Zusammenarbeit

Forschungszentrum Nachbergbau soll kommen

16. April 2021 | Wirtschaft

Hierfür wird ein Förderantrag auf den Weg gebracht, mit dem Mittel aus dem 5-Standorte-Programm akquiriert werden sollen. Um den vom Kohleausstieg besonders betroffenen Kommunen Perspektiven im Strukturwandel zu eröffnen, wird die Bundesregierung in Nordrhein-Westfalen fünf Standorte von Steinkohlekraftwerken bis 2038 mit maximal 662 Millionen Euro unterstützen. Herne ist einer der Standorte, die die zusätzlichen Fördermöglichkeiten in Anspruch nehmen können. Weitere sind Gelsenkirchen, Duisburg, Hamm und der Kreis Unna. Die Umsetzung des Programms und die Fördermittelzusagen erfolgen durch das Land NRW. Ein strategischer Beirat und ein Strukturstärkungsrat bewerten entsprechende Vorschläge.

Für die Stadt Herne ergäben sich aus der Hochschulansiedelung große Chancen, den eingeleiteten zukunftsorientierten Umbau der Stadt weiter voranzutreiben. Die angestrebte Ansiedlung des Forschungszentrums Nachbergbau (FZN) im Funkenbergquartier nahe dem Herner Bahnhof spielt bei der Stärkung des lokalen Arbeitsmarktes und des regionalen Wissenschaftsstandortes eine bedeutende Rolle. „Mit der Ansiedlung des FZN können wir in Herne neue Perspektiven für die Spitzenforschung im Herzen des Ruhrgebiets aufzeigen und einen großen Schritt für unsere künftige Stadtentwicklung machen“, sagt Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda und beschreibt die Bedeutung dieser konkreten Pläne für die gesamte Stadt und das Ruhrgebiet. Gemeinsam mit dem Urban Art Center Ruhr, das in der Wanner Innenstadt entstehen soll und einer weiteren wissenschaftlichen Spitzeneinrichtung, die die Stadt in der kommenden Woche vorstellen möchte, ergeben sich für Herne aussichtsreiche Perspektiven mit regionaler Strahlkraft, die im Rahmen des 5-Standorte-Programms zeitnah umgesetzt werden könnten. „Wir haben beim FZN ganz starke und zuverlässige Partner an unserer Seite, dafür sind wir der THGA und der RAG-Stiftung ausgesprochen dankbar“, erklärt Dr. Dudda.

  • Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda. ©Frank Dieper, Stadt Herne

Das Forschungszentrum Nachbergbau wurde gemeinsam von RAG-Stiftung und THGA initiiert und 2015 gegründet. „Wir haben in den letzten Jahren über unsere finanzielle Förderung des FZN wesentliche Aufbauarbeit geleistet und werden auch künftig ein verlässlicher Partner der THGA und des Forschungszentrums sein. Dennoch ist es an der Zeit, das Engagement für das FZN auf mehrere starke Schultern zu verteilen“, betont Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Mitglied im Vorstand der RAG-Stiftung und Vorsitzende des Hochschulrates der Technischen Hochschule Georg Agricola anlässlich des Termins. „Deshalb setzen wir uns gemeinsam mit der Stadt Herne dafür ein, dass das FZN die Förderung erhält, die dafür nötig ist. Zusätzlich treiben wir damit auch die erfolgreiche Transformation unserer Region weiter voran“, so Bergerhoff-Wodopia.

Bergbau hinterlässt Spuren
Mit ihnen verantwortungsvoll umzugehen, ist nicht nur in Deutschland, sondern international eine große Herausforderung. Seit seiner Gründung bündelt das Forschungszentrum Nachbergbauder Technischen Hochschule Georg Agricola das nötige Know-how, um die Folgen des Bergbaus technisch, ökonomisch und umweltverträglich zu gestalten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen interdisziplinär, wie sich die komplexen Aufgaben rund um Zechenschließung und Folgenutzung gestalten lassen – und nehmen vor allem die Zukunftspotenziale in den Blick. Die Einrichtung ist damit weltweit einzigartig. Aus dem integrativen Ansatz ergeben sich bis heute die vier Forschungsbereiche Ewigkeitsaufgaben und Grubenwassermanagement, Geomonitoring im Alt- und Nachbergbau, Materialwissenschaften zum Erhalt und zur Neunutzung des industriellen Erbes sowie Reaktivierung und Transition.

