Kulturelles Zentrum in der ehemaligen Grundschule Overwegstraße

Das O – Ort der Synergieeffekte

26. Februar 2016 | Gesellschaft Kultur Wirtschaft

Ungewöhnlicher Name

Das O – Ort der Kulturen“ – die neuen Nutzer haben sich für einen ungewöhnlichen Namen entschieden. Die zukünftigen Untermieter sitzen zusammen und beratschlagen zusammen mit dem städtischen Fachbereich Kultur, wie das zukünftige O-Logo aussehen soll. Zwei Designer stellen ihre „Pitches“ vor. Ein kreisrundes O mit zahlreichen Farbschichten bekommt den Zuschlag.

  • Weniger ist manchmal mehr - gesundes Kochen für wenig Geld wird im "O" von Profis gelehrt © Frank Dieper. Stadt Herne

Die Low-Budget-Küche

Revierbürger denken beim „O“ ans „Dortmunder U“, dem Zentrum für Kunst und Kreativität. Die Assoziation ist durchaus gewollt, aber der Buchstabe hat auch eine andere Bedeutung: O = Ort der Kulturen. Keiner steht dafür mehr als die gfi, die Gesellschaft für Integrationsarbeit, die hier Kulturen zusammen führen will – und zwar mit einer „Low-Budget-Küche“. Das „Low Budget“ bezieht sich nicht auf die Kücheneinrichtung, sondern auf die Form des Kochens: „Preiswert und gesund ist das Ziel“, sagt gfi-Geschäftsführer Michael Barszap, der den Begriff „Low-Budget-Küche“ erfunden hat. „Beim Kochen kommt man sich näher“, betont Barszap. Menschen aus unterschiedlichen Hintergründen sollen Kulinarisches unterschiedlicher Herkunft kochen.

Verpflichtung der Stadt

Wer löste die Initialzündung zur Gründung des „O“ aus? „Viele Kultureinrichtungen hatten Raumprobleme“, sagt Klaus-Dieter Gülck, stellvertretender Leiter des Fachbereichs Kultur. „Mit dem 'O' haben wir sie behoben.“ Auf einen Schlag. Mit vielen Institutionen arbeitet der Fachbereich Kultur eng zusammen. „Und deshalb haben wir die Verpflichtung, sie anständig unterzubringen.“ Dabei entstand auch die Idee der engeren Zusammenarbeit: Kultur, Interkulturelles, Integration, Synergieeffekte. Der neue Standort soll die Jugendkultur und die kulturelle Bildung in ganz Herne bereichern. Die bauliche Vorarbeit leistete Gebäudemanagement Herne mit Arbeiten für Brandschutz, Sanitäranlagen und zur Barrierefreiheit und einen zweiten Rettungsweg in Form eines Bypasses mit der anliegenden städtischen Musikschule. Ein Anstrich der Flure steht noch aus.

  • Proberäume, Workshops und professionelles Coaching sollen dem Theaternachwuchs auf die Bretter helfen © Frank Dieper, Stadt Herne

Domizil des theaters kohlenpott

Gut 80 junge Leute bevölkern die kohlenpott-Etage. Eine neue Ausgabe des Jugendkulturprojekts „pottfiction“ unter der Leitung des theaters kohlenpott ist gerade gestartet. Ein schwarzer Proberaum mit Sitzmöbeln aus Second-Hand verbreitet jugendlichen Charme. Der Umzug aus der etwas abseits gelegenen Dannekampschule ist gelungen. Demnächst werden hier die Proben für alle neuen Produktionen stattfinden – angefangen beim Theaterclub „Ab auf die Bühne“ (12+). Spielort bleiben die Flottmann-Hallen, dem eigentlichen Herz des Theaters. Aber Räume für Proben, Requisiten und Workshops sind dort nicht vorhanden.

Der schwarze Tanzboden stammt aus den Flottmann-Hallen, ebenso die alten Stühle. „So komfortabel hatten wir es noch nie“, sagt Gabriele Kloke, Frontfrau des Theaters. „Aber wir haben es uns auch hart erarbeitet und echt gut hingekriegt.“

In der gfi-Küche steht Kohlenpott-Chef und Regisseur Frank Höhner und schnibbelt mit einigen Jugendlichen Gemüse für das Mittagessen. Auch das ist Theaterarbeit. Und zugleich ist es ein Beispiel für gelungene Synergie – wenn die einen die Einrichtung der anderen benutzen dürfen. www.theater-kohlenpott.de

  • Eine Zuflucht für Arcade-Nerds: Das insert-coin! © Frabk Dieper, Stadt Herne

Insert Coins

Über der Tür hängt das Schild „Insert Coins“. Eine aus dem Spielhallengeschäft bekannte Forderung: Münzen einwerfen! Doch Pierre Cournoyer, Leiter des Vereins „Insert Coins e.V.“, lässt uns auch herein, ohne dass wir Münzen abdrücken. Und dann blinkt und fiept und daddelt es unentwegt. Die Lichtimpressionen und fiepsigen Laute stammen von einer stattlichen Flotte an Spielhallen-Automaten, die entlang der Wand aufgestellt sind. Hier kann man in eine 80-er-Jahre-Spielewelt eintauchen: „NBA-Jam“, ein Basketballspiel, „Aliens 3 – the Gun“, ein Weltraumspektakel, „Daytona USA“, ein Autorennen, ausgestattet mit Lenkrad und Gaspedal, der Weltraumshooter „Defender“. Die Reihe wird fortgesetzt von einer Reihe bulliger Monitore mit angeschlossenen Spielekonsolen: Nidhogg, Virtual Striker 3, Mario Kart Double Dash, Donkey Kong. Eine gemütliche Sofaecke ist um einen großformatigen Fernseher gruppiert. Mitten im Raum stehen noch zwei „Cocktail-Tische“, in die Computerspiele integriert sind.

