Rezension: Bernhard Achners "Totenrausch" - Autor liest auch in Herne

Das rasante Ende der Mordserie

8. Januar 2017 | Gesellschaft Kultur

Alleinerziehende Mörderin

Wir erinnern uns: Brünhilde Blum, Aichners Trilogie-Protagonistin, ist keine dieser Kommissarinnen, die entweder besonders feminin oder gewollt dominant, extrem ironisch oder unendlich geduldig sind. Eigentlich ist sie nur eine besonders taffe Frau, alleinerziehend wie Millionen andere. Aber dann fängt es an, speziell zu werden: Der Grund, warum sie ihren Nachwuchs ohne Partner großziehen muss, ist eng mit dem Verbrechen verbunden. Nachzulesen im ersten Band „Totenfrau", der dieser Trilogie den Namen gab. Dort, wo alles begann, ist Blum dem gewaltsamen Tod ihres Mannes auf der Spur.

Nur elf Tage nach Erscheinen von "Totenrausch" bei btb kommt Autor Bernhard Aichner und liest aus dem Buch: Freitag, 20. Januar, 19.30 Uhr, Eintritt: 20 Euro. Literaturhaus Herne Ruhr e.V., Bebelstraße 18, 44623 Herne. www.literaturhaus-herne-ruhr.de.

Beruflich mit dem Sterben konfrontiert

Die Frau hat einen Beruf, der herrlich zum kriminellen Milieu passt, obwohl Diskretion und Würde die höchsten Werte ihrer Zunft sind. Sie ist Bestatterin und damit - auch ohne kriminelle Einwirkung - beruflich täglich mit dem Sterben konfrontiert. Und wenn es um Leben oder Tod geht, kann ganz sanft oder brutal ein wenig nachgeholfen werden, um unbeliebte Menschen in den engen Holzkasten und damit ins Jenseits zu befördern. Autor Bernhard Aichner beschreibt das Handwerk der Brünhilde Blum nicht ohne Hintergrundkenntnisse, denn schließlich hat er, bevor er damit begann, ein Praktikum bei einer Bestatterin absolviert. Schon Blums Vorgänger war dem Bestattungswesen verbunden: Max Broll, der Held, auf den Aichner vorher setzte, war Totengräber. In der Sterbebranche greift Blum ein paar Etappen vorher ein.

Beförderung im Sarkophag

Passenderweise befördert die Protagonistin auch ihre beiden kleinen Mädchen, die sie vorsorglich betäubt hat, und sich selbst in den schmalen Sarkophag. Mit dieser ungewöhnlichen klaustrophobischen Fahrt beginnt dann auch der dritte Roman. Dieses tut Blum, um unerkannt zu bleiben. Sie will einen Neuanfang, und das am besten mit neuen Namen für sich und ihre Mädchen. Die dafür notwendigen Pässe kann ihr die Kiezgröße in St. Pauli besorgen. Als Gegenleistung schlägt sie selbst vor: „Ich kann jemand für dich töten." Der Lude nimmt das Angebot großzügig an, versorgt die zukünftige Killerin und deren beiden Gören mit einem schönen Haus im Villenviertel. Aber dann ist Schluss mit Großmut. Und Zeit, um die Schulden zu begleichen. Aus dem einem Auftragsmord werden mehrere, und es liegt in der Natur der Sache, dass sie nicht wie geplant ablaufen. Um für genügend Nachdruck zu sorgen, entführt der Lude die beiden Kinder.

Eine Bilderbuchkarriere

Bernhard Aichner, der seine Kindheit in Osttirol verbrachte, aber schon als 17-Jähriger nach Innsbruck kam, wo er bis heute lebt, begann nach einem Germanistikstudium früh mit dem Schreiben und widmete sich mit der gleichen Vehemenz einer benachbarten Kunst, der Fotografie. Da ihm die geringe Resonanz auf seine literarische Produktion an Hörspielen, Theaterstücken und Romanen nicht genügte, entschloss er sich, einen Bestseller zu schreiben und ging generalstabsmäßig ans Werk. Und er hatte Erfolg. Seine "Totenfrau" rangierte in den Bestsellerlisten in Österreich und Deutschland ganz oben. Der Roman erschien auch in USA und England und in 14 anderen Ländern. In Vorbereitung ist eine mehrteilige internationale Fernsehserie.

Die Entwicklung der Story

Im ersten Teil des Buches wird sich das Interesse des Lesers darauf richten, wie Brünhilde Blum die Gegenleistung abliefert, wie sie mörderisch den erpresserischen Auftrag des Hamburger Luden erledigt. Gelingt ihr diese zunächst auf ein Opfer beschränkte, dann aber mehrteilige Aufgabe? Kann sie vielleicht sogar durch Tricks und allerlei Schliche den Luden aufs Glatteis führen? Die Spannung, die ganz allmählich aufgebaut wird, entlädt sich im zweiten Teil, als Blüm, begünstigt durch eine unerwartete Wendung, stark genug erscheint, um den Spieß umzudrehen. Und dann wird’s noch brutaler.

Superkurze Sätze in 61 Kapitel

Dann macht sie Sinn, die stakkatoartige Aneinanderreihung der superrkurzen Sätze, durch die sich Aichner schon in Band eins und zwei auszeichnete. Dadurch und unterstützt durch extrem kurze Kapitel (es sind 61 auf knapp 470 Seiten) gewinnt die Handlung an Rasanz - auf Kosten einer psychologischen Feinzeichnung. Sein Gesicht. Seine Augen in dieser Kneipe. Und was dahinter ist. Blum sieht es immer noch vor sich. Kein Spiel ist es, keine Übung. Schiele schießt mit scharfer Munition. Und er trifft.

Horst Martens