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117 Künstler wollten den „Herbert!“

20. Oktober 2013 | Kultur

  • Die Kulturinitiative unterstützt unter vielen anderen Projekten den Jugendkulturpreis "Herbert". ©Marie Köhler
    Die Kulturinitiative unterstützt unter vielen anderen Projekten den Jugendkulturpreis "Herbert". ©Marie Köhler

Stolze 117 Teilnehmer präsentierten beim 2. Herner Jugendkultur-Wettbewerb, dem „Herbert!“!, am letzten September-Wochenende ihr Können in den unterschiedlichsten Bereichen. Rund 60 Beiträge aus dem Bereich der bildenden Kunst und 30 Bühnenpräsentationen sorgten für ein abwechslungsreiches und spannendes Programm, das auf zwei Tage verteilt mehr als 11 Stunden andauerte.Grund genug, einen genaueren Blick auf die Veranstaltung zu werfen.

Vor einem Jahr habe ich die Gewinner der ersten drei Preise etwas genauer vorgestellt. Dieses Mal möchte ich mir die Veranstaltung selbst genauer anschauen – und treffe mich dafür mit Chris Wawzryniak, der mit seinem Büro für freischaffende Kulturarbeit ‘Der Goldene Raum’ erneut im Auftrag und in Kooperation mit der Stadt Herne mit Konzeption, Organisation und Durchführung des Herbert! befasst war. Im Gespräch macht er eines schnell klar: "Beim Herbert! wird die Jugend nicht darauf hingezüchtet, schneller, größer und besser zu werden." Man möchte mit den Preisgeldern natürlich Talente fördern, aber "eigentlich geht's darum, allen dieses Forum zu bieten."

Reflexion durch Präsentation

In den Schränken und Schubladen der Herner Jugendlichen versteckte sich so manches Kunstwerk – nur hat bislang manchmal einfach der Mut gefehlt, das auch der Öffentlichkeit zu zeigen. Teil einer Ausstellung zu sein ändert aber auch die eigene Sicht auf Geschaffenes: "Man reflektiert die eigenen Arbeiten im Kontext der Ausstellung", erklärt mir der Organisator. Und weiter: "Jedes Kunstwerk wird einzeln gewürdigt und bekommt genau den Raum, den es verdient". "Dabei sein ist alles" ist mehr als eine Platitüde, sondern hat beim Herbert! Prinzip und bringt die Jugendlichen zusammen. "Lernt euch kennen. Tauscht euch aus!", fordert Chris die Künstler auf. Und das ist das Ziel der Ausstellung.

Mit Schulscouts die Jugendlichen erreichen

Grundlage dafür ist das fehlende Konkurrenzdenken unter den Künstlern- darunter auch viele Teilnehmer vom vorigen Jahr – denen auch „langsam klar wird, was der Herbert! eigentlich bedeutet“, sagt Gabi Kloke vom Kulturbüro und meint damit die ganz besondere Stimmung, die zwei Tage lang in den Flottmannhallen geherrscht hat. „Die kam zwar letztes Jahr auch schon auf, aber dieses Mal gab es eine viel aktive Kommunikation untereinander“, freut sie sich. Es ging ums Dabeisein, nicht ums Gewinnen. Das Konzept von Herbert! scheint somit aufzugehen. Das liegt wohl auch an der besonderen Art und Weise, neue Teilnehmer zu finden: „Schulscouts“ fangen schon Monate im Voraus damit an, in den Herner Schulen auf das Projekt aufmerksam zu machen und schon vor Ort in den Klassen erste Fragen und Probleme zu lösen. „Damit wird den Jugendlichen die Berührungsangst genommen, sich mit sowas zu beschäftigen“, weiß Noemi Paprotny (21), die für den Herbert! auf Teilnehmer-Suche gegangen ist. Wichtig ist dabei, wie man den Jugendlichen begegnet. Bei Vierzehnjährigen ist das schwieriger als bei Abiturienten, da ist man vom Alter her näher dran. „Aber jede Klasse ist da anders. Wir versuchen, das Ganze recht lässig rüberzubringen“, sagt sie.

Es zählt immer die Idee dahinter

Graffiti, Digitalzeichnungen, Mode, Tanz, Gesang... Herbert! lebt von den vielen bunten Einfällen der Teilnehmer und von der Dynamik ihrer Ideen. Schwierig macht das aber die Bewertung. Wie vergleicht man die Kurzgeschichte einer Vierzehnjährigen mit dem Aquarell eines Zwanzigjährigen? Daher war es die schwierige Aufgabe der acht Jurymitglieder, ganz unabhängig vom Genre die Idee und die Ausführung jedes einzelnen Beitrags genau unter die Lupe zu nehmen und in Einzelgesprächen mit den Künstlern mehr über ihre Gedanken und Intentionen zu erfahren.

