Brauerei

Hanno Dähne lebt in einem Bierfass

23. März 2022 | Gesellschaft
Foto: Hanno Dähnes Haus sieht aus wie ein Bierfass. Er hat es selbst konstruiert. ©Pascal Alius

Wer Hanno Dähne zu Hause besucht, ist gleich mitten im Thema. Sein Haus fällt zwischen den Siedlungshäusern in Hernes Norden auf. Es ist rundlich geformt, sieht aus wie ein Bierfass und mehrere Reihen metallener Platten laufen übers Dach bis zum Boden. Im Hausflur riecht es süßlich-malzig. Die Duftspur führt über eine schmale Wendeltreppe in den kleinen Braukeller. Zwei große Kessel, dutzende Kabel und Schläuche, die quer durcheinanderlaufen. Es ist eng. Alles hier hat er selbst gebaut. Willkommen in der Aktionsbrauerei Dähne.

Der 58-Jährige trägt eine Arbeitshose und einen Pullover mit dem Logo seiner Brauerei, sein Name vor einem Bier mit Schaumkrone. Während er durch den Keller führt, erzählt er, dass er sein rundliches Haus selbst konstruiert und auf Energieeffizienz getrimmt habe. Nachhaltigkeit ist ihm wichtig. Für maximale Energieeffizienz müsste es eigentlich eine Kugel sein, sagt er: „Aber darin lässt sich schlecht leben“, so Hanno Dähne.

Auch beim Bier ist er ein Selbermacher. Dähne liebt die Mischung aus Tüftelei und Genuss. Er liebt es, immer wieder seine Brautechnik zu optimieren und anschließend das Bier zu trinken, das ganz nach seinem Geschmack ist. Dass das Bierbrauen ihn viel Zeit kostet, nimmt er in Kauf. Er ist selbstständig und vermietet Wohnungen, so kann er es einrichten.

Bier durch Windeln filtern
Schon als 14-jähriger Junge begeisterte sich Hanno Dähne für Bier. Zusammen mit seinen Freunden probierte er damals verschiedene Sorten, um das passende Bier für den „Feten“-Masseneinkauf zu finden. „Ein gutes Bier für einen guten Preis“, das sollte es werden. Er erinnert sich noch genau, wie sie damals zu fünft in seinem Zimmer saßen. Auf dem alten Holztisch standen verschiedene Flaschen. Am Ende kürten sie „Felsenkrone” zum Sieger – ein dünnes, einfaches Bier zum unschlagbaren Preis von 3,79 D-Mark pro Kasten.

Diese Preise sind längst Vergangenheit. Doch Bier spielt in seinem Leben immer noch eine wichtige Rolle. Seit 1989 braut Hanno Dähne nun schon sein Eigenes. Mithilfe des Buches „Das Hobbythek Buch Nr. 7: Bier selbstgebraut “ von Jean Pütz wagte er die ersten Brauversuche in der Küche seiner Mutter. Um den Hopfen aus dem Bier zu filtern, spannte der junge Hanno damals eine Stoffwindel zwischen zwei Stuhlbeine. Seine Mutter ärgerte sich über eine versaute Küche, das Bier war ungenießbar. Doch Hanno Dähne blieb dran. Es musste doch besser gehen.

Negativer Bierertrag
Als Elektroingenieur machte er sich daran, den unausgegorenen Brauprozess zu verfeinern. Inzwischen steuert er die Temperatur seines Maischekessels automatisiert per Mikrocontroller. Gerätschaften weiterzuentwickeln, Abläufe zu optimieren und die Kapazitäten zu erweitern, das macht ihm einfach Spaß. Bei seinen ersten Brauversuchen braute Hanno Dähne zehn Liter Bier am Tag und trank währenddessen mit einem Freund 15 Liter. Heute braut er mit einem Durchlauf 150 Liter Bier und trinkt jeden Abend eine Flasche seines eigenen Bieres – zur Qualitätskontrolle. Das Brauen an sich sei inzwischen Routine, sagt Hanno. Doch eines bleibt immer spannend: Wie schmeckt das Bier am Ende?

  • Das geschrotete Gerstenmalz wird zusammen mit dem Wasser zur Maische. ©Pascal Alius

Regionale Zutaten
Doch bis das Bier, das er gerade braut, den Geschmackstest besteht, dauert es noch eine Weile. Hanno Dähne steht auf einer Bierkiste und rührt mit einem riesigen Paddel im Maischekessel. Darin befindet sich ein Gemisch aus Wasser und geschrotetem Gerstenmalz – die Maische. Die Szene könnte aus einem Asterix und Obelix-Comic stammen, in dem der Druide Miraculix gerade seinen Zaubertrank zubereitet. Doch auch wenn er optisch keine Ähnlichkeit zu dem Gallier hat, ein bisschen Zauberei geschieht auch in Hannos Kessel. Dort verwandelt sich die erhitzte Maische in Würze.

