Kanalbau

Eine Frau unterirdisch unterwegs

8. März 2022 | Gesellschaft
Foto: Nur wenige Frauen absolvieren eine Ausbildung zur Kanalbauerin – Rebecca Oppermann hat ihre jetzt erfolgreich abgeschlossen. ©Martin Leclair

Eine komplett andere Welt
„Schafft man das körperlich überhaupt als Frau?“ – dieser Frage begegnet Rebecca Oppermann immer wieder, wenn sie in ihrem Umfeld von ihrem Job erzählt. Selbstbewusst kann sie dann bejahen, denn der unterirdische Job ist genau das Richtige für sie. Die 27-Jährige, die zuvor eine Ausbildung als Gestaltungstechnische Assistentin absolviert hatte, war auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz in einem ganz anderen Bereich. Da sie handwerklich schon immer geschickt war, sagte ihr die Stellenausschreibung direkt zu. „Kanal ist ja erstmal eine komplett andere Welt, die man nicht kennt und das klang sehr spannend“, erzählt Oppermann. Sascha Köhler, Technischer Leiter bei der SEH, war zu Beginn erstaunt über den Eingang der Bewerbung, schließlich seien weibliche Bewerber ja eher ungewöhnlich in diesem Tätigkeitsfeld. Im Vorstellungsgespräch habe Rebecca Oppermann einen sehr guten Eindruck hinterlassen und großes Interesse an dem Beruf bekundet. Die Lünerin durfte sich anschließend über eine Ausbildungszusage freuen.

Herzlich aufgenommen in der Männerdomäne
Im Ausbildungsalltag angekommen legte Oppermann die anfängliche Scheu vor möglichen Gefahren aufgrund der Schutzausrüstung schnell ab. Und auch mit dem Umstand, in einer Männerdomäne zu arbeiten, kommt sie gut zurecht: „Bei uns auf dem Bauhof sind es ausschließlich Männer, aber ich wurde ganz herzlich aufgenommen. Da gab es gar keine Probleme. Jetzt sind wir alle ein super Team und ich verstehe mich mit allen sehr gut.“ Auch Sascha Köhler freut sich über die gute Zusammenarbeit: „Wir sind natürlich ein sehr hartes Gewerbe und haben eine robuste Kommunikationsweise. Wie auf der Baustelle üblich, so ist das natürlich in der Abwasserbranche nicht anders. Aber unsere Jungs haben weder die Samthandschuhe noch den Hammer rausgeholt.“ An keiner Stelle sei ihm aufgefallen, dass Oppermanns Fähigkeiten infrage gestellt worden wären. Und die Fähigkeiten hat sie – so gute sogar, dass die Verkürzung der Ausbildung um ein halbes Jahr möglich war. „Das ist schon eine Herausforderung, die nicht jeder schafft“, erklärt Köhler.

Vielfältiger als gedacht
Am besten gefällt Oppermann die Vielseitigkeit ihres Berufs. „Es ist super abwechslungsreich, weil man immer etwas anderes zu tun hat“, berichtet sie. Auch der Technische Leiter stimmt zu: „Aus dem Begriff Kanalbauer geht nicht hervor, dass es ein sehr umfangreicher, mittlerweile hoch technologisierter Beruf geworden ist, der über das normale Kanalbauen hinausgeht.“ Teil des Berufs seien hochmoderne technische Fahrzeuge und Maschinen mit Kamera- und Robotertechniken, für deren Bedienung das Fachpersonal qualifiziert sein müsse. Darüber hinaus kämen die Errichtung von Straßenabläufen, die Gewässerunterhaltung, die Grünpflege der Anlagen und die Pumpentechnik hinzu.

Bewerbungen von Frauen erwünscht
Rebecca Oppermann ist sehr glücklich über ihre Entscheidung für den Kanalbau. Deshalb möchte sie auch anderen Frauen Mut machen, sich in frauenuntypische Berufe zu wagen: „Man ist nie auf sich alleine gestellt. Ich finde, Frauen sind da keine Grenzen gesetzt.“

Die SEH sucht in der Regel alle zwei Jahre neue Auszubildende. Die Bewerbungen von Frauen seien zwar erwünscht, aber seitdem habe es keine Bewerberinnen mehr gegeben, erzählt Köhler. Der Beruf habe neben der Vielseitigkeit aber auch noch einige andere Vorzüge: Kanalbauerinnen und Kanalbauer leisten nicht nur einen wichtigen Beitrag für den Umweltschutz, sondern für die Gesellschaft insgesamt: Schließlich seien sie Teil der kritischen Infrastruktur. Außerdem müsste sich das Personal im Kanalbau keine Sorgen um Arbeitslosigkeit machen, denn „auch in 100 Jahren müssen diese Anlagen noch benutzt und unterhalten werden“. Ein Anreiz für Auszubildende könne auch die vergleichsweise hohe Ausbildungsvergütung im Kanalbau sein. Und was müssen die Bewerberinnen und Bewerber mitbringen? Laut Köhler seien körperliche Belastbarkeit, eine gute Auffassungsgabe, handwerkliches Geschick und keine Angst vor Mathematik von Vorteil.

Rebecca Oppermann möchte nun erstmal richtig Fuß fassen, kann sich für ihre berufliche Zukunft aber gut eine Weiterbildung als Technikerin vorstellen. „Wir werden für alles, worauf Frau Oppermann Lust hat, Tür und Tor öffnen“, so Köhler.

Katharina Weitkämper