Wandel in den Kleingärten: Heute steht die Entspannung im Vordergrund und aus dem Nutzgarten wird eine „Wellness-Oase“. Trotzdem: „Wir müssen noch mehr mit der Zeit gehen.“
Sie sind immer noch „das Grün des kleines Mannes“ – die Kleingärten. Und das exakt 200 Jahre, nachdem in Kappeln bei Flensburg der erste deutsche Kleingartenverein gegründet wurde. Heute gibt es in der Republik ca. 15.000 Kleingartenvereine mit rund einer Million Gärten, die von etwa fünf Millionen „Laubenpiepern“ genutzt werden. In Herne sorgen zurzeit 37 Kleingarten- und drei Kleintierzuchtanlagen für Grün in der dicht besiedelten Stadt. Jede der etwa 2.000 Parzellen hat eine Größe von 350 bis 400 und eine „Laube“ von bis zu 30 Quadratmetern. Und jetzt, wenn das Thermometer wieder wärmere Temperaturen anzeigt, ist der Kleingarten für etwa 10.000 Herner wieder ein Platz, schöner als jeder Sandstrand oder jeder Bergsee.
Wartelisten gehören der Vergangenheit an
Hautnah erlebte er in dieser Zeit den Wandel in den Herner Kleingärten mit. Gab es in den 1970er und 1980er Jahren noch Wartelisten für eine freie Parzelle, ist diese heute leergefegt. Zwar gebe es – noch – keine Leerstände, aber: „Uns fehlen vor allem junge Familien, die die Generation der 70- bis 80-Jährigen ersetzt. Aber wer heute Geld hat, kauft sich eine Eigentumswohnung mit Garten oder gar ein Eigenheim.“ Auch wenn die Mitgliederzahl im Stadtverband seit etwa zehn Jahren konstant bei ca. 2.100 liegt, ist dies für Dieter Claar kein Ruhekissen: „Die Vereine müssen moderner werden, mit der Zeit gehen und deutlich machen, dass wir auf Nachhaltigkeit setzen. Denn bei uns stehen Begriffe wie Ökologie, Naturschutz, Wohnumfeldverbesserung und nicht zuletzt der Gemeinschaftsgedanke ganz vorne.“
„Schrebergarten ist cool“
Dass sich die Kleingartenkultur in den letzten 30 Jahren verändert hat, will Dieter Claar nicht verhehlen, denn „wir sind ein Spiegelbild der Gesellschaft.“ Die Gemeinschaft sei nicht mehr so wie in früheren Zeiten, heute bleiben die meisten lieber für sich. So wie Timo Schüppen. Gemeinsam mit seinem Bruder nutzt der 23-Jährige den Garten im KGV „Am Ostbach“. „Schrebergarten ist cool. Hier kann ich draußen sitzen, ohne von fremden Leuten gestört zu werden.“ Ab und zu wird auch gefeiert – natürlich im Rahmen –, wobei gerade in den Abendstunden kaum noch andere Kleingärtner „vor Ort“ sind. Der Student nutzt „seine Scholle“ aber nicht nur zur Erholung, sondern baut auch selbst an: Kartoffeln, Radieschen, Obst. Und zwar so, wie er es will: „Meinen Baum lasse ich wachsen. Und den Rasen schneide ich auch nicht mit der Nagelschere.“
Zur Modernisierung des Kleingartenwesens zählt aber nicht nur die Suche nach jungen Menschen, die gerne ihre Freizeit im Schrebergarten verbringen, sondern auch die Integration der in Herne und Wanne-Eickel lebenden Migranten. Nicht ohne Stolz verweist Dieter Claar auf den KGV „Grüne Wanne“ an der Dürer-/Kurhausstraße in Wanne-Eickel, in dessen Vorstand zurzeit ausschließlich türkische Mitbürger sitzen: „An diesem Beispiel sieht man deutlich, dass wir bunter geworden sind.“ Dazu gehören für ihn auch Besuche von Schulkassen oder Kindergartengruppen, die von erfahren Gartenfreunden erklärt bekommen wie jeder Einzelne seinen Teil zum Umweltschutz und zur Schaffung von Lebensräumen von Pflanzen und Tieren beitragen kann.
Text: Jochen Schübel
Fotos: Horst Martens
Der Weg zur „eigenen Scholle“
Wer in Herne eine Parzelle mieten möchte, muss bei der Übernahme einer „freien Scholle“ eine Abstandssumme zahlen. Diese liegt bei maximal 3.000 bis 3.500 Euro, hinzu kommt ein jährlicher Vereinsbeitrag von durchschnittlich 120 Euro pro Parzelle. Bei der Suche nach einem Kleingarten hilft der Stadtverband gerne weiter, Interessenten können sich aber auch direkt an den jeweiligen Verein wenden.
Info: www.kleingarten-herne.de
Der letzte „Neubau“ vor 18 Jahren
Die letzte „neue“ Anlage in unserer Stadt ist die Kleintierzuchtanlage „Tiergarten“ an der Forellstraße in Baukau. Sie wurde im April 1996 eröffnet. Insgesamt belegen die 40 Anlagen im Stadtgebiet eine Gesamtfläche von ca. 1.000.000 Quadratmetern (ca. 100 Hektar), die durch diverse Bebauungspläne abgesichert ist. Der Stadtverband der Gartenfreunde hat die Anlagen von der Stadt Herne in einem Generalvertrag angemietet, die jeweiligen Vereine sind Unterpächter.
Groß & klein
Zu den größten Anlagen in unserer Stadt zählen die Kleingartenvereine „Herne-Baukau“ (Hoverskamp) und „Im Stichkanal“ mit jeweils über 70.000 Quadratmetern, die von den „Laubenpiepern“ genutzt werden können. Im Vergleich: Zu den kleinsten Anlagen zählt der KGV „Grüne Halde“ mit einer Nutzfläche von etwa 4.700 Quadratmetern.
Sicherheit durch ein Gesetz
Als die Kleingärten von klassischen Versorgungsgärten mehr und mehr zu Freizeitparzellen wurden, wollten zahlreiche Pächter den besonders günstigen Pachtzins für das Gartenland nicht mehr gewähren – und klagten 1979 vor dem Bundesverfassungsgericht. Vier Jahre dauerten die Diskussionen, bis am 1. April 1983 das Bundeskleingartengesetz in Kraft trat und den Pächtern nicht nur Kündigungsschutz, sondern auch eine weiterhin günstige Pacht gewährte.