Thema Wohnen

Aufschwung für den Wohnungsmarkt

21. Februar 2020 | Ausgabe 2020/1

„Die Durchschnittsmieten sind nach wie vor niedrig.“

Vertreter von Wohnungsgesellschaften sprechen über Mieten

inherne traf sich mit Klaus Karger, Chef der Wohnungsgenossenschaft Herne-Süd, und HGW-Geschäftsführer Thomas Bruns, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Herner Wohnungsunternehmen, um über die zukünftigen Herausforderungen des Wohnungsmarktes in unserer Stadt zu sprechen.

inherne: Kann man in Herne auch in Zukunft gut und günstig wohnen?
Bruns: Auf jeden Fall. Das kann man jetzt ja auch schon. Die Durchschnittsmieten sind nach wie vor niedrig. Dazu tragen auch die kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen bei, die die Marktpreise nicht voll ausschöpfen. Der große Bestand an Altbauten sorgt zudem dafür, dass es auch in Zukunft einfachen, dafür aber günstigen Wohnraum geben wird.
Karger: Die aktuell teuerste Wohnung im Herner Stadtgebiet vermieten wir für 8,50 Euro pro Quadratmeter in den „Strünkeder Höfen“. Das ist für ein derartiges Neubauprojekt sicherlich sehr preiswert. Wesentlich höhere Baukosten werden die Preise aber zukünftig steigen lassen. In Herne ist es zudem schwierig, überhaupt noch bezahlbare Grundstücke zu finden. Politische Einflüsse spielen ebenfalls eine nicht unwesentliche Rolle. Eine nicht mehr umlagefähige Grundsteuer würde die Mieten wohl noch einmal deutlich steigen lassen.

inherne: Warum passiert aktuell so viel auf dem Herner Wohnungsmarkt?
Karger: Bauen war, zumindest was die Finanzierung angeht, noch nie so günstig wie jetzt. Außerdem ist der Bedarf, vor allem an barrierefreien Wohnungen, enorm hoch, gerade auch im höheren Mietpreissegment. Deshalb brauchen wir attraktiven Wohnraum. Allein für unser neues Projekt „Wohnen Am Westbach“ sind jetzt schon über 200 Bewerbungen eingegangen.

Das geplante Europaviertel.

Klaus Karger und Thomas Bruns beim Interview.

Bruns: Wir beobachten schon seit fünf oder sechs Jahren erhöhte Bau- oder Renovierungstätigkeiten. In den letzten drei Jahren hat die Dynamik noch einmal zugenommen. Ein Grund ist sicherlich der Nachholeffekt. Wir haben viele Jahre nicht in die Bestandsmodernisierung investiert, weil spürbar keine Nachfrage da war und die Rahmenbedingungen auf dem Kapitalmarkt lange Jahre nicht passten. Angefangen haben wir dann zunächst mit energetischen Sanierungen. Danach sind wir in die Wohnungen gegangen und haben uns auch die Außenanlagen vorgenommen. Über die Neumietverträge lässt sich das heute gut refinanzieren, denn der Wohnraum ist durch den Umbau natürlich deutlich aufgewertet worden. Letztlich haben auch Fördermittel des Landes geholfen, den Wohnungsmarkt zu revitalisieren.
Die Zahl der Voranfragen und Reservierungen ist auch bei uns für alle neuen Projekte enorm. Die top ausgestattete Neubauwohnung in guter Lage mit guter Ausstattung, guter Infrastruktur und Einkaufsmöglichkeiten mit Anbindung an den ÖPNV wird uns fast aus den Händen gerissen.

inherne: Was muss eine Wohnung können, damit sie vom Markt angenommen wird?
Karger: Die Kunden der WHS wünschen sich vor allem sicheren und barrierefreien Wohnraum, gerne mit Balkon, Terrasse oder Garten. Schwierig
wird es hingegen ab der vierten Etage ohne Aufzug. Diesen Wohnraum können wir aber zum Beispiel Studierenden und Auszubildenden günstiger anbieten. Der Mietpreis an sich ist aber kein so großes Thema.
Bruns: Wenn es zum Beispiel um Wohnraum für Singles geht, übersteigt die Nachfrage das Angebot deutlich, vor allem wenn es dann noch günstig sein soll. Insgesamt hat die Nachfrage qualitativ angezogen, die Ansprüche sind gestiegen.
Karger: Zum Teil haben wir auch noch mit Planungsversäumnissen früherer Zeiten zu kämpfen. An der Bochumer/Sodinger Straße haben wir 92 Wohneinheiten. Jedes Haus hat einen Fahrstuhl und trotzdem ist keine der Wohnungen barrierefrei zu erreichen. Heute würde so etwas gar nicht mehr gefördert.

inherne: Was kommt in Zukunft?
Bruns: Wir müssen Baulücken finden und die Qualität im Bestand weiter verbessern, um die Menschen in der Stadt zu halten, aber auch, um neue Bürgerinnen und Bürger mit attraktiven Angeboten nach Herne zu locken. Nur mit der Ertüchtigung des Bestandes schaffen wir das nicht. Umso wichtiger ist für uns das Wohnflächenentwicklungsprogramm für den Geschosswohnungsbau. Bei Neubauten wird künftig immer das Mobilitätskonzept mitgedacht werden müssen.
Karger: Der Oberbürgermeister hat in den letzten Jahren viel geschafft. Vor allem hat er neue Arbeitsplätze in unsere Stadt geholt. Dies ist natürlich verbunden mit dem Auftrag an uns, den dazu passenden Wohnraum zu schaffen. Will ich Menschen aus Bochum oder Recklinghausen nach Herne holen, dann muss ich attraktiven Wohnraum anbieten.

„Insgesamt hat die Nachfrage qualitativ angezogen, die Ansprüche sind gestiegen.“

Interview: Philipp Stark     Foto: Philipp Stark    Grafik: HGW