Social Media

Herner Geschichte goes Facebook

1. November 2014 | Freizeit

Für den inherne-Termin treffen sich zum ersten Mal vier Mitglieder dieses Kreises beim Friseur Andreas Janik zwischen Herrenstühlen, Rückwärtswaschanlagen und Friseurspiegeln. Sie kommunizieren fast täglich miteinander, aber bis heute immer nur virtuell. Der Friseur hatte vor zwei Jahren die Idee, sein Hobby auf einer Social-Media-Plattform mit vielen Gleichgesinnten zu teilen. Für den Namen der zu gründenden Gruppe ließ er sich von der Rubrik des Herner Museumsleiters Karl Brandt in der Herner Zeitung aus den 1930-er Jahren inspirieren. „Hün un Perdün" hieß die Serie damals, „Dies und Das" auf westfälisch, in der Brandt Neues und Kurioses über Lokalgeschichte und Archäologie verbreitete.

Titel-Hün-un-Perdün-2014_07©-Stadt-Herne,-Horst-Martens

Und das wollte Janik nun auch – allerdings auf moderne Art und mit anderen Interessierten zusammen. Er ist passionierter Familienforscher und landete über die lokale Geschichte Hernes schließlich bei der Historie der Adelsfamilie Strünkede. Mittlerweile hat er sich eine große digitale Sammlung von rund 600 historischen Urkunden über das „noble" Geschlecht zugelegt. Janik hat sich im Selbststudium zu einem Experten entwickelt. Vor Kurzem referierte er in einem VHS-Kurs über das Thema: „Herne – alte Karten erzählen".

Initialzünder Familiengeschichte

Die Geschichte der eigenen Familie scheint häufig der Initialzünder für das weitergehende Interesse an Heimatgeschichte zu sein. Auch beim Feuerwehrmann Marcus Schubert, der sein Faible für Historie bei der Recherche über seine Vorfahren entdeckte. „Ich war fasziniert, vor dem Haus zu stehen, in dem mein Urgroßvater gewohnt hat. Dann stellte ich mir vor, was er gesehen hat und was nicht, was sich geändert hat und was noch heute besteht." Und schon ist der Sprung zur lokalen Geschichte geschafft. Heute kennt er, wie er sagt, „jeden Bordstein mit Vornamen". Den Feuerwehrmann treibt noch ein anderes Interesse, nämlich an der Historie der Herner Feuerwehr seit 1877.

Herne – ein weißer Fleck?

„Von Dienst wegen spannend", findet Jürgen Hagen die Facebook-Gruppe, was auch selbstverständlich ist, denn er ist Leiter des Herner Stadtarchivs. „Zumal es in Wanne-Eickel die ‚Gesellschaft für Heimatkunde‘ gibt, während Herne für Lokalhistoriker ein weißer Fleck ist." Trotzdem wünscht sich der Stadtarchivar auch mehr Interessierte aus Wanne-Eickel, denn die Geschichtsforschung soll nicht an der Stadtgrenze von Alt-Herne Halt machen. Mit „Graf Hotte" Schröder und Roland Schöning sind immerhin zwei ausgewiesene Wanner-Eickeler Urgesteine dabei.

Glücksgefühl bei Entdeckungen

Titel-Hün-un-Perdün-2014_08©-Stadt-Herne,-Horst-Martens

Die Herner Geschichtsforscher haben schon „viele Mosaiksteinchen zusammen getragen" (Janik). Sie haben herausgefunden, dass „Constantin" auch als „Luft- und Lichtbad" bezeichnet wurde. Gertrud Frohberger („Meine Geschichte kann ich bis 1500 zurück verfolgen) hat die amüsante Episode der Frau de la Roche entdeckt, der Frau des damaligen Amtmannes von Baukau. Um die Eingemeindung durch Herne zu verhindern, streute die Dame üble Gerüchte und bezahlte die böse Nachrede mit drei Monaten Gefängnis. Aufgetan hat Frohberger die Geschichte im Portal eines amerikanischen Zeitungsarchivs. Und von diesen kuriosen Begebenheiten gibt es zahlreiche – wie der Verweis, dass der Gysenberg und die Schadeburg durch eine Wasserleitung verbunden waren oder die Anekdote, die sich daraus entwickelte, dass dem Pastor aus Herne eine Fischreuse geklaut wurde. So wollen „Hün un Perdün" auch ergründet haben, dass das Wappen der Strünkeder falsch genutzt wird. „Wenn wir tatsächlich was Neues entdecken, dann ist das wie ein Glücksgefühl", sagt Schubert.

Quellen aller Art

Mit Quellen aller Art beschäftigen sich die Facebook-Mitglieder, deren Zahl die 100 unlängst überschritten hat. „Wir hauen uns die alten Bilder um die Ohren und fragen uns, wo die Aufnahme gemacht wurde", sagt Janik. So kursieren derzeit kolorierte Postkarten mit Herner Straßenszenen. Einiges hat sich im Lauf der Jahrzehnte kaum verändert, anderes – wie Kaiser-Wilhelm- und Kriegs-Denkmäler – ist komplett verschwunden. Marcus Schubert hat mit Kollegen über eine historische Gruppenaufnahme der Feuerwehr räsoniert und über die Zuordnung von Plaketten, Abzeichen und Bauten das Aufnahmejahr ermittelt. Analysiert werden in der Gruppe auch alte Dokumente, archivierte Zeitungen und Luftaufnahmen der Alliierten aus dem 2. Weltkrieg.

Das kollektive Aha

Bei allem Fleiß und aller Begeisterung mahnt Janik auch zu wissenschaftlicher Besonnenheit: „Wir müssen zusehen, dass wir die Quellen sofort angeben. Oft schreibt einer vom anderen ab, und wir können den Ursprung der Information nicht belegen." Trotzdem soll die Begeisterung, Neues im Alten zu entdecken, nicht durch weitere akademische Vorgaben begrenzt werden: Denn bei „Hün und Perdün" gilt laut Janik grundsätzlich: „Jeder hat was zu sagen und nachher gibt es das kollektive Aha."

Text und Fotos: Horst Martens

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