Positive Signale der städtischen Konjunktur / Gespräch mit WfG-Chef Holger Stoye

Herne im Aufwind

26. Juli 2018 | Gesellschaft Wirtschaft

Wirtschaft schaut auf Herne

Externe Projektentwickler schauen auf Herne: Zahlreiche Firmen wollen in unserer Stadt investieren und suchen nach einem günstigen Areal. „Wir haben so viele Anfragen nach Flächen, dass wir sie nicht alle bedienen können“, sagt Holger Stoye, frisch gebackener Chef der Herner Wirtschaftsförderung. Die derzeit herrschende emsige Bautätigkeit hat Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Der einzelne Bürger und die große Stadtverwaltung müssen sich mit der gleichen Situation abfinden: Es ist schwer, Handwerksbetriebe zu bekommen.

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Und die Arbeitslosenzahlen sinken. Im Juni 2015 lagen sie noch bei 13,8 Prozent, drei Jahre später waren es rekordverdächtige 10,8 Prozent. „Das liegt zu zwei Dritteln an der positiven konjunkturellen Lage“, sagt Stoye, „und zu einem Drittel speziell an Herne. Weil unsere Stadt ihre Chancen nutzt.“

  • Schloss-Campus Herne: der geplante Büro- und Dienstleistungspark in Baukau.

Konjunkturmotor kommt auf Touren

Der Konjunkturmotor kommt auf Touren, dafür sprechen viele erfreuliche Zeichen. Stoye: „Ein positives Signal ist die branchenübergreifende Investitionsbereitschaft von Firmen im Handwerk und im produzierenden Mittelstand. Auch die Logistiker hätten gerne mehr, alle hätten gerne einen Schlag mehr.“ Der Wohnungsbau boomt, die „Lebensmittler“ von Aldi über Rewe bis hin zu Lidl lassen sich an neuen Standorten nieder oder investieren in bestehende Niederlassungen.

Die Herner City gibt rege Lebenszeichen von sich. Dort steht das WAZ-Medienhaus am Robert-Brauner-Platz vor der Eröffnung, das im gleichen Haus untergebrachte Café Extrablatt hat bereits erfolgreich Premiere gefeiert. Der Robert-Brauner-Platz soll, so der Wille des Rates, verschönert werden. Für das große Ex-Hertie-Gebäude gibt es Licht am Ende des Tunnels. Nach der Sanierung des City-Centers sollen die Leerstände dort der Vergangenheit angehören.

Wirtschaft ist viel Psychologie

Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda zeigt Gästen in seinem Büro oft eine Herne-Karte auf einem großen Bildschirm. Darauf abgebildet sieht man die zahlreichen Wirtschaftsprojekte, die wie Pilze aus dem Boden schießen. WFG-Chef Stoye wiederum legt seinen Besuchern eine Infokarte vor, auf der neben den Standortvorteilen ebenfalls große und kleinere Projekte eingetragen sind. Bei den geht es darum, ansteckende Begeisterung für ein aufwärtsstrebendes Herne zu entfachen. „Wirtschaft ist ganz viel Psychologie und ganz viel Vertrauenssache − neben dem Faktor, dass sich alles rechnen muss“, sagt Stoye. Von ganz allein tut sich wenig, Stadt und Wirtschaftsförderung müssen einladend wirken. Erklärend greift Stoye auf eine Fußballmetapher zurück: „Man muss sich selbst für den Markt öffnen. Wenn man sich nicht selber als Spieler anbietet, rutscht man auch nicht in die Mannschaftsaufstellung rein.“ Und er betont: „Herne hat einen Oberbürgermeister, der Impulse setzt. Er ist ein Chancensucher. Und wir von der WFG müssen die Ermöglicher sein. Wir müssen versuchen, Entwicklung zu ermöglichen.“

Heureka! – das Fakt-Projekt

Und so kommt das ambitionierte Fakt-Projekt wohl nicht von ungefähr nach Herne: Auf dem ehemaligen RAG-Gelände am Shamrockring entsteht ein großes Wohn- und Geschäftsquartier   „Heureka! Da hat wirklich einer was für Herne getan“, ist Stoye begeistert und meint dabei den Investor Hubert Schulte-Kemper. „Ich glaube, dass man sagen kann: Das ist das wichtigste Projekt in der Stadt, weil es in der Quantität der Arbeitsplätze so bedeutungsvoll ist. Wir werden eine Quartiersqualität bekommen, die wirklich neu ist.“

Ein ganz neues Quartier entsteht auch an der Forellstraße in Baukau. Das Unternehmen LIST Develop Commercial aus Oldenburg verwirklicht dort ein Wohn-, Handels- und Dienstleistungszentrum. „An dem Projekt kann man hervorragend ableiten, dass Herne ein attraktiver Standort für Investitionen ist. Das heißt auch, dass die Wirtschaft an den Standort glaubt", sagt Stoye. Im „Dienstleistungspark Strünkede” entsteht im Bereich „Am Lackmannshof” der „Student Park” mit einem Investitionsvolumen von 30 Millionen Euro. Dieses Wohnheim mit seinen 414 Appartements für internationale Studierende ist ein Projekt, das die City mit einem kreativen, jungen Publikum bereichern wird.

Erstaunliche Entwicklungen

In dieser positiven Stimmungslage zeigen sich auch erstaunliche Entwicklungen, die für Herne ganz neu sind: „Herne ist ein klassischer Bürostandort im Ruhrgebiet“, sagt Stoye. „Aber wir verzeichnen eine immer geringere Zurückhaltung auf dem hiesigen Büromarkt. Und das ist ein sehr gutes Zeichen.“ Nicht nur die Privatwirtschaft, auch die Gesellschaft allgemein erwartet, dass eine Stadt mitinvestiert und mitentwickelt. Stoye: „Die Stadt fasst Defizite an oder Baulücken … und die Privatwirtschaft geht in Vorleistung, zieht nach oder ist im Gleichtakt.“ Beide Seiten profitieren voneinander. So wie der Robert-Brauner-Platz, wenn er dann mal modernisiert wird, mit dem WAZMedienhaus, dem „Extrablatt“ oder dem Hertie-Haus in Wechselwirkung tritt.

Ähnlich sind die Investitionen im Gysenberg-Park (6 Millionen Euro) und ins Parkhotel (1,5 Millionen) zu sehen. Ein bedeutender Baustein der öffentlichen Investitionen ist ebenfalls die Schulmodernisierung. Wichtig für Herne im Ruhrgebiet: „die Aktivierung des internationalen Geschäfts“. Und da denkt Stoye an Russland, China und die Türkei und an die neue Seidenstraße. „China bietet viele Chancen für deutsche Unternehmen. Wir müssen uns nur Gedanken machen, in welcher Weise wir sie für uns nutzbar machen. ”

Veränderungen zulassen

Bei all den positiven Trends warnt Stoye auch vor zu viel Euphorie und einer zu hohen Erwartungshaltung. Er erinnert an die Rahmenbedingungen einer dichtbesiedelten Stadt, die aus dem Strukturwandel kommt. Auf seiner Liste steht dieser Wunsch ganz oben: „Eine Stadt muss den Mut aufbringen, Veränderungen zuzulassen.“ Ein Beispiel: Wenn das „Extrablatt“ auf den Robert-Brauner-Platz zieht, bedeutet das für die Anwohner eine höhere Geräuschkulisse am späten Abend – aber für die Stadtgesellschaft die Belebung der City. Stoye weiter: „Ich habe den Wunsch, dass wir die Chancen, die uns angeboten werden, auch nutzen können.“

Horst Martens