Mit der VR-Brille auf Alltagssituationen vorbereiten
Ein neues Land, eine neue Umgebung eine neue Kultur – für Neuzugewanderte kann schon der Besuch in einer Apotheke ganz schnell zu einer großen Herausforderung werden. Wer im Vorfeld weiß, wie so ein Besuch abläuft, ist klar im Vorteil. Es können Ängste und Hemmschwellen abgebaut werden. Eine neue Technik soll dabei helfen.
Studierende des Skip-Instituts für angewandte Visualisierung gehen daher gemeinsam mit der Hochschule Fresenius in Köln der Frage nach: Kann der Gebrauch von VR-Brillen im Lernprozess das Wohlbefinden von Geflüchteten heben und somit ihre Motivation zum Spracherwerb und zur Integration erhöhen? Eine Antwort auf diese Frage will man auch in Herne finden. An der NRW-weiten Studie nehmen nämlich auch die Stadtbibliothek in Kooperation mit der VHS, dem Mulvany-Berufskolleg und dem Emschertal-Berufskolleg teil. „Wir freuen uns, dabei zu sein", betonte Ingrid von der Weppen, Leiterin der Stadtbibliothek Herne, während eines Pressegesprächs. Die Stadt Herne ist eine von zwölf Städten, in der die VR-Brille zum Einsatz kam. An insgesamt drei Tagen hatten rund 75 Testpersonen die Gelegenheit, eine Alltagssituation in einer Apotheke nachzuempfinden.
Die eine Hälfte tauchte mit Hilfe der VR-Brille in die virtuelle Realität ein und erlebte die Apotheke in einer 360-Grad-Ansicht. Die Probanden mussten hier selber agieren und reagieren, bestellten selber ein Medikament oder schilderten ihre Kopfschmerzen. Die andere Hälfte - die Studierenden bezeichneten sie als Kontrollgruppe – bekam einen klassischen Lehrfilm gezeigt. Im Anschluss mussten beide Gruppen ihre Gefühle und Empfindungen in einem Fragebogen dokumentieren. Dr. Malte Albrecht, der die Studie als Hochschuldozent wissenschaftlich begleitet, könnte sich vorstellen, dass in Zukunft noch weitere Szenarien aus dem Alltag in dieser Form abgebildet werden. „Vor eineinhalb Jahren gab es den Prototypen – einen Arztbesuch. Denkbar wäre aber auch eine Szene in einem Sportverein oder bei der Wohnungsanmeldung. Wir sind erst am Anfang, wir sind dabei, die Filme immer mehr zu verfeinern", erklärte Dr. Albrecht, der auch die Künstliche Intelligenz (KI) bei diesem Thema klar auf dem Vormarsch sieht.
„Die Teilnehmenden waren begeistert"
„Die Teilnehmenden waren begeistert", erklärte die stellvertretende VHS-Leiterin Elisabeth Schlüter nach Rücksprache mit meiner Dozentin über die Erlebnisse in der virtuellen Welt. Die VHS beteiligte sich mit Integrations- und Flüchtlingskursen an der Studie, die Berufskollegs mit internationalen Klassen. Für die Studie selber werden rund 500 bis 600 Fragebögen ausgewertet. „Die Auswertung läuft noch. Die Teilnehmenden, die die Brillen benutzten, äußerten sich fast durchweg positiv", erklärte Robin Wickenden, der die Studie als wissenschaftlicher Mitarbeiter begleitet. Die VR-Brillen sollen künftig auch für andere Projekte in der Stadtbibliothek zum Einsatz komme. Ingrid von der Weppen könnte sich zum Beispiel einen Rundgang durch das Anne Frank Haus vorstellen