Empfehlungen für General Blumenthal übergeben
Knapp elf Monate nachdem die Stadt Herne einen innovativen Beteiligungsprozess für die Entwicklung der ehemaligen Bergwerksfläche „General Blumenthal“ vorgestellt hat, liegen nun die Empfehlungen des Kommunalen Entwicklungsbeirats (KEB) vor.
Foto: ©Thomas Schmidt, Stadt Herne
In der „Alten Druckerei“ in der Herner Innenstadt nahm der KEB im Februar 2022 seinen Anfang. Hier hat sich nun auch für den Kommunalen Entwicklungsbeirat der Kreis geschlossen. Der Beirat übergab am Montag, 9. Januar 2023, seine Ergebnisse aus Beratungen und vier Workshops als „Empfehlungen für den Rat der Stadt Herne und den Oberbürgermeister“ an Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda. Nun werden sich die politischen Gremien mit den Empfehlungen befassen, die wertvoller Baustein bei der Reaktivierung das ehemaligen Zechengeländes zu einem zukunftsträchtigen Quartier sein werden.
„Das Experiment ist gelungen“, eröffnete Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda die Veranstaltung. „Es wurde durch eine gute Organisation viel Vertrauen aufgebaut und die Bereitschaft zu Kompromissen ist gelungen.“ Jetzt müsse die Politik den Prozess weiter vorantreiben und dabei „groß“ denken: „Das Ganze ist ein Referenzprojekt für einen nachhaltigen industriellen Wandel“, so Dudda.
„Es war ungewohnt anstrengend“, beschreibt Prof. Gesine Schwan ihre Zeit im KEB. „Aber die Herner Erfahrung war für mich immer ein Lichtblick.“ Das gelungene Ergebnis sei schließlich eine Grundstruktur für eine gemeinsame Vision. „Von der erfolgreichen Blaupause Herne können wir lernen“, urteilte auch Dr. Stephan Muschik, Geschäftsführer der E.ON Stiftung. So soll der innovative Beteiligungsprozess auf weitere Projekte übertragen werden.
Die Verwaltung war seit dem Ratsbeschluss im Jahr 2020 dazu verpflichtet, „…ein Konzept zur Bürgerbeteiligung und Bürgerinformation zu erstellen, um die kontinuierliche Einbindung und Partizipation der Herner Bürgerschaft während des gesamten Projektverlaufs zu gewährleisten“ (Ratssitzung vom 23. Juni 2020, Vorlage 2020/0382).
Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda entschloss sich daher für die Beteiligung den neuen Ansatz „Kommunaler Entwicklungsbeirat“ (KEB) zu pilotieren, der von der Berlin Governance Platform entwickelt, begleitet, moderiert und von der E.ON Stiftung gefördert wurde. Der Kommunale Entwicklungsbeirat ist ein Gremium, das Vertreter*innen aus der Politik und Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammenbringt, um in einem moderierten Dialog einen Grundkonsens zu einem relevanten Zukunftsthema der Stadtgesellschaft zu entwickeln.
Der Ansatz bot Herne eine doppelte Chance: Auf der einen Seite ermöglichte er eine direkte Aushandlung der unterschiedlichen Positionen, um dadurch mögliche Kompromisse zu erörtern und eine Nutzung der Fläche für Mensch und Umwelt voranzutreiben. Auf der anderen Seite konnte ein Partizipationsmodell erprobt werden, welches im weiteren Verlauf des Entwicklungsprozesses von Blumenthal fortgeführt werden, sowie in Zukunft auch für andere Planungsvorhaben der Kommune von Nutzen sein kann.
Koordiniert und umgesetzt wurde der KEB in Zusammenarbeit zwischen dem Berliner Team um Prof. Gesine Schwan und Dr. Christina Rentzsch, Leitung der Stabstelle Zukunft der Gesellschaft im Büro des Oberbürgermeisters. Im April 2022 startete der KEB Herne mit der ersten ganztägigen Sitzung. Hierzu waren 30 Personen aus den verschiedenen Interessengruppen eingeladen. Moderiert von Gesine Schwan sowie Gudrun Thierhoff und Heinz Letat, tagte der KEB insgesamt vier Mal, um Empfehlungen für den Rat der Stadt Herne zur zukünftigen Entwicklung des Geländes Blumenthal zu erarbeiten. Flankiert wurden die Sitzungen durch zusätzliche Formate wie thematische Arbeitsgruppen und sogenannte „Sommerdialoge“, welche die im KEB vertretenden Organisationen in Rückbindung an ihre Mitgliedschaften koordinierten. In einer öffentlichen Veranstaltung konnten Herner*innen außerdem in der Fußgängerzone in Wanne-Eickel und online ihre Perspektive auf die Empfehlungen des KEBs teilen. Ziel war es, alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen und Initiativen einzubeziehen und zu einem möglichst gemeinsam getragenen Ergebnis zu kommen.
