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31. Mai 2014 | Gesellschaft Wirtschaft

Was ist der häufigste Fehler, den Menschen machen, wenn sie in die Überschuldung geraten? Susanne Wolf, Geschäftsführerin der Herner Schuldnerberatung, muss nicht lange überlegen, um die Frage zu beantworten: „Sie warten zu lange ab, verschließen die Augen vor den Problemen und verlieren damit wertvolle Zeit."

Scham vor dem Gang zur Behörde

Exemplarisch ist daher folgender Fall: Frau B. ist 1970 geboren, geschieden und zieht zwei Kinder groß. Ihr Einkommen aus Erwerbstätigkeit, Kindergeld und Unterhalt beträgt 1.088 Euro - dem stehen alleine für Miete und Energie 566 Euro als feste Kosten gegenüber. Bleiben 174 Euro pro Person für alles andere, wie Ernährung, Kleidung, Sportverein, Telefon oder wichtige Versicherungen. Eine Aufstockung durch ALG II wäre möglich und angezeigt. Frau B. hat diese jedoch aus Scham vor dem Gang zur  Behörde nicht beantragt. So sammeln sich unbezahlte Rechnungen an, natürlich auch für die in den letzten Jahren stark gestiegenen Energiekosten. Und damit kommt Frau B. an einen Punkt, an dem die meisten Betroffenen dann doch Hilfe suchen: Die Energielieferung wird eingestellt.

„Energiesperren stellen eine andere Form von Obdachlosigkeit dar", ist sich Susanne Wolf sicher. „Isolation, Kälte, Dunkelheit, kein warmes Essen, Körperpflege nur mit kaltem Wasser, rasieren oder Haare föhnen fallen aus, Hausaufgaben werden nicht gemacht, Wäsche wird mit kaltem Wasser gewaschen und kann nicht gebügelt werden, staubsaugen ist nicht möglich – man wirkt ungepflegt und fühlt sich außerhalb der menschlichen Gesellschaft. Häufig sind psychische und körperliche Erkrankungen die Folge", so die Schuldnerberaterin. Ab 100 Euro Zahlungsrückstand kann die Energie abgestellt werden, die Kosten für die Inbetriebsetzung betragen je nach Wochentag und Uhrzeit zwischen 66 und 150 Euro. Auch Frau B. sucht zu diesem Zeitpunkt die Schuldnerberatung auf.

Die Beratungsstelle beginnt nun zunächst, wie oft, vor der konkreten Entschuldungsarbeit mit der Existenzsicherung: Neben der Verhinderung von Energiesperren oder wie bei Frau B. der Wiederherstellung der Energielieferung, muss oft sogar zunächst die Gefahr einer drohenden Obdachlosigkeit beseitigt werden. Bei Frau B. hatte sich übrigens wegen der lang anhaltenden Verdrängung ihrer Situation ein Rückstand von insgesamt 2.400 Euro beim Energieversorger angesammelt, was natürlich die Verhandlungsbereitschaft stark einschränkt. Trotzdem gelingt es der Schuldnerberatung mit der Mobilisierung von Spendengeldern und Hilfe bei der Beantragung von ALG II, den Versorger vom Zahlungswillen von Frau B. zu überzeugen und die Energiezufuhr wiederherzustellen. Jetzt kann die eigentliche Entschuldungsarbeit beginnen.

Kein Einzelschicksal - einer von über 600 Fällen

Natürlich ist der Fall von Frau B. kein Einzelschicksal, sondern im Bereich der Herner Schuldnerberatung einer von mehr als 600 Fällen, die 2013 entweder eine Schuldner- oder Insolvenzberatung benötigt haben. Wenn Frau B. eine durchschnittliche Klientin der Beratungsstelle wäre, würde ihr Alter zwischen 31 und 40 Jahren liegen, sie wäre verheiratet, hätte Kinder, wäre erwerbstätig und würde in Herne-Mitte oder Wanne-Nord wohnen. Sie hätte also eine ganz normale Sozial- und Erwerbsbiografie, was ist dann der Auslöser für die finanziellen Schwierigkeiten?

Einkommensarmut ist die Hauptursache

 „Über Jahrzehnte lagen die Ursachen von Überschuldung vorrangig beim Verlust des Arbeitsplatzes, Scheidung oder Krankheit. Heute ist Einkommensarmut die Hauptursache", erklärt Susanne Wolf. „Immer geringeren Einkommen stehen steigende Lebenshaltungskosten gegenüber". Viele Menschen geraten also trotz eines Einkommens in die Armut. Während die Schuldnerberatung bei der Höhe des Familienbudgets wenig Einfluss hat, kann sie auf der Ausgabenseite bereits präventiv tätig werden: Neue Medien, aggressive Kreditwerbung und der Wunsch, dazuzugehören, lassen Jugendliche und junge Erwachsene oft schon früh in die Schuldenfalle tappen. Hier gilt es, Finanzkompetenz zu fördern. Ebenso kann mit einer Energieberatung den hohen Kosten für Gas und Strom begegnet werden. Es lohnt sich also auf jeden Fall, die Schuldnerberatung in Anspruch zu nehmen – rechtzeitig!

Autor: Christian Matzko

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