Retro-Stube

Alles begann in den Gedankenspielen der spielversessenen Roomservice-Leuten in den Flottmann-Hallen rund um Pierre Cournoyer. Sie richteten die Computerspielveranstaltung „8.bit.ism“ in den Flottmann-Hallen aus – der Name bezeichnet das Pixelformat der 80-er. Die ausgeprägte Daddelleidenschaft reichte für mehr – nämlich für die Gründung eines Vereins für Retrogames-Begeisterte namens „Insert Coins“, die sich hier im „O“ ihre Retro-Stube einrichtete. Cournoyer: „Es existiert eine große Szene. Wir holen vergangene Kindheitserinnerungen zurück.“

Die ersten Videospiele der Geschichte liefen auf den sogenannten Arcade-Automaten, die an den Wänden aufgestellt sind: „Ich habe im Holland-Urlaub meine Gulden verbrannt“, bekennt der 29-jährige Cournoyer. Sein Credo lautet: „Offline ist das neue Online.“ Damit will er die Computerspieler aus ihren einsamen Ecken holen und mit ihnen „das Zusammenkommen zelebrieren“.

Privater Sammler

Alles dies wäre nicht möglich ohne Ingo Behlau, der die Sammlung organisiert hat und in seiner Wohnung noch viel mehr dieser nostalgischen blitzenden Exemplare stehen hat. „Für 500 Euro bekommt man einen guten Automaten“, sagt er. Der 46-Jährige sagt: „Ich habe die Arcade-Zeit live miterlebt, war in jedem Kaufhaus, in jeder Pommesbude.“ Der IT-Supporter ist so in Spieleautomaten vernarrt, dass er immer schon mehr wollte : „Ich habe selbst damit geliebäugelt, einen Verein zu gründen.“ Dieser Wunsch hat sich jetzt erfüllt. Und er hat selbst dazu beigetragen.

Eröffnung: Samstag, 27. Februar, 15:00 Uhr. Eintritt frei! www.insert-coins.wtf

Kreativwirtschafter

Einzug halten wird im „O“ auch die Kreativwirtschaft in den Personen von Chris Wawrzyniak und Sebastian Maier. Chris Wawrzyniak organisiert via „RoomService“ und „Der Goldene Raum“ Jugendevents für die Flottmann-Hallen und andere Kulturveranstaltert. Bei „WortLautRuhr“ managed er mit dem Künstler Sebastian 23 Poetry-Slam-Veranstaltungen. Sebastian Maier hingegen ist Eigner des Plattenlabels „Z-Muzic“. Er produziert unter anderem die Elektro-Pop-Band „Susanne Blech“. Außerdem schreibt und produziert Maier Musiken für verschiedene Theaterprojekte und ist seit Jahren musikalischer Leiter für Urbanatix.

  • Das "O" Bietet auch den etwas kleineren Künstlern Platz zur Entfaltung © Frank Dieper, Stadt Herne

Jugendkunschule und Musikschule

In einem großen lichtdurchfluteten Raum stehen fünf Maltische. Mädchen im Grundschulalter haben es sich auf ihren Hockern bequem gemacht. Die einen haben die Malstifte fein ordentlich neben sich hingelegt, die anderen gehen an die Werkbank, nehmen sich ein Schälchen und rühren sich eine Farbe zusammen. Betreut werden sie von der Dozentin Margarete Cramer der Jugendkunstschule (JKS). An die Wand gelehnt steht ein überdimensionales Ölgemälde. „Seit vielen Jahren haben wir ein Atelier in der Musikschule“, sagt Barbara Boresch, Leiterin der Jugendkunstschule – neben diversen anderen Standorten wie dem Kunsthaus Crange oder an der Hauptstraße. Die Musikschule meldete Eigenbedarf an, worauf die JKS nur ein paar Schritte weiter ein eigenes Atelier anmietete – das „O“ schließt an den Bau mit der Musikschule an, ist mit dieser sogar mit dem 2. Rettungsweg verbunden.

Die städtische Musikschule mietet im „O“ ebenfalls zwei Räume. Umgekehrt nutzen die O-Kulturschaffenden die Aula der Musikschule, die eigentlich zur ehemaligen Grundschule gehörte. „Wir haben wir vorzügliche Möglichkeiten“, sagt Borosch, „auch in der Zusammenarbeit mit den anderen Einrichtungen“. Wieder wird es synergetisch – demnächst startet ein gemeinsames Projekt für Flüchtlingskinder.

Eine große Sache“

Kinder in allen Altersklassen kommen, um sich im bildnerischen Bereich auszutoben. „Es sind Kinder, die starke künstlerische Ambitionen haben“, sagt Margarete Kramer. „Weil ich aktiv werden will“, sagt Kübra, eines der anwesenden Mädchen. „Außerdem will ich nicht die ganze Zeit zu Hause sein“. Eigentlich gefiel der alte Raum besser, sagen die Mädchen. „Noch fehlt die Patina“, stimmt die Dozentin zu. „Aber die kommt noch.“ Wichtig sei, dass man hier auch handwerklich arbeiten, also auch Krach machen könne“. Das „O“ ist „eine große Sache. Ist aber ein allmählicher Prozess.“

Text: Horst Martens / Fotos: Frank Dieper