Woche des Jugendamtes: Betreuungsstelle für Erwachsene

„Die Menschlichkeit bewahren“

9. Oktober 2017 | Gesellschaft

Fit in Gesetzen und in Sozialmedizin

„Man muss das Problem anderer Leute erkennen und die Situation verbessern, denn nur eine als gut empfundene Hilfe ist eine gute Hilfe“, fasst der Sozialpädagoge und Sozialarbeiter seine Aufgabe zusammen. Er wird gerufen, wenn erwachsene Menschen, egal welchen Alters, wichtige Entscheidungen nicht mehr alleine treffen können. Ob das nun am Alter liegt, an einer schweren Krankheit, an einem Unfall oder daran, dass ein Mensch psychisch erkrankt ist. Wer keine Vorsorgevollmacht ausgestellt und darin einen Betreuer festgelegt hat, wird von der Betreuungsstelle der Stadt Herne unterstützt. Drei Sozialarbeiter und Sozialpädagogen arbeiten dort. Sie müssen fit sein in den entsprechenden Gesetzen und sozialmedizinische Grundkenntnisse haben.

Dickköpfe mit Herz

Alexander Ottmann vertritt die Stadt Herne auch vor Gericht – „da müssen die Paragraphen sitzen“, so der 35-Jährige. Mitunter muss er auch gegen Entscheidungen von Gerichten vorgehen. „Ein Dickkopf zu sein, schadet an der Stelle nicht“, findet er. Damit neue Kollegen dazu in der Lage sind, werden sie geschult: in rechtlichen Grundlagen, in Rhetorik, in sicherem Auftreten – und in Ethik.

Denn die Betreuungsstelle legt großen Wert auf einen wertschätzenden Umgang mit den Menschen, die sie betreut. „Ich möchte meine Fälle mit Achtung steuern. Wir von der Betreuungsbehörde versuchen, die Menschlichkeit zu bewahren“, so Ottmann. Denn zu seinen Aufgaben gehört auch, die Vorgeschichte eines hilfsbedürftigen Menschen kennen zu lernen. „Ein Mensch ist nie nur ein Fall. Wir schauen darauf, was ein Mensch gemacht hat. War die alte Dame eine Hausfrau, die mehrere Kinder erzogen hat? Hat sie gearbeitet? Was war ihr wichtig? Oft sind wir die letzten, die danach fragen und die eine Lebensleistung wertschätzen.“

Junge und alte Menschen beraten

Die Mitarbeiter der Betreuungsbehörde stehen unter Schweigepflicht. Sie dürfen also keine persönlichen Informationen verraten– und ein Betreuer bekommt viele Informationen. Wenn er Menschen berät, die über eine Vorsorgevollmacht nachdenken, geht es häufig um Geld. Es geht aber auch oft um die Gesundheit der Betroffenen. Dabei hat Ottmann nicht nur mit alten Menschen zu tun, sondern immer wieder auch mit sehr jungen. „Oft denken die Menschen gar nicht daran, dass sie auch einen Unfall haben können und dann nicht mehr in der Lage sind, ihre Angelegenheiten alleine zu regeln.“

Rückhalt im Team

Der Umgang mit schwer kranken Menschen und die Auftritte vor Gericht können fordernd sein. „Wer diese Aufgaben machen will, muss tough sein und geerdet. Dazu ist es gut, wenn man ein Privatleben hat und von der Arbeit abschalten kann.“ Gerade wenn man psychisch kranke Menschen betreut oder Trauerbegleitung macht, kann das belasten. „Das Team hält zusammen und unterstützt und kontrolliert sich gegenseitig“, weiß Ottmann. Ohnehin sind die Mitarbeiter der Betreuungsstelle keine Einzelkämpfer. Ein großer Teil ihrer Arbeit besteht daraus, Netzwerke zu pflegen und mit Palliativdiensten, Ärzten und Juristen zusammen zu arbeiten. Seinen Job macht er „mit viel Herzblut. Dabei habe ich meine Passion gefunden“, wie er sagt.

Besonders wichtig findet Ottmann, nicht nur eine Vorsorgevollmacht zu verfassen, sondern diese auch im Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer registrieren zu lassen. „Falls ich mit dem Motorrad unterwegs bin und habe in einer anderen Stadt einen Unfall, weiß die dortige Betreuungsstelle gar nichts von meiner Vorsorgevollmacht, die ich zuhause habe. Dann beginnt ein Betreuungsverfahren, bis das Betreuungsgericht von der Vollmacht erfährt.“ Ist sie registriert, bekommt man direkt den Betreuer, den man ausgewählt hat. Das kann ein enger Freund oder Angehöriger sein. Wenn keiner sich diese Aufgabe zutraut, springt das Team der Betreuungsstelle ein.

Nina-Maria Haupt