Von August bis Thomas Niehage

Auf den Spuren einer Kaufmannsdynastie

29. Juli 2016 | Gesellschaft Wirtschaft

Den Großhandel gibt es zwar schon seit 2004 nicht mehr, an gleicher Stelle sitzt heute aber Thomas Niehage mit einer Immobilienverwaltung und der hat eine wirklich interessante Geschichte über eine Herner Familie zu erzählen, die den Herner Einzel- und Großhandel im letzten Jahrhundert maßgeblich mitgeprägt hat.

Im Dorfkern ging es los
Die Geschichte begann bereits Ende des 19. Jahrhunderts, als es den zweitgeborenen Bauerssohn August Niehage aus Vlotho zunächst nach Harpen, und dann an den Kirchplatz nach Herne zog. „Spezerei-, Mehl und Fettwarengeschäft“ hieß das Ladenlokal, das im November 1882 nur wenige Meter entfernt von der kurz zuvor erbauten Kreuzkirche eröffnete. Mitten im prosperierenden Dorf Herne wuchs auch das Unternehmen von August Niehage, der bereits zwölf Jahre später auf der damaligen Provinzialstraße für 11.000 Taler ein Wiesengrundstück von 700 Quadratmetern Größe erwarb.

Niehage Thomas Niehage

Beste Lage
An die heutige Ecke Bahnhofstraße/Neustraße verlegte August Niehage nun seinen Geschäftssitz und erweiterte selbigen um eine Drogerie und – all das noch im ausklingenden 19. Jahrhundert – um den Import von Weinen aus Frankreich und Spanien sowie Tee und Kaffee aus Holland. Die nächste Generation - in Person von Wilhelm Niehage - ging derweil in Köln bei einer der ältesten und bedeutendsten Lebensmittelgroßhandlungen in die Lehre. August Niehage expandierte in diesen Zeiten bis nach Henrichenburg, wo er unter anderem ein Großrestaurant führte und später auch hierhin übersiedelte. Sein Sohn übernahm die Geschäfte in Herne, konnte den Betrieb aber erst nach dem Ersten Weltkrieg so ausbauen, wie er es lange zuvor geplant hatte.

Großes Lager gleich gegenüber
Voraussetzung dafür war der Erwerb eines Grundstückes an der Neustraße, das in der Folge als Lager für Waren aller Art dienen sollte, inkl. einer zollfreien Lagerhaltung von Wein, Tee und Kaffee. Der zweite große Krieg im letzten Jahrhundert hemmte erneut das Wachstum, danach ging es aber vor allem mit der Kaffeerösterei steil bergauf. Wilhelm Niehage verstarb im Jahr 1951 im Alter von 70 Jahren, ihm folgte sein Sohn Helmut, der das Handelshaus Niehage zu weiterem Wachstum führte. Kaffee wurde in den Folgejahrzehnten bis ins Siegerland ausgeliefert und das Lager für mehr als 100.000 Liter Wein machte sich auch schnell bezahlt.

Geschäfte in ganz Herne
Aus einem Ladenlokal wurden in den folgenden Jahren sieben, die über das ganze Stadtgebiet verteilt waren, unter anderem in Altenhöfen, Sodingen und Horsthausen. Gut lief seinerzeit auch das Geschäft mit Apothekern, die aus Wein Medizin für Patienten mit Staublunge herstellten und deshalb immer wieder Nachschub brauchten.

Probleme tauchten erst auf, als die ersten Discounter mit ganz neuen Konzepten, weg von den damals üblichen Rabattheften, hin zu dauerhaft reduzierten Preisen, an den Start gingen. Neuartige Ideen wie die Reduzierung des Warenangebotes und der Verkauf von schmucklosen Paletten stellten das Unternehmen Niehage vor kaum lösbare Aufgaben und führten schließlich dazu, dass ein Ladenlokal nach dem anderen geschlossen wurde.

U-Bahn-Bau mit Nebenwirkungen
Der Bau der U-Bahn und die damit verbundene Großbaustelle sorgten schließlich auch dafür, dass der Stammsitz an der Bahnhofstraße aufgegeben werden musste. Einzig der Großhandel lief bis zum Tod von Helmut Niehage im Jahr 2004 weiter. In diesem Jahr endete die Ära der Kaufmannsfamilie Niehage, denn keines der Kinder wollte den elterlichen Betrieb weiter führen. Thomas Niehage, der schon lange zuvor in der Immobilienverwaltung tätig war, lenkt seine Geschäfte heute aber zum Teil von der Neustraße 5 aus, wo auch seine Tochter arbeitet. Einen großen Teil seiner Zeit verbringt Thomas Niehage heute aber auch in Winterberg. An die einstige Kaufmannsgeschichte erinnert indes  nur noch der Schriftzug auf dem Hinterhof.