Die kleinen und großen Dinge des Lebens
Lange gewartet, viel gehört, manches gelesen, jetzt ist es so weit: Das Heimatkunde-Museum in der Unser-Fritz-Straße eröffnet am Freitag, 28. April, um 16 Uhr.
Enorme Leistung
Für den Museums-Direktor, der die Neuausrichtung initiiert hat, ist eine weitere wichtige Etappe erreicht worden. Von seinen drei Häusern des Emschertal-Museums war zuletzt nur das Schloss geöffnet. Jetzt folgt also das zweite Museum, und in diesem Jahr wird auch die Sanierung der Städtischen Galerie abgeschlossen.
Ganz einfach „Heimatmuseum“
Das Schild vor dem Museumsgebäude ist schon länger geändert worden. Ganz einfach „Heimatmuseum“ statt früher Heimat- und Naturkundemuseum. Und das war ein wenig auch das Prinzip bei der Neugestaltung: die Reduktion auf das Wesentliche.
Wie alles zusammen passt
Das eine oder andere Ausstellungsstück hatte Kurator Ralf Piorr schon im Voraus vorgestellt: einen Kinderhochstuhl, ein Bonanza-Fahrrad oder der Waschautomat, aber der interessierte Mensch aus Herne oder Wanne-Eickel konnte sich bisher keinen Reim darauf machen, wie das alles zusammen passte. Jetzt wissen wir es: Es ist eine liebevolle Sammlung von vielen kleinen und größeren Dingen, die im Betrachter jede Menge Assoziationen auslösen. Manche erzählen von selbst eine Geschichte, bei anderen muss man die Geschichte lesen oder sich erzählen lassen. „85 Prozent der Exponate kommen von den Bürgern“, ist Piorr begeistert. Und jeder konnte etwas zu seinem abgegebenen Objekt sagen, seien es nun ein alter Fernseher, eine 50-er Jahre Lampe oder ein Schrank aus den 20ern. „Deshalb ist es ja nicht nur ein Museum für Menschen, sondern auch von Menschen.“
Das alte Ruhrgebiet
Silikon-Lunge und Bergbau-Nostalgie
Manchmal wird die Grenze zum Kitsch erreicht. Gewollt. Dennoch soll „Heimatverklärung“ vermieden werden. Bergbaunostalgie sieht anders aus: Nicht wie die Röntgen-Aufnahme einer Silikon-Lunge, die dort gezeigt wird. „Derbheit“ und „Menschlichkeit“ liegen nah beieinander.
Rundgang
Beim Rundgang durch acht Räume, die, wie Doetzer-Berweger betont, „das Format von Klassenräumen haben, weil es eine Schule war“, machen wir uns auf zu einer Zeitreise von 1890 bis 1980. Start ist bei einem Flöz-Eingang. Eines der wenigen Überbleibsel aus dem Vorgänger-Museum. Die Ofensammlung, die Bergbautechnik, Steine und ausgestopften Vögel sind verschwunden – die ausrangierten Dinge haben zumeist Abnehmer gefunden.
Die 2. Station ist das Jugenstil-Rückbuffet von 1910, gerettet aus der Kultkneipe „Sonne“. In dieser Gaststätten-Atmosphäre wird das Leben zwischen 1890 und 1930 dargestellt. Und weil in der Kneipe viel Kommunikation herrscht, steht hier eine Hörstation.
Der Karren der Geschichte
Die Einwanderung der Polen und anderer Migranten wird von einer Schwarzen Madonna, einem Bandoneon und vielen anderen Objekten symbolisiert. Natürlich ganz zufällig steht Harry Bogotaj daneben und erzählt für Presseleute die spannende Geschichte, wie sein Opa zum Bandoneon kam. In einem „Karren der Geschichte“ oder „Mülleimer der Geschichte“ lagern zahlreiche Blechtafeln aus der Nazi-Zeit. Eine Arbeiterküche aus den 20ern zeigt, dass es den Menschen wirtschaftlich besser ging und erklärt damit, weshalb die Zustimmung zur Diktatur so groß war. Wer durch die in die Museumswand eingelassenen Gucklöcher blickt, sieht quasi hinter die Kulissen und auf die Mordmaschinerie des Dritten Reiches. Die erzwungene Migration der Juden wird durch einen Schuh-Kasten dargestellt, welcher der Familie Günzburger gehörte. Auf einem Display läuft ein zweieinhalbminütiger Film, in dem die Amis das zerstörte Herne erobern. Den Streifen hat das Museum in den USA erworben.
Vom Gelsenkircher Barock zur Trauervitrine
Es geht die Treppe hoch – die Wände ziert eine Chronologie der historischen Ereignisse. Die 50er Jahre: Wirtschaftswunderzeit. Das Wohnzimmer im Gelsenkircher Barock mit dem röhrenden Hirsch über dem Fernseher. Der mit einem Spot angestrahlte Vollwaschautomat von Miele. Fahrrad, Roller, Filmplakate, Bilder – alles verweist auf die Zeit, als der Bergbau seinen Höhepunkt erreichte. Nur die Jukebox fehlt, sie wird noch heute nachgeliefert. Nicht minder nostalgisch sind die 60er Jahre mit ihren deutlich geänderten Designformen, gut zu erkennen am Fernsher oder an den Wohnzimmermöbeln. Aber das Highlight ist die „Trauervitrine von Wanne-Eickel“ mit Devotionalien aus der Zeit der Städte-Ehe. „Von nun an scheint der Mond von Wanne-Eickel über Herne“, titelt die Herner Zeitung mit ein bisschen Häme.
Der Künstler aus Unser Fritz
Eine ganze Wand zeigt die Kunstaktionen von Helmut Bettenhausen, der quasi visavis die Künstlerzeche gründet, aber tatsächlich hier im Heimatmuseum zur Schule ging. Und dann ist da noch die Jugenstil-Drogerie Kleffmann, die man noch von früher kennt. Mit dem Unterschied, dass man jetzt mitten hinein in die Ausstellungsfläche gehen kann. Und das Schulmuseum, freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der Stadt Bochum.
„Eingemacht“
„Eingemacht“ ist ein weiterer lustiger Einfall: In Einmachgläsern präsentieren sich Tipp-Kick-Figuren vom DSC Wanne-Eickel und Westfalia Herne, Comicfigur Winnetou, Asche von einem Sportplatz, das neue Logo der Stadt Herne. Na ja: „Sollen die Leute ins Museum gehen und sich unterhalten“, sagt der Kurator. „Sie werden auf jeden Fall Neues erfahren haben.“