Neuerscheinung

Florett ja, Vorschlaghammer nein

1. November 2014 | Freizeit Gesellschaft Kultur

Die in dem Buch gesammelten Glossen erschienen über viele Jahre in der Tageszeitung, in der von der Gönna Kulturredakteur ist. Viele fangen mit „Neulich" an. Eine Glosse kann die großen politischen Ereignisse und Themen polemisch betrachten – oder eben die kleinen lokalen Begebenheiten, in der Menschen von nebenan die Hauptdarsteller sind. Letzteres trifft für diese elegant formulierten Texte zu, in der Wortspiele, Gags und Bildungshäppchen sich ablösen.

neulich_cover_downloadKlug beobachteter Alltag

Behutsam nimmt der Autor in seinen glänzenden Text-Miniaturen klug beobachteten Alltag auf die Schippe. Die Glossen handeln von Frauen hinter Verkaufstheken, die männliche Kunden „junger Mann" nennen, von älteren Menschen, die sich mit ihrem Hund unterhalten („Mutti muss noch zu Rewe"), und wenn sich denn doch mal die große Politik darin verirrt, dann als Kommentar des „kleinen Mannes" („Meine Schwiegermutter sagte, der neue Kim sei fett, habe aber schönes Haar.").

Neben den „Neulich"-Beiträgen gibt es noch die „Ehegespräche", die genau das sind, was man erwartet, nämlich absurde Dialoge einer abgenutzten Partnerbeziehung. Und das Buch beschließt, so muss es sein, mit tiefschürfenden und dennoch beiläufigen Sinnfragen („Warum Horoskope Recht behalten").

Lesung in Herne

Lars von der Gönna, „Der Spott der kleinen Dinge". Do, 5.2.2015, Alte Druckerei, Koethers und Röttsches, Bebelstraße 18.

Herne war von der Gönnas erste Ausbildungsstation während seines Volontariats bei der WAZ. Schon damals, 1997, deutete sich die Vorliebe des angehenden Redakteurs an: „Ich hatte wunderbare Kollegen, die mir viele Freiheiten gelassen haben. Ich durfte in der Herner Redaktion Glossen schreiben ohne Ende. Ich habe viel gelernt von George Huneck, Ute Eickenbusch und Jochen Schübel!"

Große Glosse fürs Stadtmagazin

Die 2002 ins Leben berufende inherne-Redaktion erinnerte sich an die literarischen Leistungen der „Edelfeder" und engagierte von der Gönna Anfang 2005 für eine Glossen-Rubrik. Aus der Sicht von der Gönnas: „Als Jahre später Inherne anfragte, war das wirklich schmeichelhaft, eine große Glosse fürs Stadtmagazin zu schreiben." Er griff lokale und kommunale Themen auf, zum Beispiel die Losung der Ruhrgebietsregenten, das ganze Revier sei eine Metropole („Ich frag mich dann immer, was eine Weltstadt ist. Eine, in der die Busse bis nachts um zwei fahren, aber an der Grenze zur Nachbarstadt immer zu fahren aufhören). Im Sinne der Stadt machte er sich über den Ranking-Fimmel lustig, bei dem Herne bekanntlich nicht immer vorteilhaft abschneidet: „Im Vergleich zu einem Elefanten ist jeder Affe ein famoser Kletterer."

Der Autor selbst scheint diese Zeit genossen zu haben: „Es war ein richtig großes Format, ich konnte viel ausprobieren, durfte Herner Lokalthemen mit verrückten Zeitgeist-Tendenzen aufeinandertreffen lassen. Die Texte für ‚inherne‘ waren immer eine besondere Herausforderung: zwischen ‚lustig sein‘ und ‚sich lustig machen‘ ist es ja oft nur ein schmaler Grat - und niemand sollte beleidigt werden. Bis heute ist das eine Linie meiner Arbeit: Florett ja, Vorschlaghammer nein.

Keine Angst vor großer Oper

Natürlich kam auch die von ihm geliebte Oper in seinen inherne-Glossen nicht zu kurz. Zwischen Oper und Herne gibt es sogar eine biografische Verbindung: Gegen Ende seines Studiums der Germanistik und Politikwissenschaft war der gebürtige Hertener an der Herner VHS jahrelang als Dozent tätig. Sein Dauerthema: "Keine Angst vor großer Oper".

Text: Horst Martens

Foto: Mathias Graben