellen wie zum Beispiel der Lebenshilfe“, so Gunda Neumann-Strangfeld, Leiterin der städtischen Kita Lerchenweg. Seit sie Familienzentrum sind, seien die Kontakte aber intensiver und strukturierter. Auch würden die Erzieherinnen die Verbindung zwischen Eltern und anderen Stellen nun gezielter herstellen.

Nicht nur für die Familien, auch für die Mitarbeiter sei die enge Vernetzung hilfreich. „Als Familienzentrum hat man feste Kooperationspartner und Ansprechpersonen. Das ist wirklich toll“, findet Ludwig-Rosenstock. Statt nur zusätzlicher Arbeit hätten die Kolleginnen auch Entlastung erfahren, berichtet Neumann-Strangfeld: „Wir müssen nicht alles selbst machen, sondern haben Kooperationspartner.“ So können Beratungsstellen manchen Familien gezielt Tipps geben, Logopäden oder Ergotherapeuten Kinder in ihrer Entwicklung unterstützen oder Experten vom Kommunalen Integrationszentrum ausländische Eltern über das deutsche Schulsystem informieren.

Kooperation statt Konkurrenz

Gestartet ist das Konzept der Familienzentren 2006 als Pilotprojekt. „Wir konnten uns das sofort gut vorstellen“, erinnert sich Ludwig-Rosenstock. Deswegen taten sich die benachbarten Kitas zusammen und sind seit 2013 ein trägerübergreifendes Familienzentrum. „Uns macht es Spaß, über den Tellerrand zu gucken und zu schauen, wie andere Einrichtungen und Träger arbeiten“, so Neumann-Strangfeld. In gemeinsamen Fortbildungen oder Teamsitzungen tauschen die Teams sich aus, organisieren gemeinsame Veranstaltungen oder Feste. Dennoch behält jede Einrichtung ihr eigenes Profil und setzt ihre eigenen Schwerpunkte.

Zusammen arbeiten und feiern

Hatten einige Mitarbeiter anfangs befürchtet, dass sie durch die Familienzentren mehr Arbeit haben würden, sind fast alle nun zufrieden mit dem Konzept. Oft könne man Arbeit zwischen den Einrichtungen aufteilen, etwa wenn ein gemeinsames Fest organisiert wird. Die Kita Lerchenweg zum Beispiel wird gerade umgebaut. Damit im November dennoch der Laternenumzug mit Martinsfest starten kann, feiern beide Einrichtungen zusammen rund um die Stephanus-Kita. Manchmal buchen die Kitas auch gemeinsam Referenten für spezielle Themen, die sie sonst nicht bekommen hätten. Für ihre zusätzlichen Aufgaben als Familienzentrum steht ihnen nämlich ein zusätzliches Budget zur Verfügung.

Viele Projekte haben die unterschiedlichen Träger wie Stadt Herne, die evangelische und die katholische Kirche oder die AWO, Plan B, der Paritätische und die Lebenshilfe schon vorher gemeinsam umgesetzt. In einer gemeinsamen Arbeitsgruppe haben sie zum Beispiel Kompik auf den Weg gebracht, einen Beobachtungsbogen, mit dem der Entwicklungsstand von Kita-Kindern im ganzen Stadtgebiet überprüft wird.

Für alle Familien im Stadtteil da

Ziel von Familienzentren ist, auf die Bedürfnisse der Familien im Stadtteil einzugehen. Das sind nicht nur diejenigen, deren Kind in die Kita geht. Auch andere Familien sollen durch offene Angebote wie Feste oder Bastelkurse auch für fremde Eltern erreicht werden. „Man bekommt einen Blick hinter die Kulissen des Stadtteils, weil man sich damit beschäftigen muss, wie zum Beispiel die Sozialstruktur im Stadtteil ist und welche Bedürfnisse Familien hier haben“, erzählt Ludwig-Rosenstock.

Den Eltern zuhören

Für die Mitarbeiter bedeutet das oft: Zuhören. „Wir verstehen uns nicht als die einzigen Experten, weil wir eine Erzieherausbildung haben. Eltern sind Experten für ihre Kinder.“ Deswegen stärken die Mitarbeiter die Eltern in ihrer Rolle, auch wenn diese vielleicht nicht immer alles richtig machen. „Wir wollen den Eltern signalisieren: Ihr seid immer willkommen. Die ganze Familie soll sich angenommen fühlen. Das macht ein Familienzentrum aus.“ Schließlich geht es auch darum, die Einrichtungen immer wieder den Bedürfnissen ihrer Besucher anzupassen. „Die Zeiten haben sich verändert, Familien haben sich verändert. Von daher ist es richtig, dass sich auch die Einrichtungen verändern“, weiß Neumann-Strangfeld. Jedes Jahr schauen sie sich gemeinsam an, was gut gelaufen ist, was nicht mehr genutzt wird und welche Wünsche noch offen sind. Alle vier Jahre wird eine große Bestandsaufnahme gemacht, wenn die Kitas als Familienzentrum rezertifiziert werden.

Auszeichnung beim Deutschen Kitapreis

Unter anderem für die gute Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Trägern sind die Herner Familienzentren im Sommer 2018 mit dem Zweiten Platz in der Kategorie „Lokales Bündnis für frühe Bildung“ beim Deutschen Kitapreis in Berlin ausgezeichnet worden.

Nina-Maria Haupt