Dabei wird auch das FZN selbst immer vielschichtiger und wächst stetig mit seinen Aufgaben: Als zukunftsweisende Institution für Mensch, Natur und Umwelt in ehemaligen Bergbauregionen will es sich künftig weiterentwickeln zum Deutschen Forschungszentrum Nachbergbau (DFZN). „Wir untersuchen die Folgen des Bergbaus in allen Facetten. Unsere Reputation und unsere Forschungsfelder wollen wir in den nächsten Jahren noch weiter ausbauen und die kompetente Anlaufstelle für alle wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen zum Nachbergbau sein“, erklärt Prof. Dr. Ulrich Paschedag, Leiter des Forschungszentrums. „Deutschlandweit und international bestens vernetzt wird das DFZN so zum ‚Think Tank‘ für Nachbergbau weltweit und übernimmt eine wichtige Vorreiterrolle. Außerdem trägt es zu nachhaltigen, ganzheitlichen Konzepten zur Gewinnung von Georessourcen in Deutschland, in Europa und in der Welt bei und ist damit ein unverzichtbarer Bestandteil für die langfristige Umsetzung der Rohstoffstrategien in Deutschland und der EU.“

Ein neuer Standort in Herne eröffnet für die Weiterentwicklung hin zum DFZN ganz neue Perspektiven, erklärt THGA-Präsident Prof. Dr. Jürgen Kretschmann: „Leider sind die räumlichen Kapazitäten in unserem historischen Hochschulgebäude in Bochum sehr begrenzt. Mit einem Neubau in Herne hätten wir die Möglichkeiten, mehrere Labore auf Weltklasseniveau einzurichten und die Forschungstätigkeiten auszuweiten.“ Auch eine ausreichende Anzahl an Büros, Seminarräume, eine Bibliothek und ein Archiv sind in Planung. Ab circa 2025 könnten so 60 bis 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zentral an einem Ort alle Fragen des Nachbergbaus bearbeiten und damit einen bedeutenden Beitrag zur Stadt- und Regionalentwicklung und zum Transfer in die Gesellschaft leisten. „Trotzdem wird das DFZN natürlich weiter eng mit der THGA in Bochum verbunden bleiben“, sagt Prof. Kretschmann. Von der neuen Ausstattung soll nämlich auch der Masterstudiengang „Geoingenieurwesen und Nachbergbau“ in besonderer Weise profitieren. In dem einzigartigen Studiengang werden Expertinnen und Experten an der Schnittstelle zwischen Bergbau, Vermessung und Geotechnik ausgebildet. Sie kennen sich aus mit den Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen, die durch den Rohstoffabbau nötig werden, und sind auf dem Arbeitsmarkt stark gefragt.

„In den neuen Speziallaboren hätten unsere Studierenden und jungen Wissenschaftler die Möglichkeit, in exzellent ausgestatteter Umgebung, eigene Projektarbeiten und Untersuchungen durchzuführen“, sagt Prof. Kretschmann. „Dabei sind sie nur eine U-Bahnfahrt von der THGA entfernt. Und zwar ohne Umsteigen.“ Gleichzeitig könnten die Erkenntnisse des DFZN so noch unmittelbarer in den Studiengang und die Promotionsseminare einfließen, so dass die Absolventinnen und Absolventen sowie die Doktoranden immer mit den aktuellsten Entwicklungen in der Nachbergbau-Forschung vertraut sind, so Kretschmann. „Ein unschlagbares Wissen – auch international.“