Die Aufgaben der Familien- und Schulberatungsstelle

Wenn das Kind sich auffällig verhält

11. Oktober 2017 | Gesellschaft

„Wir schauen genau hin"

Herner Familien suchen dort Rat für die Erziehung, bei Familienkonflikten, Leistungsprobleme in der Schule oder aggressivem und respektlosen Verhalten. Kinder kommen in die Beratungsstelle, wenn sie Opfer von Gewalt oder Missbrauch geworden sind. „Manchmal reicht ein Beratungsgespräch", sagt die Psychologin Annerose Rieger-Hagen, „wenn wir den Eindruck haben, es ist wichtig, genau hinzuschauen, ist auch eine Diagnostik notwendig. Wir führen Leistungstests durch und bewerten den emotionalen Befund, schauen ob Ängste die Kinder plagen oder welche Probleme die Mädchen und Jungen in der Schule haben." Manche Kinder sind Opfer von Gewalt und Missbrauch, manche leiden an Konflikten, die sich aus der Trennung von Eltern ergeben. Andere entwickeln Ängste - vor dem Unbekannten oder vor Tieren. Wenn eine Psychotherapie nötig ist, hilft die Psychologin beim Finden eines Psychotherapieplatzes.

Annerose Rieger-Hagen hat Diplom-Psychologie an der Ruhr-Universität studiert und danach eine Gesprächstherapie-Ausbildung absolviert. Im Praktikum war sie in der Beratungsstelle, deshalb bewarb sie sich hier. „Die Arbeit in einem multiprofessionellen Team mit vielen verschiedenen Ansätzen ist sehr ansprechend."

  • Alice Naujoks, Annerose Rieger-Hagen und Carina Karmolinski im Gespräch mit "inherne". © Thomas Schmidt, Stadt Herne
Über 1.000 Fälle im Jahr

Mit über 1.000 Fällen im Jahr befassen sich die Mitarbeiterinnen dieser Einrichtung, die in der 3. Etage der Königin-Luisen-Schule untergebracht sind. Von Lernproblemen über familiäre Probleme bis hin zu psychischen Störungen reicht das breite Spektrum. Eltern und Kinder kommen auf Empfehlung von Schulen, Kitas, Kinderärzten oder durch Hinweise des Allgemeinen Sozialen Dienstes. Aber manche Eltern und Kinder kommen auch einfach so. Manche haben auch seltsame Ansprüche: „Bitte reparieren Sie meine Kinder!"

Alice Naujoks ist Diplom-Sozialpädagogin und hat an der Fachhochschule Dortmund studiert. Auch sie hat ein Praktikum in der Beratungsstelle absolviert und ist per Initiativbewerbung zu einer Einstellung gekommen. Ihre Schwerpunkte sind die Erziehungsberatung, ihre Methode ist die projektive Diagnostik: „Über Spiele, Zeichnungen oder Geschichten können die Kinder ihre Gefühle, Motive oder Konflikte ausdrücken." Ein weiterer Schwerpunkt ist die Arbeit mit Pflegeeltern.

„Sie leben in einer anderen Welt"

Carina Karmolinski, Diplom-Sozialpädagogin und Sozialarbeiterin, hat an der Universität Duisburg-Essen studiert. 2009 fing sie beim Allgemeinen Sozialen Dienst der Stadt an. Sie widmet sich mit vier weiteren Kollegen der Eingliederungshilfe für seelisch-behinderte Kinder und Jugendliche. Das können Kinder mit Ängsten sein, mit Essstörungen, Entwicklungsstörungen, mit schweren Psychosen oder Autisten. „Autisten haben eine ganz andere Wahrnehmung, sie leben in einer anderen Welt, können die Mimik des Gegenübers nicht deuten. Sie schaffen es oft nicht, Freundschaften aufzubauen und nehmen nur ihre eigenen Bedürfnisse wahr", sagt Karmolinski. Wobei kein Autist wie der andere ist. „Die Eltern kommen mit einer Diagnose zu uns und wir schauen, welche Angebot es gibt", sagt Karmolinski.

Erziehung ohne Gewalt und ohne Druck (psychische Gewalt) – das ist nach Meinung der drei Erziehungsexpertinnen möglich und notwendig. „Gewalt ist ein No Go", sagt Karmolinski. „Die Eltern sollten die Kinder auf Augenhöhe begegnen – aus solchen Familien kommen starke Kinder. „Kinder lernen am Modell – und das Modell sind die Eltern." Gewalttätige Kinder haben oft über einen längeren Zeitraum Gewalt zu Hause erlebt. „Heute gibt es keine Eltern, die sagen: Schläge haben noch keinen geschadet", sagt Rieger-Hagen. „Sie sehen es eher als Hilfslosigkeit an, wenn ihnen mal die Hand ausrutscht."

Komplett verwahrlost

Den drei Mitarbeitern der Beratungsstelle sind Kindern begegnet, die komplett verwahrlost aufgewachsen sind und misshandelt wurden und daher massive Störungen aufzeigten. „Das geht einem sehr nah, wenn man sieht, wie der Lebensweg eines Menschen vorgezeichnet ist", sagt Carina Karmolinski.

Aber die Beratungsstelle weiß auch von vielen positiven Beispielen. „Ich habe vor kurzem eine Karte von einer jungen Frau erhalten, die in Behandlung war. Sie schreibt, dass es ihr gut geht und dass sie sich bedankt", berichtet Alice Naujoks.

Von einem Jungen mit schwerer Lese und Rechtschreibschwäche erzählt Rieger-Hagen. Durch eine Lernförderung schaffte er den Gesamtschul-Abschluss und eine Berufsausbildung. „Jetzt will er Meister werden und dann studieren." Das sind die guten Geschichten.

Horst Martens

Familien- und Schulberatungsstelle

Wilhelmstraße 88

Tel. 0 23 23 / 16 -36 40

www.Familien-Schulberatung.herne.de