Der Kanal ist international

29. Juli 2020 | Ausgabe 2021/3

„Der Rhein-Herne-Kanal ist in erster Linie ein technisches Gewässer“, weiß Richard Köhler.

Im Rhein-Herne-Kanal leben Tiere aus aller Welt

Stadt am Wasser, so kann sich Herne nennen – wegen der Emscher und seit 107 Jahren auch wegen des Rhein-Herne-Kanals. Inzwischen ist der Kanal nicht nur eine Wasserstraße, sondern auch ein Biotop und ein Ort, um sich zu erholen.

Gebaut für die Steinkohle
Rund 7,5 Kilometer lang ist der Kanal auf Herner Gebiet; Kilometer, auf denensich Industrie, Natur, Hafen und Kultur abwechseln. „Der Rhein-Herne-Kanal ist in erster Linie ein technisches Gewässer“, weiß Richard Köhler von der Biologischen Station Östliches Ruhrgebiet. Es verbindet den Rhein mit dem Dortmund-Ems-Kanal und war als Transportweg für die Steinkohle aus dem Ruhrgebiet geplant. Seit er im Jahr 1914 eröffnet wurde, haben sich allerdings auch viele Tierarten angesiedelt. „Der Kanal ist international“, erklärt Köhler. „Neue Arten sind kein großes Problem. Der Kanal ist neutraler Grund, es gibt keine angestammte Fauna, die verdrängt werden kann.“ Dort lebt eine Mischung aus Tieren, die sich angesiedelt haben oder durch Schiffe eingeschleppt wurden und Besatzfischen, die von Anglern eingesetzt worden sind.

Neuankömmlinge aus China und Amerika
Ein Neuankömmling ist der Kamberkrebs, der aus Nordamerika stammt. Die chinesische Wollhandkrabbe verbringt nur einen Teil ihres Lebens im Kanal. Zur Fortpflanzung wandert sie zurück ins Salzwasser. Die 45,5 Kilometer des Rhein-Herne-Kanals legt sie zurück, passiert dabei mehrere Schleusen und unterquert allein auf Herner Gebiet 20 Brücken. Im Sand an der Kanalsohle, in rund vier bis fünf Metern Tiefe, haben sich Wasserpflanzen wie Wiesen angesiedelt. „Das ist durchaus ganz hübsch“, findet Köhler. Von den Fischen im Kanal sieht man meist wenig, denn sie hören es, wenn ein Mensch kommt und verstecken sich. Genau hinschauen muss auch, wer die vielen Arten von Köcherfliegen, Mücken und winzigen Fischnährtieren sehen will, von denen viele nicht einmal einen deutschen Namen haben, sondern nur eine lateinische Bezeichnung.

Muscheln und Krebse wohnen im Kanal
„Überall, wo Strukturen besiedelbar sind, hat der Kanal eine entsprechende Fauna“, erläutert Köhler. Das bedeutet, an glatten Stahlwänden gibt es kaum Lebewesen, aber im Sand an der Sohle des Kanals leben zum Beispiel Muscheln. Dazu gehören kleine Erbsenmuscheln, handgroße Flussmuscheln und Körbchenmuscheln mit geriffelter Schale. Meist findet man nur ihre leeren Schalen am Ufer, denn lebende Muscheln graben sich vorwiegend im Sand ein. Deutlich besser zu sehen sind die Insekten, die am Wasser leben. Am auffallendsten sind die Libellen. Sie tragen Namen wie Gewöhnliche Flussjungfer oder Pokaljungfer. Ihre Larven leben im Wasser des Kanals, bis sie aus dem Wasser kommen und schlüpfen. Vor Stechmücken muss man sich aber kaum fürchten, denn Libellen und Fische fressen die Mückenlarven auf.

Viel Gewimmel zwischen den Steinen
„Wenn Sie einen Stein umdrehen, sehen Sie jede Menge Gewimmel. Aber seien Sie vorsichtig, denn weitere Steine können ins Rutschen geraten“, warnt Köhler. Im Gewimmel sind unter anderem Flohkrebse zuhause, formlose, krustige Süßwasserschwämme, die anders als Badeschwämme hart und nadelig sind. Festsitzende filtrierende Röhrenkrebse aus dem Schwarzen Meer wohnen ebenfalls dort.
„Mensch und Natur kommen hier gut miteinander aus“, resümiert Richard Köhler. Damit das so bleibt, sollte man den Kanal sauber halten und nur vorsichtig ins Wasser gehen, um den Boden nicht zu sehr aufzuwirbeln. Das Schwimmen im Kanal ist übrigens nicht erlaubt, es wird lediglich geduldet, sofern man sich mindestens 100 Meter von Bauwerken wie Häfen, Brücken und Schleusen fernhält.

„Mensch und Natur kommen hier gut miteinander aus.“

Text: Nina-Maria Haupt     Foto: Frank Dieper