„Billige Preise“ und „Reelle Bedienung“

15. Februar 2022 | Ausgabe 2022/1

Die Wirtschaft vor 125 Jahren: Diese Unternehmen machten 1897 Geschäfte in Herne

Titelbild: Mit Innovation und Tradition: die „VULKAN Gruppe“.

Herne wird 125 Jahre alt und wirft deshalb einen Rückblick auf das abwechslungsreiche Leben in der Stadt. Dabei darf auch der Blick auf das unternehmerische Leben in dieser Zeit nicht fehlen. Bei unserer Recherche konnte Herne.Business leider keine Gewerbeliste des Jahres 1897 finden. Aufschlussreich war jedoch der „Wohnungsund Geschäfts-Anzeiger der Stadt Herne für 1897“, der digitalisiert in der Martin-Opitz-Bibliothek vorliegt.

Kolonialwarengeschäft
Das laut eigener Auskunft älteste gewerbliche Unternehmen in Herne, die Julius Meimberg GmbH, wurde 1871 als Kolonialwarengeschäft gegründet und bot „Salz, Petroleum fürs Licht, Stockfisch und Fleischwaren in der Dose aus Amerika“ an. Man kann an dieser Aufzählung schon ablesen, dass sich das Portfolio des Einzelhandels in dieser Zeit stark vom heutigen unterschied. Die Privathaushalte besaßen noch keine Kühlschränke und so mussten verderbliche Waren stets frisch gekauft werden. Das Butter-Spezialgeschäft Hollandia verkaufte neben allen Sorten Fettwaren auch Käse und Wurst sowie Eier – „stets zu billigsten Tagespreisen“. Vermeiden heutige Unternehmen das Adjektiv „billig“ in ihrer Werbung, so war es 1897 in fast jeder Anzeige zu finden. „Billige Preise“ und „Reelle Bedienung“ schienen überzeugende Argumente für einen Besuch der Geschäfte zu sein. Die Druckerei Kartenberg stellte sämtliche Drucksachen „auf das sauberste und billigste“ her und vertrieb zudem mit der im eigenen Verlag produzierten „Herner Zeitung“ „die einzige wirklich in Herne erscheinende und deshalb als das geeignetste Insertionsorgan zu empfehlende“ Blatt. Beleuchtungsgegenstände (Kronen, Doppelarme, Lyren) wurden genau wie Ofenbrandsteine, Pressziegel und Faconsteine direkt in der Stadt zu „mässigen Preisen“ produziert. Der „Kaiserlich Königliche Hof-Photograph Edmund Risse“ betrieb sein „Photographisches Kunst-Institut ersten Ranges“ zwar in Bochum, warb aber gleich mit zwei Anzeigen um die Gunst der Herner Bürgerschaft. Die Bäckerei mit Maschinenbetrieb empfahl „täglich frische Brödchen“, das „Deutsche Warenhaus von Heinrich Schüren“ als „Manufaktur- und Modewaren-Etablissement am hiesigen Platze“ „prima staubfreie gereinigte Bettfedern und Daunen“ und Heinrich Altenbernd neben Zigarren, Zigaretten und Tabaken auch Spazierstöcke, Galanteriewaren und Musikinstrumente.

Nicht anschreiben
Kreditkarten und Schecks waren noch nicht im Einsatz. Einige Geschäfte wiesen bereits in ihren Offerten darauf hin, dass sie nicht anschreiben, sondern „Nur gegen Baar!“ ihre Waren und Dienstleistungen anbieten würden. Ein wenig zum Schmunzeln ist die Anzeige der Gesindevermieterin Frau Graadt, die sich den geehrten Herrschaften von Herne und Umgebung empfiehlt, zu jeder Zeit „tüchtige Knechte und Mädchen“ zu besorgen. Eine frühe Form der privaten Arbeitsvermittlung in Herne.
Keines der im Geschäftsanzeiger genannten Unternehmen findet man heute noch im Gewerberegister der Stadt Herne. Die genau im Jahr 1897 gegründete „Herner Herdfabrik, Schaefer & Cie., Herne“ musste 1971 ihre Pforten schließen, obwohl sie über viele Jahrzehnte hinweg mit Innovationen im Bereich der Koch- und Heizgeräte aufwarten konnte. Ein Produkt der Herner Herdfabrik steht heute in den Räumen des Innovations- und Gründerzentrums Herne am Westring.

„VULKAN Gruppe“
Eins der größten und bekanntesten Herner Unternehmen, die „VULKAN Gruppe“, konnte zwar bereits 2014 auf eine 125-jährige Unternehmensgeschichte zurückschauen, wurde jedoch 1889 als „Maschinenfabrik Louis Schwarz“ in Dortmund gegründet. 1956 erwarb dann Bernhard Hackforth (Sohn von Bernhard Hackforth Sen., dem Gründer der Maschinenfabrik Hackforth & Co. (1926)) das Unternehmen Vulkan, das sich heute in der vierten Generation im alleinigen Besitz der Familie Hackforth befindet.
Im Jubiläumsjahr ist die Stadt Herne unternehmerisch vielfältig und innovativ aufgestellt. Laut dem aktuellen Standortranking von „Die Deutsche Wirtschaft“ beträgt der kumulierte Umsatz aller gelisteten Top-Unternehmen 1.389,9 Millionen Euro. Die Gesamtzahl der Beschäftigten dieser Unternehmen (weltweit) liegt bei über 7.000. Eine gute Basis für die erfolgreiche Weiterentwicklung der Wirtschaft auch in Zukunft.

Text: Michael Böhm/Herne.Business     Fotos: Stadtarchiv, Thomas Schmidt