Die Aula in Crange – eine Bühne für den Stadtteil
An der Realschule Crange gibt es eine Aula, die mit sehr viel Aufwand und Technik in eine modern aufgestellte Stadtteilbühne umgestaltet wurde. Was genau das heißt und was dort passiert erfährt inszene im Gespräch mit den Verantwortlichen.
Am 15. und 16. Juni feierte hier das erste Herner Schultheaterfestival Premiere, bei dem vier Schulen und rund 130 junge Akteure sich gegenseitig ihre Produktionen präsentierten. Die Idee: In Zukunft stellen noch mehr Schulen ihre Stücke hier vor, statt sie nur im eigenen Haus zu zeigen. Hier – das ist die Aula an der Semlerstraße in Crange, die durch einen kostenintensiven Umbau unter der Regie des städtischen Gebäudemanagements zu einer modern aufgestellten Stadtteilbühne umgestaltet wurde. Mehr als eine Million Euro – davon 200.000 Euro aus der Stadtkasse – wurden in das Projekt investiert.
Gespräche mit Ariane Schön, Kulturagentin an der Realschule Crange, und mit Marc Bethke, Lehrer und Kulturbeauftragfter, verschaffen mir einen Überblick. Das ausgesprochene Ziel der Aula ist es, eine Jugendkulturbühne für den Stadtteil zu schaffen, die nicht nur der Schulgemeinde zur Verfügung steht. Daher besteht unter anderem eine Zusammenarbeit mit dem Theater Kohlenpott, das bereits eine Theater AG an der Schule leitet, der Jugendkunstschule Wanne und dem Pottporus-Verein. Der Deal war quasi, so Ariane Schön: "Wir investieren in diese Bühne, und dafür dürfen andere sie mitbenutzen ... Mit der Sanierung war's dann auch sinnvoll, über den Inhalt nachzudenken." Man wollte dem neuen Spielort ein Profil geben. Heraus kam die Aula – die Junge Urbane Bühne.
"Die Schüler sind Rampensäue – sie wissen es nur nicht"
Am 15. Dezember 2013 fand die Einweihung der Aula statt – mit bester Technik ausgestattet wird sie seitdem bespielt. "Die technische Betreuung ist aber noch ein Problempunkt", sagt Ariane. Denn die wird von der hauseigenen Technik AG übernommen. Viel zu tun für die Schüler: "Es ist totale Glückssache, dass das bisher geklappt hat!" Ohnehin sei es schwierig, den Betrieb der Aula zu koordinieren. "Für einen einzigen Tanzschritt muss man viel kommunizieren. Das ist immer ein bisschen kompliziert, weil es viele Absprachen gibt", sagt Marc Bethke. Aber auch er steht hinter dem Projekt und weiß, dass sich der Aufwand lohnt. Spätestens, wenn seine Schüler in der Aula auf der Bühne stehen und er sieht, wie selbstbewusst sie auftreten: "Das sind die totalen Rampensäue. Die wissen es vorher nur nicht!" Er arbeitet daran, die schulinternen Projekte nach außen zu präsentieren, "damit die Umwelt ein bisschen mehr mitbekommt und man sich gegenseitig öffnet." Er hofft, dass in Zukunft die Nachbarn genau so interessiert an den Schulpräsentationen teilnehmen wie bisher nur die Eltern. Und Ariane merkt noch an: "Mein Wunsch wäre es, dass es sich als Jugendkultur-Schwerpunkt in Herne etabliert."
Der Aula ein Gesicht geben
Und damit das auch Realität wird, arbeitet Kama Frankl von Pottporus nun mit einigen Jugendlichen zusammen. Die Leiterin des Jungen Pottporus hat Anfang März Jugendliche für das neue Junge Ensemble der Aula gecastet. Drei der insgesamt acht Tänzer kommen aus Herne, der Rest aus der Region – manche sogar aus Köln oder Münster. "Eine große Spannweite", sagt Kama und spricht davon, wie wichtig es sei, Netzwerke zu bilden und wie gut es wäre, "ein Gesicht für die Aula" zu haben, eine repräsentative Gruppe, mit der man den Spielort und sein Programm identifizieren könne.
