Nachhaltiges Stadtleben gemeinsam gestalten

9. Mai 2021 | Ausgabe 2021/2

Immer mehr Menschen zieht es in die Städte

„Gehse inne Stadt…“ – nein, hier geht es jetzt nicht um den Song von Herbert Grönemeyer, sondern um einen bereits seit Jahren anhaltenden Trend der Bevölkerungsbewegung. Weltweit leben heute mehr als die Hälfte der Menschen in Städten. Laut aktuellen Schätzungen sollen es bis 2030 60 Prozent und bis 2050 sogar 70 Prozent sein.

Platzmangel
Die Herausforderungen, die sich daraus ergeben, sind in vielen Städten sichtbar. Da Städte sich nicht unbegrenzt ausbreiten können, nimmt der Platzmangel zu. Knappe Flächen führen zu steigenden Immobilienpreisen und in der Folge zu höheren Mieten. Dadurch werden Mieterinnen und Mieter mit geringen Einkommen an die Ränder der Städte verdrängt. Weitere Herausforderungen stellen Mobilität, Energieverbrauch und Luftverschmutzung dar. Heute werden in den Metropolen 70 Prozent der von Menschen erzeugten Treibhausgase ausgestoßen und 75 Prozent der Energie verbraucht. Klimaanpassung, Energiesicherheit, sichere Arbeit, bezahlbares Wohnen, nachhaltige Mobilität, Gesundheit, Zuwanderung und demografischer Wandel sind die brennenden Themen der modernen Gesellschaft. In den Städten bündeln sich die diesbezüglichen Aufgabenstellungen wie unter einem Brennglas. Die Staatengemeinschaft hat die Problematik erkannt und die New Urban Agenda veröffentlicht. Im Rahmen der europäischen „New Leipzig Charta“ wurden drei Handlungsschritte formuliert: Soziale Teilhabe für alle, Intensivierung von Energiewende, Klima- und Ressourcenschutz sowie aktive, partizipative, transparente und gerechte Wohn- und Flächenpolitik.

Städtebauliche Projekte
Was bedeutet das für Herne? An welchen Stellen wird das Thema Nachhaltigkeit heute bereits aktiv gelebt? „Nachhaltigkeit im Bereich städtebaulicher Projekte
bedeutet für uns, dass wir bei allen Bau- oder Renovierungsprojekten zusehen, die Aufträge möglichst im engeren Umfeld zu vergeben“, erläutert Dr. Steven Engler von der Engler Immobilien Gruppe, der City Center und Europagarten gehören. „So können wir dazu beitragen, dass lokale und regionale Wertschöpfungsketten erhalten oder belebt werden. Von uns beauftragte Unternehmen und deren Mitarbeitende gestalten ihre persönliche Umgebung mit, was vielfach auch zu mehr Engagement führt. Das Geld bleibt im lokalen beziehungsweise regionalen Kreislauf. Über verschiedene Wege wandert unsere Investition zumindest zu einem Teil über die Unternehmen zu deren Mitarbeitenden sowie über deren Konsum zu unseren Mietern und sichert damit längerfristig wieder unseren Bestand.“ Auch Thomas Binsfeld von der Landmarken AG (Neue Höfe Herne) verdeutlicht die Bedeutung nachhaltigen Umgangs mit Bestandsimmobilien angesichts knapper werdender Rohstoffe: „Es war eine mutige Entscheidung der Stadt, dieses ehemalige Warenhaus zu kaufen und unter Denkmalschutz zu stellen, um es zu bewahren. Abriss und Neubau hätten enorme Ressourcen verschwendet. Für uns war schnell klar, dass wir die Herausforderung einer Revitalisierung im Bestand annehmen und unseren Beitrag dazu leisten würden, diesen Standort nachhaltig und ressourcenschonend zu entwickeln.“

Lokal agierende Besitzer wie Dr. Robert Sibbel haben ein langfristiges Interesse an ihren gepflegten Immobilien.

Revitalisierung von Bestandsimmobilien schont knappe Ressourcen und somit auch die Umwelt.

Auftragsvergaben im engeren Umfeld beleben regionale Wertschöpfungsketten.

Langfristiges Interesse
Einen weiteren Aspekt nachhaltigen Handelns im Rahmen der Stadtentwicklung bringt Dr. Robert Sibbel von „Dr. Sibbel Apotheken“ mit ein. „Lokal agierende Immobilienbesitzer sind für eine Stadt ein oft vernachlässigtes ,Pfund‘. Im Gegensatz zu reinen externen Finanzinvestoren haben sie häufig ein echtes, nicht nur wirtschaftlich geprägtes Interesse an ihrer Stadt. Da gibt es eine emotionale Ebene, eine oft tiefe Verbundenheit mit der Heimat und ein langfristiges Interesse. Dieses ,langfristige Interesse‘ beschreibt es aus meiner Sicht etwas besser als der Begriff der Nachhaltigkeit. Betreibt man sogar noch sein Gewerbe in der eigenen Immobilie, entsteht ein doppeltes Interesse. Aber auch als ,nur‘ lokal ansässiger Vermieter ist man für die Mieter erreichbarer, nahbarer und kann einem eventuellen Verfall der Immobilie nicht zusehen, ohne bei den Mietern, Nachbarn sowie der lokalen Öffentlichkeit sein Gesicht zu verlieren.“ Um die Entwicklung von Herne auch in Zukunft erfolgreich zu gestalten, müssen alle Beteiligten in Stadtentwicklungsprozesse eingebunden und die vorhandenen Kapazitäten effizient gebündelt werden. Dabei werden auch die erkennbaren Interessen zukünftiger Generationen nicht außer Acht gelassen.

Text: Michael Böhm, Herne.Business    Fotos: Landmarken AG, Engler Immobilien Gruppe, Frank Dieper