Heimatmuseum

Die Rückkehr der Halbstarken

25. November 2016 | Freizeit Gesellschaft Kultur

Rebellen in Lederjacken

Und damit kehren auch die Halbstarken zurück, die nach der Ausstrahlung des gleichnamigen Kinofilms auch in Herne und Wanne-Eickel für einige Krawalle gesorgt hatten. Nicht ohne Grund wurde der Streifen mit Horst Buchholz und Karin Baal zu einem Kultfilm für eine ganze Generation. Bisher unveröffentlichte Fotos zeigen junge Männer aus unserer Stadt mit Lederjacken und Jeans am Flipper oder in der Milchbar. Die Jukebox darf als weiteres Ausstellungsstück natürlich nicht fehlen. Auch Petticoats gehörten damals zum Zeitgeist.

  • Auch ein HB-Männchen begrüßt die Besucher. @ Thomas Schmidt, Stadt Herne

Trockenhaube aus dem Jahr 1960

Das Petticoat-Kleid stammt aus dem Besitz von Birgit Sensen. Ihre Mutter hatte den Petticoat als 16-Jährige selber genäht. Die Mode spielte damals bei den jungen Menschen eine wichtige Rolle. Und natürlich musste zu den Rock 'n' Roll-Klängen auch die Frisur passen. Daher passt auch die Trockenhaube von Schwarzkopf von 1960 bestens nach Unser Fritz. „Das Exemplar habe ich selber bei einer Wohnungsauflösung in Empfang genommen", sagt Piorr, bevor er für ein kleines Fotoshooting gleich mal unter der Haube Platz nimmt.

Technik steht nicht mehr im Mittelpunkt

Ältere Besucher werden sich vielleicht auch noch an den ersten Vollwaschautomaten von Miele, Jahrgang 1952, erinnern. „Eine Umfrage hat kürzlich ergeben,
dass die Menschen die Waschmaschine für die bedeutendste Erfindung des 20. Jahrhunderts halten", so Piorr über eine Errungenschaft, die es sicherlich auch in viele Technikmuseen geschafft hätte. Genau das sollen die Räumlichkeiten in dem ehemaligen Schulgebäude – das künftig den Namen Heimatmuseum Unser Fritz trägt – aber nicht mehr sein. Die frühere Ausstellung hatte eine sehr technische Ausrichtung. Piorr: „Das Leben der Menschen wurde nur am Rande abgebildet, das wird sich grundsätzlich ändern. Wir wollen unter dem Begriff Herzkammer laufen, wollen nah am Alltag der Menschen sein und ihre Geschichte erzählen."

Polaroidkamera von Karstadt

Eine Geschichte, die 1890 beginnt und in den 1980er Jahren endet. Vor allem bei den letzten vier Jahrzehnten war das Museumsteam auf Unterstützung der Bevölkerung angewiesen. Und auf die war Verlass. Immer wieder meldeten sich Menschen wie Michael Cibien. Der Herner trennte sich zum Beispiel von „Bruno", der berühmten HB-Werbefigur. Ein anderer überreichte dem Museum eine Polaroidkamera mit Originalverpackung. Selbst das Preisschild von Karstadt über 135 D-Mark ist noch vorhanden. Es sind wahrscheinlich genau die Begegnungen, die Piorr meint, wenn er sagt: „Es soll ein Museum sein von Menschen für Menschen." Die Eigenbeteiligung der Bürger taucht im Gegensatz zu früher an vielen Stellen auf. Und der Aufruf, Exponate abzugeben, endet nicht mit der Eröffnung, die im Frühjahr des nächsten Jahres geplant ist. Das Museum ist so konzipiert, dass es nicht abgeschlossen ist, betont der Kurator. Neue Stücke, die die Entwicklung der Stadtgeschichte dokumentieren, könnten auch in einer Sonderausstellung präsentiert werden.

Klassenzimmer kehrt zurück ins Schulgebäude

In Sachen Schule ist die Ausstellung allerdings schon bestens aufgestellt. Ein Klassenzimmer mit Sitzbänken dokumentiert eindrucksvoll, wie es wirklich um 1900 in dem Gebäude ausgesehen hat. Piorr spricht von einem Schmuckstück und dankt der Stadt Bochum für das Klassenzimmer, das zuvor im Schulmuseum in Bochum bereits von tausenden Schülern besichtigt wurde: „Inhaltlich passt es natürlich optimal in dieses ehemalige Schulgebäude. Aber auch museumspädagogisch ist es wertvoll, weil wir die Schüler erreichen und zeigen können, wie der Unterricht vor 100 Jahren ausgesehen hat."

Zeitreise durch die Stadtgeschichte

Insgesamt ist die Ausstellung chronologisch konzipiert. Der Rundgang führt zu Beginn in die Zeit des Kaiserreichs, der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus. Einen wichtigen Grundpfeiler in der Geschichte der Stadt spielt ohne Zweifel der Bergbau, der sich natürlich ebenfalls in der Ausstellung wider-
spiegelt. Der Flöz, der schon zuvor im Heimatmuseum zu sehen war, bleibt erhalten, erfährt aber eine Umdeutung. Auch hier geht es nicht mehr um den technischen Aspekt. „Wir interpretieren ihn mehr als Geburtskanal, weil sich die Stadt ohne die Kohle nicht so entwickelt hätte." Einige Aspekte wie zum Beispiel der Bergbau, ziehen sich durch die gesamte Ausstellung. Dazu gehört auch die Migration. Hier vermisst Piorr noch ein aussagekräftiges Exponat, das zu der Migrationsgeschichte der 70er Jahre passt.

Zu Besuch bei der Drogerie Kleffmann

Neben vielen neuen Exponaten werden die Besucher auch einige alte Ausstellungsstücke wiedererkennen. Als erstes ist hier sicherlich die Drogerie Kleffmann zu nennen. Aber auch hier gibt es einen neuen Ansatz. Während die Gäste früher durch eine Scheibe getrennt vor dem Thekenbereich standen, dürfen sie in Zukunft auch hinter die Theke. „Die Menschen sollen ein Teil der Ausstellung sein und nicht nur davor stehen", sagt Piorr. Mit anderen Worten: Ein Besuch im umgebauten Heimatmuseum lohnt sich auf jeden Fall. Und gilt nicht nur für Halbstarke, oder die, die es mal waren …

Michael Paternoga