Grachten schützen vor Folgen des Klimawandels
Spätestens durch die Hochwasser-Ereignisse im Juli 2021 ist deutlich geworden: Der Klimawandel stellt Städte vor große Herausforderungen. Am Dienstag haben Emschergenossenschaft und Lippeverband Vertreterinnen und Vertreter der Stadträte aus dem Emscher-Lippe-Gebiet zu einer Rundtour eingeladen. Stadtentwicklung, Hochwasserschutz und klimaresilienter Umbau können und müssen Hand in Hand gehen. Das zeigten die Wasserwirtschaftsverbände anhand von Beispielen wie dem Gewerbegebiet Hibernia.
Foto: Im Gewerbegebiet Hibernia in Herne dient ein Grachtensystem der Regenwasserbewirtschaftung, so gelangt die Ressource Regenwasser nicht in die Mischwasserkanalisation. Auch hier machte die Gruppe Station. ©Kirsten Neumann/EGLV
Klimadaten zeigen es, Klimaforscher sagen es voraus: Wetterextreme mit Starkregen-Ereignissen, Dürrephasen und Hitzesommern nehmen auch in unseren Breitengraden zu. Schon heute sind die Jahresdurchschnittstemperaturen in Nordrhein-Westfalen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen um 1,6 Grad gestiegen. Pro Jahr gibt es in Deutschland durchschnittlich zwölf Frosttage weniger als vor 100 Jahren und im Hochsommer heizen sich die Innenstädte um bis zu zehn Grad mehr auf als Bereiche am Stadtrand.
Zukunftsvisionen für eine klimaresiliente Stadt
Politik und Verwaltung stehen vor der Aufgabe, die Städte an die Herausforderungen des Klimawandels anzupassen, die Wasserwirtschaftsverbände müssen den Hochwasserschutz gewährleisten. Wie sieht eine Stadtplanung mit Blick darauf aus? Wie müssen Flächen, Straßen, Schulhöfe, Spielplätze, Wohnquartiere oder Gewerbegebiete gestaltet werden, um einen positiven Beitrag für das Mikroklima zu leisten, klimarobust und Hochwasser-geschützt zu sein?
„Stadtplanung und Wasserwirtschaft müssen konsequent zusammen gedacht werden. Dazu dient auch das städtebauliche Prinzip der Schwammstadt, mit dem der natürliche Wasserkreislauf gestärkt, Regenwasser als Ressource genutzt und der Schutz vor Starkregenfolgen verbessert werden. Dabei stehen wir den Kommunen mit unserer Expertise zur Seite“, sagte Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender von EGLV, anlässlich der Tour mit den Ratsvertreterinnen und -vertretern. „Obwohl wir alle gesetzlichen Vorgaben zur Hochwasservorsorge einhalten und mit dem Schutzniveau deutlich darüber hinausgehen, reicht dies vor dem Hintergrund des Klimawandels nicht mehr aus.“
Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand der Wasserwirtschaftsverbände, führte aus: „Wir müssen auch innerstädtisch mehr Retentionsflächen schaffen, die im Starkregenfall dem Wasser mehr Raum lassen und dafür sorgen, das Niederschlagswasser von der Mischwasserkanalisation abzukoppeln. Das entlastet das System und schützt gleichzeitig vor Überflutungen.“
Projekte wie das Gewerbegebiet Hibernia in Herne, bei dem Klimafolgenanpassung mitgedacht und umgesetzt wurde, leisten einen wichtigen Beitrag zum Hochwasserschutz, zur Aufwertung städtischer Flächen und zum klimafesten Umbau des Ruhrgebiets. Die Verbände werben dafür, Flächen zu entsiegeln, Platz für mehr Stadtgrün zu schaffen, Dächer und Fassaden zu begrünen und Regenwasser als Ressource zu nutzen, indem es vor Ort versickern kann (zum Beispiel Anlegen von Versickerungsmulden) oder gespeichert wird (Rigolen-Bau). So kann es der Bewässerung dienen und über Verdunstung die Umgebung kühlen.
In der Zukunftsinitiative Klima.Werk setzt sich die Emschergenossenschaft zusammen mit den Städten schon länger für eine solche wasserbewusste Stadt- und Raumplanung ein. Ein weiteres Ziel der Bustour war auch eine Maßnahme in Bochum, die der Wasserwirtschaftsverband als Partner in dem Netzwerk mit den Kommunen umgesetzt hat. Wie Hochwasserschutz, mehr Klimaresilienz und Lebensqualität realisiert werden können, zeigte auch die Station in Dortmund: Der Phoenix-See ist nicht nur eine innerstädtische Wasserfläche mit Freizeit- und Wohnwert, sondern auch ein Hochwasserrückhaltebecken.
Maßnahmen im Gewerbegebiet Hibernia
Im Bereich des Gewerbegebietes Hibernia an der Holsterhauser Straße bzw. Lindenallee dient ein Grachtensystem der Regenwasserbewirtschaftung. Das Niederschlagswasser von Dach- oder Straßenflächen sowie anderen versiegelten Flächen wird nicht in die Mischwasserkanalisation eingeleitet, sondern in die Grachten. Von dort aus wird es dem Schmiedesbach zugeführt. Ein natürliches Gewässer, das früher auf dem Gelände seinen Quellbereich hatte und welches im Rahmen des Projekts komplett wieder an die Oberfläche zurückgeholt wurde.
Auch aus südlich angrenzenden Bereichen bis zur Flottmannhalle wird den Grachten auf dem Hiberniagelände in offenen Gräben Niederschlagswasser zugeführt, das vor der Umgestaltung in die Mischwasserkanalisation und dann zur Kläranlage geleitet wurde. Die offenen Wasserflächen tragen zur Verdunstungskühlung bei, werten das Areal stadtplanerisch auf und verbessern die Aufenthaltssituation. Das Projekt wurde durch die Stadtentwässerung Herne mit Fördermitteln des Landes NRW und der Emschergenossenschaft umgesetzt.