Geschichte einer Ehe
Am 1. Januar 1975 schlossen sich die Stadt Herne und die Stadt Wanne-Eickel zur neuen Stadt Herne zusammen. Bis heute handelt es sich bei dieser Verbindung in unserer Stadt bisweilen um ein emotional besetztes Thema. Inherne zeichnet die Vorgeschichte der Städteehe nach und spricht mit zwei Zeitzeugen, die vor vier Dekaden das Werden der neuen Stadt mitgestalteten.
Die Emotionen schlagen bisweilen noch heute hoch, wenn es um einen vom Land NRW angestoßenen Prozess geht, der unser Bundesland verändert hat wie keiner vor und nach ihm. Die Städteehe zwischen Herne und Wanne-Eickel war nämlich alles andere als ein Einzelfall. Überall zwischen Rhein und Weser entstanden im Zuge des der kommunalen Neugliederung zwischen 1968 und 1975 veränderte Städte und Landkreise. Wie sehr die Menschen dieses Kapitel der Stadtgeschichte bewegt, manifestierte sich erst vor zwei Jahren, als eine öffentliche Diskussion darüber entstand, das alte Wanne-Eickeler KFZ-Kennzeichen WAN wieder einzuführen. Grundlage dafür war eine gesetzliche Regelung des Bundes, die ausgelaufenen Nummernschilder wieder zuzulassen.

Seit dem Jahreswechsel 1974/1975 die neue Stadt Herne als Ergebnis des „Gesetzes zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise des Neugliederungsraumes Ruhrgebiet" (so der offizielle Titel des grundlegenden Landesgesetzes) erstand, war ein langer Weg, voller Irrungen und Wirrungen, Konferenzen, Arbeitsbesprechungen und Modelle für die kommunale Neuordnung zurückzulegen. Dieser Weg wurde damals mit Argusaugen von einer kritischen Bürgerschaft begleitet, auf die an späterer Stelle der Titelgeschichte inherne-Autor Jochen Schübel eingeht.

Nur nicht Bochum?
Um eine Grundlage für die Neugliederung des Ruhrgebiets zu schaffen, berief das NRW-Innenministerium eine Arbeitsgruppe ein, die sich ein Bild von der Lage im Revier verschaffen sollte. Diese, nach ihrem Leiter Dr. Eising benannte, Eising-Kommission, traf sich auch mit den Vertretern beider Städte. Im Zuge der Planungen entstanden Überlegungen, dass Herne und Wanne-Eickel Teile des benachbarten und größeren Bochums werden sollten - gemeinsam mit WAT und WIT, Wattenscheid und Witten. Offenbar eine Schreckensvision, der Anfang 1972 mit einer Initiative Hernes unter Federführung des Oberstadtdirektors Ostendorf begegnet wurde. Sie sah vor, einen Verbund der Emscherstädte Herne, Wanne-Eickel, Castrop-Rauxel und Recklinghausen zu schaffen – und scheiterte. Etwas mehr als ein Jahr später war der Plan passé. Zunächst verabschiedete sich Recklinghausen aus dem Konzept, wenig später dann der östliche Nachbar Castrop-Rauxel. Das Schreckgespenst „Eingemeindung nach Bochum" tauchte wieder am Horizont beider Städte auf.
Gemeinsamer Weg
Nachdem also eine Initiative auf Verwaltungsebene gescheitert war, kam der nächste Impuls aus der Politik. Schon im März 1973 vermeldete die WAZ Gerüchte darüber, dass Herne und Wanne-Eickel einen gemeinsamen Weg einschlagen könnten. Die Gerüchte verdichteten sich und am 14. Mai 1973 sprach sich die Landtagsfraktion der SPD für den Plan der Städteehe aus sowie dafür, dass Recklinghausen und Castrop-Rauxel Teile des bereits bestehenden Landkreises Recklinghausen werden sollten. Erstmals im August 1973 tagten die Räte beider Städte gemeinsam, schon am 17. Oktober 1973 unterzeichneten die Oberstadtdirektoren Ostendorf und Hufeld einen notwendigen Gebietsänderungsvertrag. Er war für die die Verabschiedung des Landesgesetzes zur Schaffung der neuen Stadt Herne im Landtag erforderlich.

Zu wenige Unterschriften
Nicht überall stieß die kommunale Neugliederung auf Gegenliebe. So entstand die „Aktion Bürgerwille", deren Ziel es war, die bestehenden Städte, Gemeinden und Kreise weitgehend unverändert fortbestehen zu lassen. Unter Leitung des Wattenscheider Vereins initiierte das Bündnis das erste Bürgerbegehren in NRW, mit dem Ziel, den neuen Zuschnitt zu verhindern. Es scheiterte, die erforderlichen 2,4 Millionen Stimmen kamen landesweit nicht zustande. Es waren lediglich 720.000. Gleichwohl verdeutlichen die 22.000 Stimmen, die für das Volksbegehren aus Wanne-Eickel kamen, dass dort gut ein Drittel der Stimmberechtigten sich für den Erhalt der bestehenden Stadt Wanne-Eickel aussprach. Die Herner hingegen beteiligten sich kaum.
Die neue Stadt organisiert sich
In der Folge ging es in den jeweiligen Verwaltungen und vielen Organisationen hoch her, schließlich galt es die beiden Kommunen nicht nur auf dem Papier zusammenzuführen: Ämter und Straßennamen, Einrichtungen und Parteien, kommunale Unternehmen und vieles mehr bedurften der Anpassung. Dies geschah weitgehend reibungslos. Die neue Stadt Herne „funktionierte" schnell und erfolgreich. Manches aber braucht etwas Zeit, manchmal sogar 40 Jahre und länger. Man denke an die beiden unterschiedlichen Telefonvorwahlen im Stadtgebiet.
Text: Christoph Hüsken