Der Schein trügt

20. Juni 2023 | Ausgabe 2023/2

Oskar Schlechter fotografiert Lichtsmog

Der Herner Fotograf Oskar Schlechter hat sich im Rahmen seiner Bachelorarbeit „DARKLESS“ mit dem Thema Lichtverschmutzung auseinandergesetzt. Dabei zeigt er, wie die Überflutung der Nacht mit künstlichem Licht uns und unsere Umwelt beeinflusst. Schlechter hat sich in seiner Arbeit auf Landschaften und Portraits fokussiert. Seine Fotografien zeigen eindrucksvoll, wie künstliche Helligkeit die Schönheit der Natur beeinträchtigt, Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen haben kann und das Leben von Pflanzen und Insekten beeinflusst.

Zunächst hat sich Schlechter auf die Suche nach Orten gemacht, an denen die Nacht noch dunkel ist und das natürliche Licht der Sterne und des Mondes sichtbar ist. „Angefangen hat mein Projekt eigentlich schon als Teenager, als ich mit meiner Familie damals vom Klettern aus Südfrankreichs Verdonschlucht zurück in das Ruhrgebiet gekommen bin und mir der krasse Unterschied durch das viele künstliche Licht im Ruhrgebiet aufgefallen ist“, erzählt der 29 -Jährige, der mit 16 Jahren zu fotografieren begann.

Im Laufe seines Fotografie-Studiums an der Fachhochschule Dortmund hat er diese Eindrücke wiederaufgenommen und seine Abschlussarbeit zu diesem Thema begonnen. In seinen Bildern dokumentiert er die Schönheit des nächtlichen südeuropäischen Himmels – mit Langzeitbelichtungen des Firmaments, Einblicke in unsere Milchstraße und zarten Lichtquellen, die sich noch von der natürlichen Dunkelheit abheben und fotografisch gebannt werden können.

Schaufensterauslage im Leipziger Westen.

Oskar Schlechter

Von einer Telefonzelle beleuchteter Baum in Fulda.

„Für mich als Fotograf haben diese künstlichen Lichtquellen natürlich auch ihren ästhetischen Reiz…“

Ambivalenz der Ästhetik

Das Pendant zu diesen Bildern sind seine Arbeiten zu künstlich illuminierten Industrie- und Geschäftsbauten, Parks und Freizeiteinrichtungen, die er im Ruhrgebiet, Leipzig und den Niederlanden besucht hat. „Für mich als Fotograf haben diese künstlichen Lichtquellen natürlich auch ihren ästhetischen Reiz, besonders im Zusammenhang mit meinen nächtlichen, durchaus meditativen Exkursionen. Die Ästhetik der Lichtverschmutzung ist ambivalent. Einerseits kann sie eine faszinierende Atmosphäre schaffen und die Architektur von Städten und Gebäuden hervorheben. Andererseits beeinträchtigt sie die Sichtbarkeit von Sternen und Planeten und stört den natürlichen Rhythmus von Tieren und Pflanzen“, so Schlechter.

Sicherheit und Gesundheit

Für seine Arbeit hat der Student auch Interviews mit Experten geführt. Darunter unter anderem mit der Architektin und Kriminologin Dunja Storp. Sie bestätigt, wie die Lichtverschmutzung die Sicherheit in Städten beeinträchtigt. Durch die Überflutung der Nacht mit künstlichem Licht werden auch starke Schattenbereiche und dunkle Ecken geschaffen. Das macht beispielsweise einen illuminierten U-Bahn-Eingang, ein paar Meter weiter im Schatten, nicht unbedingt sicherer, da sich die Augen nicht so schnell an die starken Kontraste gewöhnen können.

Die Auswirkungen des Lichtsmogs auf die Gesundheit des Menschen ist zurzeit stark in der Diskussion und wird erforscht. Allerdings gebe es bereits Hinweise für vermehrte Fälle von Depression, Brustkrebs, Adipositas, allgemeine Schlaflosigkeit und damit einhergehende Erschöpfungszustände. Für Flora und Fauna wiederum führen die hellen Nächte zu Störungen der Orientierung, des Fortpflanzungsverhaltens, Verschiebungen des Beuteverhaltens und Änderungen des Vegetationswechsels.

Illuminierter Gasspeicher am Dortmunder Hafen

Sternenhimmel über dem Fuldaer Dom.

LED-Beleuchtung auf Hamburgs Reeperbahn.

Aufnahme des nächtlichen Sternenhimmels in Südfrankreich.

Lichtblick

Die international agierende Dark-Sky-Association ist eine Vereinigung von Astronomen, deren Ziel die Reduktion von Lichtverschmutzung durch Verwendung von Beleuchtung mit weniger Abstrahlung himmelwärts ist. Das bedeutet dunklerer Himmel. Als erste „Sternenstadt“ in Deutschland hat sich die Stadt Fulda in Hessen hervorgetan. Ziel ist es, die Beleuchtung zu optimieren. Das bedeutet, dass die nächtliche Beleuchtung von allen Akteuren möglichst blendfrei und rücksichtsvoll gestaltet wird. Fulda hat eine selbstverpflichtende Richtlinie zum nachhaltigen Umgang mit funktionalem und gestalterischem Licht verabschiedet, die dazu beitragen soll, das Erscheinungsbild der Stadt vor Verunstaltung und Überinszenierung durch falsch eingesetztes Licht zu schützen. Durch diese nachhaltigen Aktivitäten der Kommune, hat diese die Auszeichnung als „Sky- Community“ 2019 erhalten.

Sensibilisierung

Die Bachelor-Abschlussarbeit von Oskar Schlechter ist ein Beitrag zur Diskussion um die Lichtverschmutzung und ihre Auswirkungen auf unsere Umwelt und Gesundheit. „Meine Arbeit soll eine Anregung sein, in den jeweiligen Situationen darüber nachzudenken: Braucht man das Licht wirklich?“ Sie zeigt auf, wie wichtig es ist, die Nacht zu schützen und die Dunkelheit als wertvolles Gut zu erhalten.

Die Arbeit ist als 160-seitiges Fotobuch konzipiert. In seinem Buch, das in diesem Jahr noch in den Druck gehen soll, porträtierte Oskar Schlechter auch Menschen, die sich in ihrem Alltag oder beruflich mit der übermäßigen nächtlichen Beleuchtung auseinandersetzen, darunter ein Lichtforscher, eine Biologin und eine Kriminologin. Interviews und Statements zur Thematik runden die Arbeit ab.

„Meine Arbeit soll eine Anregung sein, in den jeweiligen Situationen darüber nachzudenken: Braucht man das Licht wirklich?“

Treppe am Leipziger Tierpark.

Text: Thomas Schmidt    Fotos: Oskar Schlechter    Portraitfoto: Thomas Schmidt