Gegenseitige Befruchtung
In den Flottmann-Hallen ist eine Ausstellung zu bestaunen, in der behinderte und nicht behinderte Künstler, zu Paaren formiert, eindrucksvolle künstlerische Arbeiten abliefern. Obwohl: Hinter den Attributen "behindert" und "nicht behindert" sollte ein Fragezeichen stehen - so unterschiedlich sind die Einschränkungen und so unklar ist, was einen wirklich bei der Arbeit behindert.
Titel der Ausstellung "Tandemgeflüster IV - ein künstlerischer Austausch von Künstler*innen mit und ohne Behinderung." Organisiert hat das Projekt Renate Frerich, die Gruppenleiterin des Ateliers "Werkstattarbeit" der AWO-Werkstätten Dortmund ist, in dem Künstler mit unterschiedlichen Behinderungen seit 2009 arbeiten. "Sie kommen jeden Tag und malen. Ihre Hauptbeschäftigung ist die künstlerische Auseinandersetzung", sagt Frerich.
Flottmann-Hallen: Tandemgeflüster IV - ein künstlerischer Austausch von Künstler*innen mit und ohne Behinderung / mit Renate Frerich und 13 Tandempaaren. Ausstellungsdauer: 20.1.-25.2.2018. Eröffnung: 20. Januar, 17 Uhr. Öffnungszeiten: Di-So 14-18 Uhr.
Insgesamt zwölf Tandempaare sind an diesem Projekt beteiligt, die an vier Ausstellungsorten präsentiert werden. Start war schon 2014 im RWE-Tower in Dortmund. Wie an den anderen Orten kommt auch in Herne ein Künstlerpaar hinzu: Es handelt sich um Rita Grzesiak aus Herne und Gudrun Kattke aus Lünen. "Wir sehen uns heute zum ersten Mal", verratten sie bei der Pressekonferenz. "Aber unsere gemeinsame Arbeit dauerte etwa drei Monate." Gudrun Kattke hat eine "Porta Pouches" geschaffen, ein Portal aus durchsichtigen Folien, die in Form von Kuben montiert sind, die zahlreiche Fundstücke enthalten (Servietten, Karten, Gemälde - aus einem Fundus von 50.000 Exponaten ausgewählt). Durch dieses über zwei Meter hohe Tor schaut man direkt auf die farbigen vielbevölkerten Bildern von Rita Grzesiak.
Nicht die Eloquenz, sondern die Ausdruckskraft
Ausstellungsleiterin Jutta Laurinat war von der Ausstellung von Anfang an überzeugt: "Ich finde das Projekt sehr spannend. Nicht immer ist eindeutig, von welchem Tandempartner eine Arbeit stammt", schmunzelt sie. "Passiert ist eine Menge", sagt die Organisatorin Renate Frerich, "die Einzelnen haben ihre Sichtweise geändert." Gudrun Kattke bestätigt dieses: "Es war ein wenig so, wie wenn sich fremde Kulturen begegnen." Willi Otremba, Dortmund: "Mir gefällt, dass wir uns mit den Werkstatt-Künstlern nicht über ihre Behinderung, sondern in erster Linie auf einer künstlerischen Ebene auseinander setzen. Mit meinem Tandem, ein toller Typ, konnte ich mich nicht verbal mitteilen, sondern nur über die Bilder. Aber da stellt sich die Frage, was wir mit unseren Bildern tatsächlich sagen." Es kommt also nicht auf die Eloquenz an, sondern auf die Ausdruckskraft der Arbeiten.
Andere Sichtweisen
Mit Schaffenskraft und Herzblut
Sybille Hassinger, Dortmund, berichtet: "Mein Partnerkünstler Erwin Lattemann hat eine ungeheure Schaffenskraft entwickelt. Wenn ich nach dem Frühstück zu ihm kam, hatte er schon 30 Bilder gemalt. Er ist ein richtiger Herzblutmaler. Das fand ich sehr befruchtend. Diese Werkstattkünstler sind viel freier, sie lassen sich in kein Korsett zwängen." Befruchtend fanden das auch andere Künstler, weshalb sie zur Ausstellungseröffnung am Samstag, 20. Januar, auch aus Berlin, Leipzig oder Reutlingen anreisen.
Horst Martens
Die 12 Tandempaare sind: Elke Friedrich (Atelier Werkstattarbeit) - Magdalena Drebber, Rackwitz || Katja Griebel, (A. W.) - Manfred Gliedt, Düsseldorf || Yvonne Keidies, (A. W.) - Oli Hilbring, Bochum || Erwin Lattemann, (A. W.) -Sybille Hassinger, Dortmund || Isabelle Maciolek (A. W.) - Ruth Habermehl, Leipzig || Thomas Schmitz (A. W.) - Ulrich Möckel, Beckum || Nadine Schulz (A. W.) - Matthias Beckmann, Berlin || Merve Sedit (A. W.) - Yvonne Kendall, Reutlingen || Marion Weirauch (A. W.) - Peatc Vossmann, Dortmund. Tobias Jessberger - Willi Otremba.||- Gastpaar in den Flottmann-Hallen: Rita Grzesiak, Herne - Gudrun Kattke, Lünen.