inszene

Zwischen Hybris und Selbstinszenierung

27. Februar 2015 | Freizeit Gesellschaft Kultur

Bevor wir über Musik sprechen, geht es um ein Nebenprojekt. Timon hat 2012 mit fünf weiteren Autoren und Designern das "Institut für Zeitgenossenschaft" (IFZ) gegründet. Hinter dem Leitspruch "Saeculum lucis et veritatis" ("das Zeitalter des Lichts und der Wahrheit") verbirgt sich ein nicht ganz ernstzunehmender Forschungsansatz, der mit dem Projekt "Die 100 wichtigsten Dinge" eine geniale Umsetzung findet. Das IFZ hat einen Katalog von hundert gänzlich unterschiedlichen Dingen zusammengestellt, die in ihrer Gesamtheit die wichtigsten Dinge darstellen. Das klingt erstmal simpel, aber Timon weiß das zu verhindern. Denn müsste er das Projekt mit einem Satz beschreiben, klänge das so: "Ein Versuch der grundlegenden Reduktion und Rekonstruktion des modernen Lebens." Und sagt damit gar nichts.

Schaum als Aggregatzustand der Moderne

Wasser findet sich unter den 100 wichtigsten Dingen nicht wieder - dafür aber "Getränk". Auch "Auto" hat es nicht in die Auswahl geschafft - wohl aber "Rakete". Den Vorwurf, doch nur eine möglichst witzige Liste zusammengestellt zu haben, wehrt Timon in seiner Rolle als Institutsleiter schnell ab. "Die Arbeit war ganz schön diskussionswütig. Wir haben nächtelang daran gesessen, denn wir wollten ja wirklich die genau wichtigsten Dinge ermitteln." Schwer zu glauben, schaut man sich zum Beispiel den Text zu Schaum an: "Ein Aggregatzustand, den die Moderne erfand."

Dass das Ganze aber nicht nur ein großangelegter Witz ist, wird klar, wenn sogar der Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, Claudius Seidl, einen Gastbeitrag verfasst, und den Text zum Begriff "Serviette" beisteuert.

"Schön und schlau soll die Welt sein!"

Nun erscheint das Bild- und Textmaterial auch als Buch - und das hat das IFZ einer Crowdfunding-Kampagne zu- verdanken. "Wir haben letztlich nichts gemacht", sagt Timon. Und dennoch 10.000 Euro zusammen bekommen, mit denen das Buch tatsächlich publiziert werden kann. Je nach Spende konnte man sich während der Kampagne zum Beispiel ein signiertes Exemplar sichern oder gerahmte Drucke der fotografierten 100 wichtigsten Dinge.

"Ich glaube, dass dieses Buch sehr viele Menschen wieder näher an die Wissenschaft heranbringt", sagt Timon in vollem Ernst. "Schön und schlau soll die Welt sein!"

Die Mitglieder des IFZ waren im vergangenen Jahr einen Monat auf Studienreise in den USA unterwegs, um für das nächste Projekt zu recherchieren: Ein Buch über Tennissport in New York City. Mehr gibt es zunächst nicht zu verraten, aber es zeichnet sich bereits ab, dass das Ganze mindestens so skurril wie das bald erscheinende Buch wird.

© Julia Enke © Julia Enke

Interviewfragen wie beim Bingo durchstreichen

Die vielen Interviews der vergangenen Jahre haben Timon gelehrt, was die Leute von ihm wissen wollen. Es ist Teil seiner Rolle als Aushängeschild für Susanne Blech geworden. Einmal angefangen, redet er munter drauf los ... und wie beim Bingo brauche ich zumeist nur die Fragen durchzustreichen, die ich ihm eigentlich stellen wollte; denn er beantwortet sie von ganz alleine.

"Ich dachte lange Zeit, dass ich nach dem zweiten Album keines mehr mache." Doch dann kamen 2012 Managements, Booking-Agenturen, Plattenfirmen und Verlage auf die Band zu, "und dann dachten wir, wir machen mal weiter und schauen, was man da so rausholen kann!"

Vorband für Die Toten Hosen und Guano Apes

Mit viel professioneller Verstärkung im Rücken hat Susanne Blech dann ein wildes 2014 hinter sich gebracht. "Das letzte Jahr war super anstrengend mit den ganzen Konzerten", sagt Timon. Rund 70 Mal stand die Band deutschlandweit auf der Bühne. An der Klinke seiner Küchentür hängen dutzendweise Festival- und Konzertpässe. Unter anderem auch als Vorband für Die Fantastischen Vier, Die Toten Hosen und sogar als Tourbegleitung für Guano Apes ist die Kombo aufgetreten. Mit den Guano Apes ging es unter anderem nach Leipzig. Timon erinnert sich, wie nach dem Konzert dort jemand auf ihn zukam und sagte: "Ich fand das ja ganz gut, aber die beiden Inder gefallen mir nicht." Gemeint waren Jerome und Jobin Vazhayil - die beiden anderen Sänger der Band.

Immer direkt was Neues machen

Das im Mai 2014 erschienene Album "Welt verhindern" zeichnet sich durch viele Kollaborationen aus. Der Publizist Benjamin von Stuckrad-Barre, Frontmann Johannes Rögner von Frittenbude und Turbo B, ehemaliges Mitglied von Snap! (Rhythm is a Dancer), haben daran mitgewirkt.

Timon sagt, er habe das Album zum ersten Mal seit Monaten wieder in der Hand. Er schaut es sich allerdings so an, als wäre das erste Mal. "Für das Artcover habe ich so eine Tapete fotografiert", kommentiert er leicht abwesend. "Vielleicht darf man so etwas gar nicht erst rausbringen. Das veraltet so schnell im eigenen Kopf", sagt er und legt die CD bald wieder aus der Hand. Und weiter:

"Wenn ich etwas fertiggestellt habe, dann ist das für mich eigentlich erledigt, dann will ich gleich was Neues machen."

Susanne Blech wird ambitionierter

Im Mai letzten Jahres waren die Jungs auch zu Gast bei "Circus Halligalli" auf Pro 7 und durften ihre Neuerscheinung bewerben. "Ich musste da etwas überredet werden, das zu machen", verrät der Sänger mir. "Aus einem Schrank zu springen und seine Sachen zu promoten ist nicht so meins", erklärt er weiter. Aber irgendwie will man ja da auf sich aufmerksam machen, man habe schließlich viel Zeit und Geld investiert.

Und was erwartet die Fans 2015? Erst einmal wird es ein paar Konzerte weniger geben, aber dafür mehr Arbeit am neuen Album - das erscheint spätestens 2016, denn so will es auch der Vertrag mit Sony."Wenn wir nicht abliefern, müssen wir riesige Vorschüsse zurückzahlen!", scherzt Timon. Wird Susanne Blech ruhiger? "Auf jeden Fall klarer. Ich würde sagen, dass es ambitionierter wird. Wir werden mit einem sehr frischen und neuen Sound an den Start gehen."

Text: Sascha Dominic Rutzen