Bei Herbert! ist vieles anders als bei anderen Wettbewerben. Es gibt keine Vorgaben zu den Beiträgen – jeder kann und soll einreichen, was er will und zeigen, was er kann. Es wird vorher nicht unter den Bewerbern ausgesiebt – alle sind dabei. „Die große Teilnehmerzahl war dieses Jahr eine absolute Herausforderung“, gibt Pierre Cournoyer zu, der mit zum Team des „Goldenen Raums“ gehört. Doch trotzdem weiß man, sich um die Jugendlichen zu kümmern. Kurz vor der Veranstaltung hatten fünfzehn interessierte Jugendliche noch die Gelegenheit dazu, in einem von Pierre geleiteten Workshop ganz bewusst ihr Lampenfieber anzugehen und an ihrer Bühnenpräsenz zu arbeiten. Zwar habe es eine Weile gedauert, bis die Jugendlichen aufgelockert waren und sich mehr zutrauten, "aber danach war es gigantisch schön und bereichernd", erzählt mir Pierre, für den der Workshop eine der besten Erfahrung im Rahmen der Veranstaltung gewesen ist.

Feedback, Ratschläge und viele Eindrücke

Während der Präsentation in den Flottmannhallen habe ich auch Janna Zimmer, kennengelernt, die mit ihren digitalen Zeichnungen von selbst erdachten Kreaturen und Landschaften später die Jury überzeugen und den dritten Platz belegen konnte (der wurde in diesem Jahr gleich zweimal belegt – und statt das Preisgeld von 1000 Euro aufzuteilen, entschied sich der Förderer "Kulturinitiative Herne e.V." spontan, weitere tausend Euro bereitzustellen). Ausgestellt hat sie noch nie. "Aber es ist schön, soviel Feedback zu bekommen", sagt die Siebzehnjährige und freut sich über die vielen neuen Eindrücke. Sie hat von anderen Künstlern auch schon Ratschläge bekommen: "Zum Beispiel hat Nils mir Tipps zur Ausbildung gegeben!". Der präsentiert sein Werk direkt nebenan. Und das ist nicht zu übersehen: auf drei Leinwänden mit einer Größe von zusammen zehn Quadratmentern hat der Graffiti-Künstler eigens für den Herbert! eine schrille Komposition geschaffen.

Die kreativen Ursprünge von Nils liegen in der Graffiti-Szene. Das erkennt man sofort. Aber mit der Zeit hat er sich immer mehr der klassichen Kunst genähert und jetzt nach dem Abitur startet er sein Malerei-Studium an der renommierten Kunstakademie in Düsseldorf. "Mal gucken, wie sich das jetzt weiter entwickelt. Vielleicht werde ich ja Bildhauer? Wobe ich handwerklich nicht gerade eine Leuchte bin...", überlegt er scherzend.

Emotionen nicht nur bei den Teilnehmern

Die abschließende Preisverleihung war nicht nur für die Künstler gespannt erwartet worden, sondern auch von Pierre. „Das war ein sehr emotionaler Moment", verrät er mir sogar. Über Wochen stand er mit vielen der mehr als hundert Teilnehmer in Kontakt und hat so eine gewisse Bindung zu ihnen aufgebaut – manche von ihnen am Ende dann auf der Bühne stehen zu sehen war die Belohnung dafür: "Letztes Jahr war ich hauptsächlich als Moderator beim Herbert! involviert. Da hatte ich keine so große Nähe zu dem Ganzen."

Die Preisgelder der ersten drei Plätze (zusammen gewaltige 7.000 Euro) gab es auch nicht bar auf die Hand, sondern in Form eines Kreativstipendiums. Die Idee dahinter erklärt mir Chris wie folgt: "Wir begleiten die Künstler auf ihrem Weg und überlegen gemeinsam, was sie in ihrer kreativen Entwicklung weiterbringt."

Herbert! endet nicht mit der Preisverleihung, sondern wird zusammen mit den Künstlern fortgeführt. Wer sich darauf einlässt, findet in der Veranstaltung eine hervorragende Basis für seine Kreativität.

Dass diese Chance genutzt wird, freut die Organisatoren und daher lautet Chris Wawzryniaks Appell an alle Jugendlichen auch ganz klar und einfach: „Weitermachen!“

Text: Sascha Dominic Rutzen

Fotos: Marie Köhler

Persönlicher Antext:

Dieses inszene-Thema war für mich diesmal aus ganz unterschiedlichen Gründen besonders interessant. Zum Einen, weil ich auch in diesem Jahr wieder als Schulscout unterwegs war – vor allem aber, weil durch das Interview mit Chris der Generationenwechsel komplett wurde. Schließlich hat er vor mir die „inszene“ jahrelang gestaltet - und wurde nun selbst zum Thema.

 

Text: Sascha Dominic Rutzen

Fotos: Marie Köhler