Serie Amtshäuser

Als „Die Wache“ noch eine richtige Wache war

20. Februar 2014 | Gesellschaft

Der Flur ist hell und freundlich, die bunten Räume, in denen Billardtisch und Kicker stehen, wirken einladend und gastfreundlich: Da verwundert es nicht, wenn Kinder und Jugendliche heute gerne in „Die Wache“ pilgern, dem Jugendzentrum an der Mont-Cenis-Straße 292.

Das war in der Vergangenheit schon mal anders. Denn nicht immer spielte der Wohlfühlfaktor in dem ehemaligen Amtshaus in Sodingen die zentrale Rolle. Zumindest einige Gäste hätten auf den Besuch in dem Gebäude wohl gerne verzichtet, wahrscheinlich war er auch nicht immer freiwillig. Bis ins Jahr 1998 war der heutige Name schließlich Programm: Bis zu diesem Zeitpunkt verrichtete die Polizei in Sodingen dort ihren Dienst. Einen Kicker oder Billardtisch suchte man damals vergeblich. Auf diese Art der Freizeitgestaltung mussten sicherlich auch die ersten Mieter verzichten.

Im Hof der Wache bei einem Grillfest für Kinder und Jugendliche 2010 Im Hof der Wache bei einem Grillfest für Kinder und Jugendliche 2010

Gebäude 1894 als Wohnhaus errichtet

Das Wohnhaus – 1894 von Gastwirt Nöthe aus Börnig errichtet – diente von 1902 bis 1928 als Amtshaus. Das Amt Sodingen wurde 1902 gegründet, nachdem die Gemeinden Börnig, Holthausen und Giesenberg-Sodingen zusammengeschlossen wurden. Das Amt Sodingen war damals allerdings nicht der Stadt Herne angegliedert, sondern noch dem Landkreis Dortmund. Die Amtsgeschäfte übernahm gleich im Jahr 1902 ein Mann, der im Stadtteil Sodingen noch heute präsent ist: Max Wiethoff. In unmittelbarer Umgebung des heutigen Jugendtreffs erinnern eine Straße und eine Schule an sein Wirken.

Max Wiethoff - erst Amtmann dann Beigeordneter

Seinen letzten Tag als Amtmann verbrachte er am 31. März 1928 aus. Einen Tag später wurde das Amt Sodingen in die Stadt Herne eingegliedert. Max Wiethoff fungierte im Anschluss als Beigeordneter der Stadt Herne, bis 1934 diente das Gebäude noch als Verwaltungssitz der Kommune. Aber schon 1935 gab es für das Wohnhaus, das inzwischen auf eine 120-jährige Geschichte zurückblicken kann, neue Mieter: Die Polizei. Die Dienststelle der Beamten war zuvor in einer Baracke vor dem Amtshaus untergebracht, dem heutigen Kurt-Edelhagen-Platz. Die Ordnungshüter nutzten das Gebäude insgesamt 67 Jahre, allerdings nicht alleine. Über der Wache waren die Zimmer vermietet. „Da war manchmal ganz schön was los“, erinnert sich Udo Schwuntek.

Flaschen fliegen durch das Fenster

Der heute 55-Jährige hat zwischen 1967 und 1982 in dem ehemaligen Amtshaus gewohnt. Da konnte es auch schon mal vorkommen, dass eine Flasche Bier durch die Fenster flog und auf dem Küchentisch landete. Schwuntek: „Besonders am Wochenende wurde es laut. Dann kamen die Halbstarken aus der Disko Golden Empire und legten sich mit der Polizei an.“ Im Innern der Wache war der rebellische Nachwuchs dann nicht mehr ganz so hartgesotten. „Als die Eltern von der Polizei angerufen wurden, wurde auch mal geweint. Man konnte es hören, das Haus war sehr hellhörig“, betont der ehemalige Hausbewohner. Im September 1998 bezogen die Polizisten ihr neues Quartier an der Thorner Straße 30. Im Juni 2000 eroberten dann die Kinder- und Jugendlichen „Die Wache“ in Sodingen.

Text: Michael Paternoga