Die späte Karriere eines Hobbykochs
In Teutoburgia ist Siegfried Fiebiger bekannt wie ein bunter Hund. In der Stadt tritt der Hobbykoch erst jetzt stärker ins Licht der Öffentlichkeit.
In den Flottmann-Hallen huldigten sie dem 74-Jährigen bei einer Pre-Vernissage. Eigentlich sollten der Künstler und seine Werke im Mittelpunkt stehen. Aber dann servierte der „Grand Maitre“ seine Currysauce – und die Besucher waren begeistert. „Die haben mich fast auf den Händen getragen“, grinst „Siggi“. Ausstellungsleiterin Jutta Laurinat („Er ist ein Glücksfall“) engagierte ihn vom Platz weg für die restlichen Veranstaltungen des Jahres. Als inherne dem sonst schlagfertigen Fiebiger das Rezept für die Currysauce entlocken wollte, wurde er einsilbig. Zumindest die Zutaten verriet er dann: Zitronengras, Lorbeer, Cola, Orangensaft, Ketchup, Curry.
Schaulaufen der Zwirbelbärte
Fiebiger fällt nicht nur durch seine handwerklichen Fähigkeiten auf. Sein weißer Zwirbelbart und der dicke goldene Ohrring sind ein Blickfang. Den pensionierten Oberkommissar der Polizei sieht man ihm nicht an. Eher schon die Mitgliedschaft in einem Motorradclub. In mehreren Fernsehauftritten stellte Fiebiger seine Kochkünste unter Beweis. Bei TV-Koch Horst Lichters „Schnitzeljagd“ verblüffte die Ähnlichkeit der beiden Schnauzbärte.
Fiebiger kocht noch 30 Jahre
Fiebiger, der aus Castrop-Rauxel stammt, gründete dort einen Ableger des famosen „CC-Clubs kochender Männer“. Bis in den Rang eines Grand Maitre schaffte er es. Er kochte aushilfsweise bei „Stromberg“ in Waltrop, dessen Chef bekannterweise Koch der deutschen Nationalmannschaft ist. „Ich bin in ganz Deutschland unterwegs. Aber ich helfe auch gerne in der Nachbarschaft aus.“ Seine Kochkarriere steht noch am Anfang, denn Fiebiger sagt voraus: „Ich werde 105 Jahre alt und so lange koche ich auch.“
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Als Siegfried Fiebiger die Haustür öffnet, weiß ich, warum schon zwei Fernsehsender den Sodinger mit zwei 45-minütigen TV-Folgen bedachten: mit seiner stattlichen Erscheinung, seinem weißen Zwirbelbart, dem verschmitzten Grinsen und dem dicken goldenen Ring im rechten Ohr ist er wie fürs Fernsehen gemacht. Und sein Haus ist eines mehr dieser schmucken Gebäude in der idyllischen Zechensiedlung, die nicht zum ersten Mal einer Kamera als schöne Kulisse diente ("Vampire" kehren zurück).
Zwischen seinen Beinen tummelt der Hund, den er sich nach der Pensionierung zugelegt hat - als Erinnerung an seine aktive Zeit als Diensthundeführer bei der Polizei. Im ersten Beruf war Fiebiger Buchdrucker, aber dann gab er dem Drängen seines Vaters nach und fing 1968 bei der Polizei an. „Meistens war ich nachts in Zivil unterwegs“, sagt er. „Ich konnte am Tag gut schlafen.“
Bei einem Gespräch im Wohnzimmer gibt Fiebiger Auskunft über sein Leben, lässt immer wieder lustige Wortwendungen einfließen. Auch deshalb mögen ihn wohl die Fernsehleute. „Kochen war mir in die Wiege gelegt“, bekennt Fiebiger, „meine Mutter war eine hervorragende Köchin - mit dem Wenigen, was da war.“ Aber der endgültige Impuls, sein Talent tatsächlich in die Waagschale zu werfen, kam zufällig zustande. „Ich war in Castrop im ‚Reichshof‘ in einem Gespräch mit einem Fleischermeister. Der fragte mich, ob ich mal Lust hätte, zu helfen bei seinen vielen Konfirmationen, Geburtstagen und Hochzeiten.“
Eins kam zum andern. Die Neugier war geweckt, als der Fleischer vom CC-Club kochender Männer in Castrop erzählte. („CC“ steht für Confrérie Culinaire: kulinarische Bruderschaft.) Doch dort konnte Fiebiger nicht aufgenommen werden, weil die Höchstzahl von acht Mitgliedern erreicht war. „Gründe doch selbst einen Club“, lautete die Empfehlung, und so rief Fiebiger einen zweiten Club in Castrop-Habichthorst ins Leben. Heute zählt die deutsche Dachorganisation über 1300 „Kochbrüder“ in rund 120 örtlichen "Chuchis". Chuchi ist das Schweizer Wort für Küche – in der Schweiz wurde der erste Verein gegründet. Fiebigers Bruderschaft trifft sich einmal monatlich in einer Schulküche. Einer der Kochbrüder stellt eine interessante Menuefolge zusammen und geht einkaufen.
