Kara Stephan im Alten Wartesaal

Gesichtslose Körper

5. April 2019 | Gesellschaft Kultur

  • Double. © Frank Dieper, Stadt Herne
Nicht nur bei "Double" spielt die Künstlerin mit sakralen Elementen. So lässt sich diese Figur vor allem in der Art der Aufhängung als Jesuskreuz deuten. "Das Gewölbe hat ja auch was von Kreuzgang", fügt Museumsdirektor Dr. Oliver Doetzer-Berweger hinzu. Sieben dieser gesichtslosen und körperlosen Puppen liegen oder hängen in unterschiedlichen Stellungen im Wartesaal. Daneben zeigt Kara Stephan gemalte Gesichter in Acryl, einmal diffus, dann wieder scharf wirkend. Komplettiert wird die Ausstellung durch Linol- und Holzschnitte sowie Aquarelle.

Kara Stephan, Alter Wartesaal Herne, 5. April bis 5. Mai 2019

Offen für Assoziationen

"Was braucht eine Figur, damit ich mich in sie hineinversetzen kann?", diese Frage stellt sich Kara Stephan jeweils. Größe, Bewegung und Situation spielen eine Rolle. Gleichzeitig sind die Figuren auch offen für  Assoziationen: Der Ausstellungs-Titel bekommt eine Bedeutung: Wir assoziieren, "ahnen" also, um was es gehen könnte. Der "Dummy" ist eine Figur, die gekrümmt am Boden liegt. Die Erklärung der Künstlerin: Der Dummy ist dafür bekannt, dass er für das Wohl des Menschen Leid auf sich nimmt.

Der Stoff ist die Haut

Stoff ist sonst Bestandteil der Kleidung. "Bei meinen Figuren sind die Stoffe Haut. Bei der Erstellung entwickle ich Schnittmuster, die ich von der Kleidung kenne", sagt die Künstlerin. Der Stoff besteht aus Nesselstoff, die Füllung aus Watte. „Der Schatten" (eine schwarze Gestalt auf einer Bahre) ist ein Spiel mit Tod und dem Schlaf. In „Gym" sind zwei Turner am Reck aktiv. Eine an den Beinen befestigte Figur hängt nach unten (Swing), eine andere Figur hängt an einem Seil, der in der Körpermitte befestigt ist (Attitüde). Der Zuschauer assoziiert möglicherweise "Bondage". Das „Baby" wiederum sitzt in einem Hochstuhl, ein Spiegel ersetzt das Gesicht.

Serie mit Gesichtern

Daneben präsentiert die Künstlerin drei Serien mit Gesichtern - mal unscharf mit Acrylfarbe gemalt und zusätzlichen Effekten durch Wachs. Auffallend auch eine Folge mit diesmal scharfen oval geschnittenen Gesichtern, wobei unter jedem Gesicht eine reale Brille platziert ist. Eine kombinierte Arbeit besteht aus einem ovalen Familienbild, vor dem eine Fotokamera aus den 50-er Jahren steht. Alle ihre Arbeiten pendeln zwischen den Gegensätzen Individualität und Allgemeinheit. „Dabei spiele ich mit Assoziationen, Erinnerungen und Sinnbildern", sagt die Künstlerin.

Von der Bühnenzeichnerin zur Künstlerin

Für die Kuratorin Katrin Lieske ist von der Vielfalt der Arbeiten beeindruckt, die gut in den Alten Wartesaal passen. Außerdem habe sie gezielt nach weiblichen Künstlern Ausschau gehalten. Nicht zufällig spielt auch das Alter eine Rolle, da gerade junge Künstler dafür prädestiniert erscheinen, im Alten Wartesaal auszustellen. Kara Stephan hat gerade ihren Bachelor-Abschluss an der Hochschule für bildende Künste Essen (HKB) erworben. Sie stammt aus Flensburg und war zuvor als Bühnenzeichnerin tätig.

Horst Martens