Die 30 eingeladenen Teilnehmer*innen setzten sich zusammen aus Vertreter*innen der Fraktionen im Rat, interessierten Bürger*innen, Bürgerinitiativen und Umweltverbänden sowie Vertreter*innen aus sozialen Verbänden, der Wirtschaft und Wissenschaft. Hinzu kamen als beratende Begleitung Vertreter*innen der Verwaltung bzw. anlassbezogen auch Expert*innen wie zum Beispiel zum Thema Seilbahn oder Stadtplanung. Für die Öffentlichkeit wurde der Prozess über den Blog www.kebherne.blog sowie auf Instagram unter #entwicklungsbeirat durchgehend begleitet.
Gemeinsam hat der KEB die folgenden fünf Leitsätze erarbeitet, die am Ende des Prozesses von allen Mitgliedern unterzeichnet wurden:
Blumenthal für Mensch und Umwelt im Einklang gestalten
Blumenthal soll so gestaltet werden, dass Mensch und Natur die Fläche im Einklang miteinander nutzen und erleben können – barrierefrei und inklusiv. Dabei stehen ein sozialverträglicher Klimaschutz und eine klimagerechte Gestaltung genauso im Vordergrund wie ein Ort der Begegnung für alle Bürger*innen, was die Lebensqualität aller Einwohner*innen in Herne auf sozialer, physischer und psychischer Ebene erhöhen soll.
Solidarische Nachbarschaft stärken
Die Nutzung der Fläche soll in guter, verbindender Nachbarschaft erfolgen. Das bezieht sich auf die lokale und regionale Nachbarschaft sowohl für die Menschen als auch für die Natur mit Bezug auf angrenzende Gebiete in der Region. Außerdem bezieht sich dies auf die Nachbarschaft auf dem Gelände selbst, wo Akteur*innen und Infrastruktur übergreifend in Kontakt kommen sollen.
Innovative Ansätze von Planung, über Gestaltung bis zur Nutzung umsetzen
Von der Planung der Fläche bis hin zu ihrer Nutzung sollen innovative Ansätze im Vordergrund stehen. Das bedeutet, dass die Fläche in allen Bereichen Platz für innovative Ideen und Akteur*innen bieten soll und auch die städtische Planung innovative Planungs- und Beteiligungsansätze miteinschließt.
Nachhaltiges Ausbilden, Arbeiten und Forschen fördern
Blumenthal soll jüngeren und älteren Menschen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, attraktive Arbeitsplätze und Angebote in der angewandten Forschung bieten - vorrangig in den Feldern Mobilität, Energie und Digitalisierung sowie im Bereich der Künstlichen Intelligenz.
Wirtschaftlichkeit berücksichtigen
Die Gestaltung der Fläche muss nachhaltig finanzierbar sein, und die Wirtschaftlichkeit der Ideen muss bei der Planung und Umsetzung berücksichtigt werden.
Zu den fünf Leitsätzen hat der KEB weitere Kriterien aufgestellt, die konkretisieren, was der Leitsatz in der Umsetzung bedeutet. Die Kriterien sind damit eine Messlatte, an der sich die Umsetzung des jeweiligen Leitsatzes orientieren soll und prüfen lässt.
Hintergrund
Die Fläche des ehemaligen Bergwerks General Blumenthal ist mit ihrer Größe von rund 23 Hektar eine der größten Brachflächen in Herne. Mit ihrer zentralen Lage mitten in Herne, der Nähe zum Hauptbahnhof Herne-Wanne und zur Wanner Innenstadt bietet sie ein enormes städtebauliches Entwicklungspotential. Zu ihrer künftigen Nutzung bestehen jedoch divergierende Zielvorstellungen der unterschiedlichen Interessengruppen in Herne.