Shoah-Mahnmal

Gegen das Vergessen, gegen Unmenschlichkeit, Gewalt und Terror

27. Januar 2015 | Gesellschaft

Auch aus Herne und Wanne-Eickel wurden Menschen nach Auschwitz und in andere Vernichtungslager deportiert und dort ermordet. Gegen das Vergessen der Shoah und gegen Unmenschlichkeit, Gewalt und Terror in unserer Zeit setzte auch in diesem Jahr die Stadt Herne in einer großen Veranstaltung engagierte Zeichen der Versöhnung und Hoffnung und setzte damit die Erinnerungs- und Gedenkarbeit der letzten 10 Jahre eindrucksvoll fort. Seit Januar 2010 trägt ein Stein auf dem Willi-Pohlmann-Platz vor dem Kulturzentrum die Namen aller 400 bekannten jüdischen Opfer aus Herne und Wanne-Eickel. Neben den verschiedenen ganz persönlichen Erinnerungsorten im Stadtbild war dieses zentrale Mahnmal geschaffen worden, um nicht zu vergessen, was geschehen ist und was bis heute verstörend und unfassbar bleibt, der millionenfache Mord an den Juden.

  • Die Klasse 8 a des Gymnasiums Wanne gaben den Opfern des Nationalsozialismus ein Gesicht. @ Stadt Herne, Michael Paternoga

„Am 70. Jahrestag wird uns bewusst: bald wird es keine Zeitzeugen mehr geben, die uns berichten können", in seiner Anmoderation machte der Herner Historiker Ralf Piorr sehr deutlich, was diese Tatsache bedeutet. „Für das Erinnern und Gedenken werden allein wir, und die kommenden Generationen die Verantwortung tragen!"

Um so größer war deshalb auch noch einmal die Freude von Oberbürgermeister Schiereck die Zeitzeugin Esther Hocherman und ihre Tochter Irit Matan zu begrüßen, die aus Israel angereist waren, sowie zwei weitere Verwandte von Frau Hocherman, Lester und Jeff Christie aus England.

Esther Hocherman besuchte Herne zuletzt im Jahr 2010 anlässlich der Einweihung des Mahnmals und hatte den Wunsch geäußert, zum 70. Jahrestag des Gedenkens noch einmal in Herne zu sprechen. Sie zeigte sich überaus dankbar für die Restaurierung des Shoah-Mahnmals. „Zum Glück wurde nur der Stein geschändet und es wurden keine Menschen angegriffen."

Bedeutend war es für sie, auch diesmal wieder auf junge Menschen zu treffen, die sich für die Geschichte der Juden in ihrer Heimatstadt interessierten, die sie selbst mit einem Kindertransport verließ. "Das war am 6. Februar 1939, in der letzten Minute. Kinder durften nur mitnehmen, was sie alleine tragen konnten. Und so packte meine Mutter in meinen kleinen Leder-Schulranzen Kleidung und zog mir doppelte Unterwäsche an." Am Bahnsteig sah Esther Hocherman ihre Mutter zum letzten Mal „dann war ich alleine und musste für mich selbst sorgen. Ich war 7 ½ Jahre alt."

In bewegenden Worten richtete Esther Hocherman deshalb ihren Wunsch und ihr Vermächtnis an die zahlreich anwesenden Schülerinnen und Schüler: „In Europa hat sich in der letzten Zeit sehr vieles verändert. Es bläst ein neuer Wind, nicht immer zum Guten. Aber jeder Mensch kann selber wählen, wie er sich entscheidet, ob gut oder schlecht… Ich spreche zu Euch in der Hoffnung, dass wir alle eine menschlichere Welt aufbauen werden, ohne Neid, Hass und Zorn, ohne Fanatismus, eine Welt in der alle Menschen gleich sind und gleich behandelt werden."

Ehrengast Esther Hocherman besuchte Herne zuletzt im Jahr 2005. Das Stadtmagazin "inherne" berichtete über sie im Februar 2005. Aus aktuellem Anlass veröffentlicht "inherne" den Bericht ein weiteres Mal. Hier gelangen Sie zum Bericht: “Das kleine deutsche Mädchen Edith ist nicht mehr”.

Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse des Gymnasiums Wanne hatten mit ihrer Schulleiterin Diethild Langrock-Kraß einen ganz besonderen Beitrag zu diesem Tag vorbereitet. In einer biographischen Lesung erinnerten sie an Einzelschicksale aus Herne und Wanne-Eickel. Zu Wort kamen so z. B. noch einmal Channa Birnfeld, Walter Nussbaum und Liesel Spencer. Die Schülerinnen und Schüler verlasen aber auch die Namen aller deportierten und ermordeten jüdischen Kinder und Jugendlichen aus unserer Stadt.

Die Gedenkfeier im gut gefüllten Saal des Kulturzentrums wurde musikalisch begleitet durch das Trio Cantabile unter Leitung von Christian Ribbe.

  • Lester und Jeff Christie, Verwandte von Esther Hocherman, reisten extra aus England an, um Gebete zu sprechen. @ Stadt Herne, MichaelPaternoga

Im Anschluss an die Veranstaltung lasen die Brüder Jeff und Lester Christie am Mahnmal aus einem Gebetbuch, ihrer Mutter, einem der wenigen Gegenstände, die sie bei ihrer Flucht aus Deutschland mitgenommen hatte und das sie nun für die Gedenkstunde nach Herne zurückgebracht hatten. Nach diesem bewegenden Moment sang Aaron Naor, Vorbeter der Jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen das jüdische Totengebet. Gemeinsam sprachen Dechant Christian Gröne, Kath. Dekanat Emschertal, und Superintendent Reiner Rimkus, Ev. Kirchenkreis Herne, ihr Gebet für die Opfer und für den Frieden zwischen den Religionen.

Oberbürgermeister Schiereck beendete die Zeremonie mit der Bitte um eine Schweigeminute. Zuvor hatte er ein eindeutiges Statement zur Bedeutung des Shoah-Mahnmals formuliert: „Dieses Mahnmal ist ein Symbol für uns. An diesem Stein erinnern wir an die Opfer der Shoah aus Herne und Wanne-Eickel. Wir nennen ihre Namen. Sie erzählen uns von ihrem Leben unter der Verfolgung. Ihre Geschichten offenbaren, wie geschehen konnte, was geschah. Am Ende der Zeitzeugenschaft wird das Shoah-Mahnmal selbst zu einem „Zeitzeugen". Deshalb gehört es an diesen Platz. Es stellt sich uns entgegen. Es steht im öffentlichen Raum und genau hier ist es notwendig. Mit unserem offenen Blick auf die Shoah verpflichten wir uns, die Würde eines jeden Menschen in unserer Stadt zu achten und zu schützen und gegenüber allen Anfechtungen wachsam zu bleiben."

 Hier gelangen Sie zur Rede des Oberbürgermeisters.