"Die Bratwurst ist häufig eine Pappwurst"
„Wir sind ein elitärer Kochclub“, unterstreicht Fiebiger selbstbewusst. Wichtig ist das jahreszeitliche, regionale, möglichst unbehandelte Produkt. Kochkunst, hohe Esskultur und gute Tischsitten stehen im Mittelpunkt. „Wir kochen in einer höheren Etage – Richtung Sternekoch“, fügt Fiebiger hinzu, der selbst aufgestiegen ist bis zum Grand Maitre mit dem roten Hummer am Goldenen Bande. Von den Normalbrutzeln scheint er nicht viel zu halten: „Viele können doch nicht mal ein Kotelett richtig braten.“ Versteht sich von selbst, dass Fast Food bei ihm keine große Wertschätzung genießt: „Ich esse gerne Pommes und Currywurst. Leider ist die Bratwurst häufig eine Pappwurst. Die isst noch nicht mal mein Hund.“
Fiebiger ist ein „Verfechter der eleganten und gepflegten Küche“. Der Trend, kleine Portionen in großen Tellern zu servieren, ist rückläufig: „Ein Mückenfurz in der Mitte und rechts davon eine grüne Nudel“ – von diesem zurück haltenden Stil kommt man ab. „Jedes Teilgericht muss für sich auf dem Teller dargestellt sein“, meint Fiebiger.
Für Horst Lichter’s „Schnitzeljagd“ servierte Fiebiger westfälische Trüffel und briet im Steinofen einen Hasenrücken. Als Lichter und Fiebiger am Gartentor aufeinander trafen, bewunderten sie gegenseitig ihre Zwirbelschnäuzer. „Wir könnten den gleichen Vater haben“, spielt Fiebiger auf die Ähnlichkeit an. „Hauptsache, wir haben nicht die gleiche Frau“, kontert Lichter.
„Ich habe mich für nichts beworben“, sagt Fiebiger. Die Redakteurin von „Zu Tisch im Ruhrgebiet“ traf er zufällig bei einem Spaziergang im „Kunstwald“. Zufälle gibt’s. In seinem Steinofen bereitete er für die Sendung einen „falschen Hasen“ zu – einmal mit Ei und einmal mit Würstchen. Der Beitrag war nicht einseitig auf Fiebigers Kochkünste fixiert, sondern zeigte den Mann auch in seinem Milieu. Die Frauen trafen sich zu Kaffee und Kuchen. Die Männer starteten ihre Bikes und dann brausten sie ab zu einer Spritzfahrt durch das Revier.
Und das ist auch im richtigen Leben so. Einmal im Jahr lädt er die Nachbarschaft zum Sommerfest im Garten ein. Dort bereitet er dann etwas Schmackhaftes im großen Steinofen zu. So pflegt man Freundschaften. Bei der täglichen Versorgung mit Speis und Trank hält Fiebiger sich allerdings eher zurück: „Meine Frau kocht und backt hervorragend. Ich bin nur gefragt, wenn Besuch angesagt ist." Die Liebe geht bei ihm auch durch den Magen: "Ich würde meine Frau glatt noch mal heiraten." Und das nach 52 Ehejahren.
Text: Horst Martens