Azubi-Speed-Dating für junge Geflüchtete

Eine Chance in zehn Minuten

8. Mai 2019 | Gesellschaft Wirtschaft

Dann geht die Tür auf und knapp fünfzig junge Menschen, die geflüchtet waren und nun in Herne leben, drängen in den Raum. Schnell verteilen sie sich an die Tische mit den Arbeitgebern, stellen sich vor, erkundigen sich nach Praktika, Ausbildungsstellen und Arbeit. In zehn Minuten können sie einen Arbeitgeber kennen lernen und sich bewerben. Besteht beiderseitiges Interesse, vereinbaren sie ein ausführliches Vorstellungsgespräch oder ein Praktikum.

Das Konzept hat sich bewährt

Dieses Format hat sich bereits bewährt: Seit 2017 lädt das Herner Bündnis für Arbeit immer im September Jugendliche und junge Erwachsene zum Azubi-Speed-Dating ein. Dort sollen diejenigen, die noch keinen Ausbildungsplatz haben, eine Chance bekommen. Am Mittwoch, 8. Mai 2019, gab es zum ersten Mal eine Veranstaltung extra für Geflüchtete, weil sie oft größere Schwierigkeiten haben, mit Arbeitgebern in Kontakt zu kommen. Die Kreishandwerkerschaft Bochum – Herne – Castrop-Rauxel hatte in ihre Räume in der Hermann-Löns-Straße eingeladen. Organisiert wurde die Veranstaltung unter anderem von Kreishandwerkerschaft, Jobcenter, Agentur für Arbeit, Stadt Herne, verschiedenen Verbänden und Arbeitgebern. Auch das Netzwerk „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“ wirkte mit.

  • Momente vom Speed-Dating für Flüchtlinge. ©Thomas Schmidt, Stadt Herne

Beeindruckende Resonanz

Bald stehen die Teilnehmer bei den Arbeitgebern Schlange. Die ersten Bewerbungsmappen werden überreicht, die ersten zufriedenen Gesichter sind zu sehen. Immer noch ist der Raum voll. „Ich bin überwältigt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass so viele kommen. Beim nächsten Mal brauchen wir einen größeren Raum, denn dieses Azubi-Speed-Dating für Geflüchtete wird bestimmt nicht das letzte sein“, sagt Dezernentin Gudrun Thierhoff. „Wir brauchen Fachkräfte und hier sind viele Bewerber, die unterkommen wollen. Hoffentlich finden sie hier zusammen.“

Auch Dr. Regine Schmalhorst, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Bochum/Herne, zeigt sich beeindruckt: „Mit so viel Resonanz haben wir nicht gerechnet. Ich hoffe, dass hier gute Gespräche stattfinden, obwohl es voll und laut ist, und dass am Schluss Integrationen in den Arbeitsmarkt stehen.“ Weg vom Papier, hin zum persönlichen Kontakt, lautet die Idee. Wichtig sei, dass Menschen eine Chance bekämen, im persönlichen Gespräch ihre Stärken zu zeigen. „Das ist eine großartige Idee. Der Kontakt zum Arbeitgeber ist durch nichts zu ersetzen“, ergänzt Karl Weiß, der das Jobcenter Herne leitet.

Arbeitgeber suchen ihre zukünftigen Fachkräfte

Rund 20 Arbeitgeber sind vor Ort und haben innerhalb der ersten Stunde auf 25 Bewerber gehofft – es kommen rund doppelt so viele. „Es geht sofort rund. Alle sind vorbereitet, alle haben Bewerbungsunterlagen dabei“, zeigt sich Martin Klinger, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, zufrieden.

Auch viele Arbeitgeber sind zufrieden. „Wir sehen in den jungen Zugewanderten ein großes Potential zukünftiger Auszubildender und Gesellen. Sie sind da, aber oft fehlt uns der Kontakt zu ihnen. Das Handwerk hat Nachwuchssorgen, deswegen brauchen wir sie. Ich habe selbst einen Flüchtling als Azubi eingestellt und das läuft sehr gut“, berichtet Hans-Joachim Drath, Obermeister der Dachdecker und Kreishandwerksmeister.

  • Momente vom Speed-Dating für Flüchtlinge. ©Thomas Schmidt, Stadt Herne

Wichtig sind Interesse und Persönlichkeit

Heiko Kurzawa, Geschäftsführer vom Sicherheitsunternehmen H2K, sucht ebenfalls neue Auszubildende. „In unserer Branche muss ein Mitarbeiter einen guten Charakter haben. Das ist eine länderübergreifende Eigenschaft. Unsere Branche hat Nachwuchsprobleme. Die Ressource junger Menschen ist begrenzt, deswegen müssen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen“, so Kurzawa. „Außerdem unterstützen wir die gemeinsamen Ziele, die Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda und das Bündnis für Arbeit haben. Wir wollen die Arbeitslosenquote verringern.“

Auch in der Pflegebranche ist der Andrang groß. „Wir sind überrascht über die Menge der Anfragen nach einer Ausbildung in der Kranken- und Altenpflege, aber auch für Medizinische Fachangestellte. Heute haben sich vorwiegend Männer beworben, das ist ungewöhnlich, aber gut“, findet Elke Zerbes-Walter, die stellvertretende Leitung der Senioreneinrichtungen der St.Elisabeth-Gruppe.

Eine kleine Stärkung für die Anwesenden haben übrigens die Teilnehmer des Werkstattjahrs NRW bei der GBH vorbereitet. Jugendliche ohne Schulabschluss, die nach beruflicher Orientierung suchen, können dort praktisch arbeiten und verschiedene Arbeitsfelder kennen lernen. Dabei machen sie ihren Hauptschulabschluss nach. Wer zwischen den Bewerbungsgesprächen eine kurze Pause zum Essen fand, lobte die süßen und herzhaften Häppchen.

Nina-Maria Haupt