Die Geschichte zählt

21. Juni 2023 | Ausgabe 2023/2

Projekt des LWL-Museums rückt Migration in den Fokus

Das LWL-Museum für Archäologie und Kultur plant seine Dauerausstellung, um das Thema Migration zu erweitern. Ziel ist es, Erfahrungen, Erlebnisse und Gefühle von Menschen mit Migrationshintergrund zu erfassen und darzustellen. „Your Story Matters“ heißt das Projekt, in dem digitale Räume gestaltet und präsentiert werden.

„Unsere Perspektive als Archäolog*innen und Historiker*innen ist, dass Migration Bestandteil von Menschheitsgeschichte ist“, erklärt Dr. Doreen Mölders, Museumsleiterin. Jetzt soll dieses aktuelle Thema auch in die Dauerausstellung einziehen. Was genau dort gezeigt wird, überlässt das Museum den Menschen selbst: „Wir haben keine Expertise darin, die gegenwärtigen Erfahrungen von Menschen, die Migrationshintergrund haben, zu erzählen. Das können nur die Menschen selber“, so Mölders.

Chiara Oppedisanos Raum auf dem Tablet.

Dr. Doreen Mölders mit Chiara Oppedisano im LWL-Museum.

Anwendung konzipiert

Und genau das machen sie in Form von Augmented Reality. Für das Projekt wurde eine webbasierte Anwendung entwickelt, die es Interessierten ermöglicht Texte, Fotos und Videos in einem Raum zu präsentieren. Hier können sie ihre Geschichte erzählen. „Wir wollten eine soziale Plattform entwickeln, die dauerhaft bespielt werden kann. Über ein Tablet wird das in der Dauerausstellung sichtbar sein“, berichtet die Museumsleiterin. Die Anwendung dafür wurde auch partizipativ entwickelt – zwölf Personen mit Migrationshintergrund haben sich in einen co-kreativen Prozess eingebracht. Gefördert wird „Your Story Matters“ von der Kulturstiftung des Bundes.

Ein Video des italienischen Klassikers „L’italiano“ von Toto Cutugno, Fotos von Balsamico-Essig, Nudeln, italienischen Kaffeebohnen, einem Kaktus & Co. – das alles und noch mehr findet sich in dem Raum von Chiara Oppedisano. Die 25-Jährige hat sich an dem Projekt beteiligt. Ich weiß, wie hart Integrationsarbeit sein kann. Ich war begeistert von dem Projekt, weil es so schön ist, welche Ansätze die Menschen gewählt haben“, erklärt die Studentin, die in zweiter Generation in Herne lebt.

„Mein Hauptbezug zu Italien ist in der Küche. Ich brauche meinen Lavazza-Kaffee, Aceto, auch die italienische Brühe. Das sind so Kleinigkeiten, an die ich so gewöhnt bin. Aber das erinnert mich an zuhause und lässt es mir warm ums Herz werden, wenn ich koche“, erklärt Chiara Oppedisano, die neben Küchenutensilien auch ein Foto ihres italienischen Personalausweises zeigt: „Für mich ist die Staatsbürgerschaft eine wichtige Angelegenheit. Ich hatte, bis ich 18 war, nur die italienische.“ Zu jedem Bild hat sie einen erklärenden Text verfasst.

„Mein Hauptbezug zu Italien ist in der Küche. Ich brauche meinen Lavazza-Kaffee, Aceto, auch die italienische Brühe. Das sind so Kleinigkeiten, an die ich so gewöhnt bin. Aber das erinnert mich an zuhause und lässt es mir warm ums Herz werden, wenn ich koche“

Teilnehmende gesucht

Das Schöne an der Entwicklung ihres Raumes sei die große Freiheit gewesen: keine Vorschriften, keine strengen Grenzen. Es darf gezeigt werden, was gezeigt werden will. Wenn der virtuelle Raum fertig ist, wird er abgeschickt. Dann übernimmt das LWLMuseum. „Das Museum hat die Funktion der Moderation, aber keine Redaktion. Wir greifen nicht ein. Wir stellen den Raum online oder lehnen ihn ab“, so Mölders. Abgelehnt werden aber nur Räume mit sexistischen, rassistischen oder antisemitischen Inhalten. Mittlerweile sind bereits einige Räume online, aber Mölders und das Projektteam würden sich über weitere Teilnehmende freuen: „Wir erhoffen uns, dass die Leute sich trauen und spielen. Das ist kreativ und spielerisch – man kann nichts falsch machen.“ Und wer möchte, müsse auch nicht Namen und Fotos zeigen. Mit dem Projekt lädt das Museum ausdrücklich auch Menschen ein, sich zu beteiligen, die sonst keinen Zugang zum Museum haben.

Die Texte müssen auch nicht auf Deutsch sein – jede Sprache ist erlaubt. Die Anwendung selbst gibt es in sechs Sprachen. Geplant sei die Erweiterung der Dauerausstellung zum Ende des Jahres. Bis dahin sind die Räume im Internet einsehbar:
https://your-story-matters.de.

Text: Anja Gladisch    Foto und Montage: Thomas Schmidt