Angel-Reportage

Ein Ausflug ans Meer

6. Mai 2016 | Freizeit Gesellschaft

Da sitze ich nun: Zwischen Schwerlastverkehr auf der einen und Containerschiffen auf der anderen Seite hat mich Erich Fiedler auf einem Grünstreifen am Rhein-Herne- Kanal platziert, der unter dem Namen Herner Meer bekannt ist und bei Google gar als Schwimmbecken geführt wird.

68 Jahre Erfahrung

Nach Schwimmen steht mir bei acht Grad Außentemperatur um sieben Uhr morgens gewiss nicht der Sinn. Dennoch bin ich hier in Sachen Freizeitgestaltung unterwegs und Erich Fiedler spielt dabei eine zentrale Rolle. Neben seiner Passion für Fußball ist der 1. Vorsitzende des SV Pantringshof 59 nämlich auch begeisterter Angler und das seit 68 Jahren! Wenige 100 Meter von der Stelle, an der wir uns niedergelassen haben, ging der 74-Jährige als kleiner Junge regelmäßig frühmorgens angeln und tauschte die gefangenen Fische bei einer älteren Dame gegen ein Frühstück ein. Als ihn damals ein unkundiger Fischereiaufseher der Wilderei bezichtigte, musste Fiedler sogar vor den Kadi, bekam aber keine Strafe, sondern den Jugendfischereischein.

Wurm oder Made?

Heute ist Erich Fiedler selbst Fischereiaufseher, was gut für mich ist, denn an seiner Seite muss ich meinen Kanalschein nicht vorzeigen und auch nach meinem Jahresfischereischein fragt mich an diesem Morgen keiner. Hätte ich aber gehabt! Allerdings verschlägt es mich als passionierten Fliegenfischer ohnehin selten an den Kanal, sondern eher an die Gebirgsbäche Mitteleuropas. So ist es denn auch nicht ganz so einfach, das vor über 20 Jahren erlernte Wissen um die Montage einer Posenangel wieder abzurufen. Schneller als gedacht liegt die Pose dann aber im Wasser und dank Erich habe ich die Auswahl zwischen zweierlei Würmern, Mais und Maden. Dass Angler eine ganz spezielle Spezies Mensch sind, offenbart sich übrigens auch an der Tatsache, dass Erich Fiedler extra um ein Uhr nachts aufgestanden ist, um Tauwürmer zu suchen.

Monster am Haken?

Er muss lachen, als ich ihn damit konfrontiere, schnell hat uns aber der „Ernst des Lebens" eingeholt: Die Pose von Erich taucht unter. Ganz ruhig und konzentriert wartet der ehemalige Bergmann deutlich länger, als es meine Nerven mitgemacht hätten. Dann ein kurzer Ruck an der Rute und . . . der Fisch hängt! Wer gerne DMAX schaut und hier im Besonderen den Flussmonster-König Jeremy Wade kennt, der muss jetzt ganz stark sein! Am Haken hängt weder ein meterlanger Arapaima noch ein furchterregender Raubsalmler. Erich hat eine Grundel gefangen! Eine von gefühlt zehn Millionen Grundeln, die seit ein paar Jahren den Kanal bevölkern, anderswo gar zu einer echten Plage geworden sind. Kann man kaum glauben bei einer Länge von vielleicht acht Zentimetern. Hübsch ist sie ja, die kleine Grundel, aber eine Plage? Einige Stunden später muss ich meine Meinung revidieren, denn außer Grundeln hat an diesem Tag nichts Lust auf unsere Köder. Die Zwerge sind uns aber treu und stürzen sich auf alle beliebigen Köder, ziehen Würmer vom Haken und lutschen die Maiskörner fein säuberlich aus. Erich ist das egal. Er freut sich, wenn die Pose wackelt. Dann zeigt er mir Fotos von richtig großen Fischen, die er in den letzten Jahren – auch im Rhein- Herne-Kanal – gefangen hat. Kein Anglerlatein, die Zander, Barben und Hechte würden auch einem Jeremy Wade gut zu Gesicht stehen. Ich bin beeindruckt und krame in den Erinnerungen nach meinen persönlichen Flussmonstern. Ganz kann ich mit Erich nicht mithalten, habe aber auch ein paar Jahrzehnte Rückstand.

Das Leben erwacht

Um uns herum erwacht derweil nach und nach das Leben. Auf dem Hof des Logistikers fährt ein Lkw nach dem anderen vor, hinter uns steigen ausgeschlafene Fahrer aus den Kabinen ihrer Zugmaschinen. Nach und nach füllen sich die Plätze neben uns mit Anglern. Mein Ausflug an das Herner Meer nähert sich nun schon wieder dem Ende, das Erlebte muss ja auch noch zu Papier gebracht werden. Neben drei Fischchen bringt mir dieser Tag auf jeden Fall die Erkenntnis, dass es in Herne echt schöne Fleckchen gibt und das Erich ein ganz feiner Kerl ist, auch wenn er am Ende viel mehr Grundeln gefangen hat, der Glückspilz!