Und genau wie Miraculix, der seine Mistelzweige aus den heimischen gallischen Wäldern sammelt, versucht auch Dähne seine Zutaten so regional wie möglich einzukaufen. Gelingen tut es – meistens. Das Gerstenmalz kommt von Avangard aus Gelsenkirchen und der Hopfen vom Bodensee, aber durchaus auch aus den fernen USA. Das Wasser zum Kühlen entnimmt er seiner Zisterne und der Strom kommt teilweise vom eigenen Solardach.

„Man wird geil auf diesen Stoff!“
Nachdem all der Zucker aus dem Malz herausgelöst ist – als Futter für die Hefe beim Gärprozess – pumpt der Herner die Würze in den Sudkessel. Dort kocht sie 70 Minuten vor sich hin. Hanno Dähne schüttet den Bitterhopfen durch eine kleine Öffnung im Deckel in den Kessel. Vom Hopfen kann er nicht genug bekommen: Hanno Dähne trinkt Biere, die sind so bitter, dass der Durchschnittsbiertrinker sie nicht runterbekommen würde.

Der Aromahopfen kommt erst fünf Minuten vor Ende des Kochens in den Sud und seine Öle sorgen bei seinem Osterbier dafür, dass es fruchtig schmeckt: von Maracuja über Pfirsich bis zu Litschi. „Das schmeckt wie ein ganzer Obstgarten“, sagt er und lächelt: „Und das überzeugt auch Weintrinker.“

Bier gärt in der Flasche
Nachdem die Würze genug gekocht hat, muss er sie wegen der Keimgefahr schnell herunterkühlen. Wenn das Bier nicht schmeckt, dann ist in den meisten Fällen die fehlende Sauberkeit schuld daran. „Putzen ist das A und O”, sagt Dähne. Deshalb reinigt er seine Kessel und Schläuche sehr gründlich. Früher benutzte er „Eisbomben” – PET-Flaschen gefüllt mit gefrorenem Salzwasser –, um die Würze herunterzukühlen. Jetzt ist das Kühlsystem in den Kessel integriert. Anschließend kommt die Würze zusammen mit der Hefe in einen Gärbottich.

Dieser steht dann für acht Tage im Kühlraum, bevor das Bier in Flaschen abgefüllt wird. Anders als große Brauereien arbeitet Dähne mit der Flaschengärung: Das Bier erreicht seinen finalen Alkoholgehalt und Geschmack erst, nachdem es nochmal ein bis zwei Monate oder auch länger – je nach Biersorte – in der Flasche gegärt hat. Eine Zeit mit einem gewissen Risikopotenzial: Denn wird in dieser Wartephase zu viel Kohlensäure produziert, dann platzt schnell mal die Flasche.

Gegen Massenbierhaltung
Doch wozu der ganze Aufwand? „Biere von Industriebrauereien schmecken alle gleich“, sagt Dähne: „Nüchtern und langweilig.“ Hanno will Industriebieren Paroli bieten und Bier mit Heimatbezug herstellen. Er mag charakterstarkes Bier wie sein Pils und sein Indian Pale Ale (IPA). Wäre sein Pils ein Tier, dann wäre es ein geschmeidiger Jaguar, sagt Dähne. Sein IPA wäre ein Pandabär: süß, angenehm und kuschlig.

Im Gegensatz zu vielen anderen Hobbybrauern und Craftbeer-Brauern hält Hanno Dähne am Reinheitsgebot fest. Wenn man es draufhabe, dann gehe es auch ohne exotische Zutaten wie Orangenschalen. Er liebt die Herausforderung, aus begrenzten Zutaten verschiedene Geschmacksnoten von malzig bis fruchtig herauszukitzeln.

Genuss geht über Rausch
Doch auch wenn er viel vom Reinheitsgebot hält, trinkt er selbst gerne mal ein Craftbeer. Für ihn zählt allein der Genuss. Deshalb ist er froh über die Unterstützung der Craftbeer-Brauer im Kampf gegen die Massenproduktion von Großbrauereien.

Hanno Dähne weiß, dass sein Bier teuer ist und es sich schwer im Getränkehandel verkaufen lässt. Er selbst hätte es ja als 14-Jähriger nicht für seine Party ausgesucht. Trotzdem hofft er, dass die Deutschen den Genuss des Bieres für sich entdecken und höher gewichten als den Rausch. Für diejenigen, die trotzdem ein Fläschchen zu viel getrunken haben, hat er einen selbst erprobten Anti-Kater-Tipp: „Ganz viel Vitamin C – am besten eine Zitrone essen!“

Pascal Alius