Beeindruckend und bedrückend
Im Schlussapplaus war auch Begeisterung enthalten, aber eher Nachdenklichkeit. Bei der Uraufführung von "Basmala" in der Bochumer Zeche 1 durch die Herner Tanzgruppe "Renegade" ging es nicht um die eher um die klassischen HipHop-Themen wie Imponiergehabe, Anmache oder Wettbewerb durch Tanz, sondern um einen Griff auf die heutige, islamisch geprägte Migrantenrealität: Und die strotzt vor Stereotypen und provoziert nicht zum Lachen.
Zwischen "hate" und "enthusiasm"
Das Stück startet mit einem Video mit dem Gangsta-Rap "Lass die Affen aus dem Zoo" (Zittat: "Original Gangster wie Talibans die killen Teflon Don") und endet mit dem Rap des kanadischen Slammers Boona Mohammed, der vom Partylöwen zum Islamprediger konvertierte. Bewegt sich "Basmala", das Vorurteile aufdecken soll, zwischen diesen Antipoden, zwischen Gangster-Mentalität und Islamismus? Die Figuren, die von den Fünf, von Ibrahim Biaye, Freddy Houndekindo, Sefa Erdik, Said Gamal und Milad Samim getanzt werden, formen diese Gegensätze zwischen "Freund" und "Feind". An der Wand des Tanzraumes hängt das aus Stichwörtern zusammen gesetzte Drehbuch für das Stück: Zwischen "Walk" und "Stay", "before" und "later", "hate" und "enthusiasm". Regisseur Neco Çelik kreiert packende Szenen, die absurde Bilder im Kopf entstehen lassen. Er zeigt die innere Zerissenheit der Akteure zwischen Islam und HipHop, Religion und westlicher Lebensart. Çelik hatte zuvor schon mit "Renegade" zusammen gearbeitet. 2015 führte er im Schauspielhaus Bochum "Ruhm" auf.
Köln ist ganz nah
Ganz am Anfang das religiöse "Baslama"-Ritual mit einander reibenden Händen. Abhändig von der Perspektive werden aus den betenden plötzlich masturbierende Männer. Nebel breitet sich auf der Bühne aus, untermalt von einem basslastigen Musikteppich sowie Stimmengewirr, das sich mit Feuerwerksgeräuschen vermischt. Dazu aggressive Bewegungen der Tänzer, die aufeinander los gehen. Köln ist ganz nah. Beeindruckend, wie ein schwarzes Spannbetttuch einen Tänzer in eine Muslima verwandeln kann. Männer, die gegeneinander tanzen und miteinder, jeder für sich und alle zusammen, alle gegen einen und einer gegen alle.
Regisseur Çelik spielt mit den Stereotypen über die muslimische Männerwelt zwischen Salafismus, Isis und HipHop. Spielerisch kommt seine Inszenierung nicht rüber. Beeindruckend, bedrückend, aber nicht spielerisch.
Text: Horst Martens / Fotos: Frank Dieper, Stadt Herne