Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Kulturzentrum

Die letzten Zeitzeugen

27. Januar 2016 | Gesellschaft

Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda begrüßte - neben den 400 Gästen - die Zeitzeugin Hanneke Schmitz, geborene Günzburger, und ihren Ehemann Peter Schmitz. Schüler des Haranni- sowie des Pestalozzi-Gymnasiums haben sich mit der Biografie von Gerda Günzburger beschäftigt, die 1933 am Herner Lyzeum, heute Haranni, das Abitur absolviert hat. Sie ist die Mutter von Hanneke Schmitz. Ihre Lebensjahre waren geprägt durch Exil, Widerstand und drohende Deportation. Viele ihrer Familienangehörigen wurden Opfer der Shoah. "Die Geschichte von Gerda Günzburger, geborene Elias, ist eine Herner Geschichte, die exemplarisch für die Verfolgung der Juden zwischen 1933 und 1945 steht", sagte der OB.

Eindrucksvolle Darbietung

Unter der Leitung der Lehrerin Elisabeth Staske und in Zusammenarbeit mit dem Historiker Ralf Piorr haben die Schüler Material aus dem Familienarchiv der Günzburgers verwertet. Daraus erarbeiteten sie eine szenische Darbietung, in der Jasmin Nielinger, Ceren Öztürk, Alexander Block sowie Florian Enk die Geschichte von Gerda Günzburger, eingebettet in die geschichtlichen Zusammenhänge, in eindrucksvoller Weise präsentierten. Illustriert wurde ihre Präsentation mit zeitgenössischen Fotos. Die Fotoreihe startete mit einer Klassenaufnahme der Abiturienten und endete mit einem Foto, auf dem die Günzburger ihre Tocher Hanneke in den Armen halten.

Für die musikalische Umrahmung der Gedenkstunde sorgten Schüler der Musikschule Herne: Lea Elena Raasch (Violine), Darius Preuß (Violine), Benedict Heeren (Klavier).

  • Impressionen zur Gedenkveranstaltung ©Frank Dieper, Stadt Herne

Zeitzeugen aus Herne

Nach dem Krieg kehrten die Günzburgers nach Deutschland zurück und lebten in Herne. Aber zahlreiche Familienangehörige starben in den Konzentrationslagern. Ihre Namen wurden verlesen - sie sind auch in den Okularen des Shoah-Denkmals enthalten.

Oberbürgermeister Dudda machte darauf aufmerksam, dass es bald keine Menschen mehr geben werde, die das Vernichtungslager Auschwitz  selbst erlebt haben: "Wir sind es, die nun berichten müssen, was wir von den Zeitzeugen erfahren und gelernt haben." Angesichts der Flüchtlingsituation, islamistischer Terrorangriffe und von zunehmendem Antisemitismus wirke Herne für manche Menschen wie eine Insel: "Und doch haben wir auch hier gespürt, dass der soziale Friede angreifbar ist. Dass es Anfeindungen und Hass und Zerstörung auch bei uns gibt. Das haben wir während der Attacken auf das Shoah-Denkmal erlebt."

„Die Günzburger. Eine deutsch-jüdische Familiengeschichte“ ist als Hardcover (deutsch/englisch) im Herner Frischtexte Verlag erschienen.

Shoah-Mahnmal nur kurze Zeit zugänglich

  • Gebete und Gedenkminute vor dem Shoa-Mahnmal ©Thomas Schmidt, Stadt Herne

Und diese Angriffe waren bei allen Teilnehmern gegenwärtig, als Vertreter der Kirchen vor dem Shoah-Denkmal Gebete sprachen und alle zusammen eine Schweigeminute einlegten. Nur für diese Zeremonie war das Mahnmal zugänglich, waren der Bauzaun und die Einhausung entfernt worden. Danach ließ die Stadt das Memorial wieder sperren.

Es sprachen: Aaron Naor (Jüdische Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen), Dechant Christian Gröne (Katholisches Dekanat Emschertal) und Superintend Reiner Rimkus (Evangelischer Kirchenkreis Herne). Dr. Dudda sagte an dieser Stelle, das Mahnmal werde selbst zu einem "Zeitzeugen": "Deshalb gehört es an diesen Platz. Es stellt sich uns entgegen. Es steht im öffentlichen Raum, und genau hier ist es notwendig."

Text: Horst Martens / Fotos: Thomas Schmidt, Frank Dieper / Stadt Herne