Erst mal geht es darum, Sachen zu etablieren
Doch dass das noch ein wenig dauern wird, ist ihr auch klar: "Erstmal geht es darum, Sachen zu etablieren. Aber manche Dinge haben schon einen Rhythmus bekommen", sagt sie. Zum Beispiel das Freestyle Kids Battle – ein Tanzwettbewerb, der dieses Jahr bereits zum zweiten Mal vom Jungen Pottporus in der Aula an der Semlerstraße veranstaltet wurde. Mit dem Schultheaterfestival gibt es nun noch einen weiteren Programmpunkt im Spielplan der Aula.
Schüler früh an Kulturbetrieb gewöhnen
Doch was unterscheidet die Aula von anderen Spielorten mit einem ähnlichen Konzept? Kama meint, durch die direkte Verbindung zu Jugendlichen und Schülern kann man "Kultur nah und erfahrbar machen": "Dann ist der Weg zum Theater nicht so weit", sagt sie und glaubt, dass sich große Chancen bieten. Zum Beispiel durch Patenschaften zwischen Künstlern und Schülern, die dafür sorgen, "dass das keine verborgene Insel bleibt", sondern die Schüler schon früh an den Kulturbetrieb gewöhnt werden. Ergänzend zur Arbeit der Kulturagentin quasi.
"Mir ist es sehr wichtig, dass die Jugendlichen über sich herauswachsen aber auch viel von ihnen im Stück steckt", sagt Kama und spricht über die zukünftige Stückentwicklung mit ihrem Ensemble. Kama recherchiert gemeinsam mit ihnen und lässt sich von ihnen inspirieren.
Es braucht Orte für Begegnungen
"Wir fördern die urbane Szene, indem sie eine Bühne bekommt", sagt sie. Was zunächst vielleicht paradox klingt – denn das Urbane findet doch draußen statt - im öffentlichen Raum, in der Jugendkultur. Es geht aber darum, Bewegungen in der Jugendkultur mit verschiedenen Kunstformen in Bezug zueinander zu bringen. Kama nennt als Beispiel jemanden, der mit einem BMX zu Livemusik auf der Bühne eine Peformance macht. Das kann spannend sein. "Aber vielleicht würden die sich gar nicht treffen, wenn wir ihnen keinen Raum dafür geben würden", erklärt sie. Und darum geht es letztlich: Dinge in den Kontext zu setzen. Nur: "Es braucht Orte für sowas." Orte, an denen man nicht nur Teil des Programms ist, sondern "das Urbane seinen eigenen Platz bekommt", so Kama. Dann sei es auch möglich, anders mit der Bühne umzugehen und Stücke eigens für diesen Raum zu konzipieren. Was das Junge Ensemble nun auch macht.
Nur der Hausmeister kennt alle Termine
Kama betont die große Leistung der Realschule und das Engagement des Schulleiters Herrn Jorczik, der maßgeblich an der bisherigen Entwicklung beteiligt war. Aber es gibt noch viel zu tun. "Bislang sind alle Termine zum Beispiel nur im Kalender beim Hausmeister eingetragen", erklärt sie schmunzelnd. Die Veranstaltungen bewerben sich bisher alle selbst – es gibt keinen gemeinsamen Spielplan, in dem alle Veranstaltungen zu finden sind. Noch nicht. Doch Kama arbeitet mit an einem Leitfaden für die weitere Zusammenarbeit der Kooperationspartner der Aula.
Dass sich der ganze Aufwand lohnt, daran hat Kama bestimmt keinen Zweifel. Im Gespräch erfahre ich nebenbei auch noch, dass die drei Jungs der früheren Tanz-Formation International Brothers (inherne hat im Juli 2011 berichtet) mittlerweile alle auf dem Weg zu professionellen Tänzern sind. Simon Wolant (24) zum Beispiel , der früher Schüler der Realschule Crange war, studiert heute Tanz an der Folkwang Universität der Künste in Essen.
Text: Sascha Dominic Rutzen
Fotos: Realschule Crange