Herner weltweit
Urlaub in fernen Ländern – das kennen wir fast alle. Aber einige Hernerinnen und Herner haben gleich ihren Lebensmittelpunkt ins Ausland verlagert. Inherne hat mit einigen Auswanderern gesprochen und ihre Geschichte aufgeschrieben.
Der Traum von Hollywood
Es in Hollywood als Schauspieler zu schaffen: Davon träumen viele. Christian Bulich lebt diesen Traum nun seit zwei Jahren. „Nach meinem Abschluss in General Management in Deutschland hatte ich etwas Geld angespart und habe endlich meinen Traum in Angriff genommen", berichtet der Herner. Bei der „New York Film Academy" in Los Angeles absolvierte Bulich seinen Master in Schauspiel. „Während meiner Zeit hier hatte ich schon die Chance, mit erfolgreichen Schauspielern und Regisseuren persönlich zu sprechen. Leute wie Denzel Washington, Bryan Cranston und Damien Chazelle waren dabei."
Bulich hat auch schon die ersten Erfolge verbuchen können: Er hat bei den Emmys 2016 gearbeitet, war monatelang Darsteller in einem Theaterstück, hat in mehreren Kurzfilmen mitgewirkt und selbst Drehbücher geschrieben. „Die starke Konkurrenz und ständige Anspannung halten einen immer auf den Beinen, und ich muss immer aufmerksam sein, um keine Chance zu verpassen. Diese Art von Alltag finde ich sehr aufregend und ich fühle mich dadurch lebendiger", berichtet Bulich aus seinem Leben. Der ehemalige Schüler des Gymnasiums Eickel steht morgens um 6 Uhr auf, checkt E-Mails, geht ins Fitness-Studio und ab 9 Uhr springt er von einem Vorsprechen zum nächsten – immer mit der Hoffnung, eine große Chance zu bekommen. Ab 17 Uhr wird es ruhiger, dann trifft er sich mit Partnern, mit denen er an eigenen Ideen arbeitet oder belegt weitere Schauspielkurse. „Mein Alltag ändert sich, wenn ich gebucht werde. Dann muss ich meistens um 7 Uhr morgens am Set sein und viel Kraft für einen 12- bis 14-stündigen Drehtag mitbringen."
Seine Heimatstadt Herne hat der 29-Jährige seit zwei Jahren nicht besucht. Aber er hofft, dass er es Ende des Jahres schafft. Denn er vermisst vor allem Familie und Freunde. „Ich hoffe, ich erreiche meine Ziele in den Staaten und kann es mir irgendwann leisten, zwischen Deutschland und Los Angeles zu pendeln", wünscht sich der Schauspieler.
Schiff Ahoi!
Wind um die Nase, ein mehrere hundert Meter langes Schiff unter den Füßen und kreischende Möwen am Himmel – mit 20 Knoten durch die Meere der Welt. Genau so liebt sie es. Dorothee Winter wurde vor 34 Jahren in Herne geboren und arbeitet heute auf den größten Kreuzfahrtschiffen der Welt. Nach dem Abitur am Otto-Hahn-Gymnasium zog es Winter erst einmal nach Australien – zum Work & Travel. Ein Studienführer hat sie dann auf den Studiengang Nautik in Elsfleth
(Niedersachsen) aufmerksam gemacht. Bereits im ersten Semester heuerte sie auf einem Containerschiff an und stach in See – bis nach Brasilien ging es damals. Mit dem Titel Diplom-Ingenieurin für Nautik in der Tasche ging es nach dem Studium zur amerikanischen Reederei „Royal Caribbean". Schnell hatte sich die Frau aus Börnig bewiesen und arbeitete schon ab 2015 als Erste Offizierin auf dem zweitgrößten Kreuzfahrtschiff der Welt. Mittlerweile ist Winter als „Chief officer" tätig – sie reist von Schiff zu Schiff und schult die Ersten Offiziere in elektronischen Seekartensystemen. Acht Wochen lang, jede Woche ein anderes Schiff, dann acht Wochen Urlaub. Wo es hingeht, weiß sie immer erst eine Woche vorher, dann organisiert sie sich Flug und Transfer. „Das Anstrengende ist das Reisen zwischen den Aufenthalten auf den Schiffen." Von Deutschland zum Mittelmeer, vom Mittelmeer in die Karibik, von der Karibik nach England, von England nach Japan, von Japan nach Australien und wieder nach Herne. So sahen die letzten acht Arbeitswochen aus. Wenn sie frei hat, ist sie häufig in Herne oder reist umher. Eine eigene Wohnung hat sie nicht –„das lohnt sich nicht". Wenn sie nicht gerade im Urlaub die Welt bereist, besucht sie Familie und Freunde. „Ich habe nicht sehr viele Freunde, aber sehr gute. Freunde, die mir auch nicht übelnehmen, dass ich nicht so oft da bin oder ich mich nicht immer melden kann."
Die Frau in der Männerdomäne weiß, wie groß die Verantwortung ist, wenn man ein Schiff steuert, auf dem 5000 Passagiere und 2000 Crewmitglieder sind. „Aber man darf nicht ständig daran denken, sonst wird man verrückt." Eine wirklich brenzlige Situation hat sie noch nicht erlebt: „Eine Monsterwelle habe ich auch noch nie gesehen. Schlechtes Wetter gibt es natürlich, aber dann kann man auch die Route ändern." In chinesischen Gewässern sei sie aber schon ins Schwitzen gekommen: „Die kleinen Fischerboote sind nachts nicht beleuchtet. Und davon gibt es dort sehr viele. Zur Not müssen wir mit Laserpointern auf uns aufmerksam machen, damit nichts passiert." Von Piraten hat sie bisher nur über Funk gehört: „Die greifen keine Passagierschiffe an. Da sind viel zu viele Menschen drauf."
Reisen, der Kontakt mit vielen verschiedenen Nationalitäten – Winter liebt ihren Beruf, auch wenn sie sich manchmal mehr Regelmäßigkeit – zum Beispiel beim Thema Hobbys – wünschen würde.
„Ich werde versuchen irgendwann einen normalen Job an Land zu machen, aber ob ich dann nicht das Meer und die Schiffe vermisse, kann ich noch nicht sagen."
London is calling!
In die Hauptstadt des Vereinigten Königreichs ist Thomas Spickhofen 2015 gezogen. Der gebürtige Herner arbeitet nun seit anderthalb Jahren im ARD-Hörfunkstudio als Korrespondent. „Ich bin nach wie vor ein Herner Kind", sagt der 54-Jährige über sich. Dabei hat er in seinem Leben schon an vielen Orten gelebt: Hannover, Hamburg und Washington sind nur drei der vielen Stationen.
Aber in Herne ist Spickhofen aufgewachsen, hat hier seine ersten Schritte als Journalist gemacht. Seit 2003 arbeitet er für den WDR. Nach einigen Jahren in unterschiedlichen Bereichen des Senders stand dann die Korrespondenz in London im Raum: „Als die Frage kam, ob ich mir vorstellen kann, nach London zu gehen, habe ich nicht lange überlegt." Die Englischkenntnisse, die er vor allem von seiner Zeit am Otto-Hahn-Gymnasium mitgenommen hat, wurden nur noch minimal aufgebessert und dann ging es los.
„London ist eine vitale, abwechslungsreiche Stadt. Da gibt es so viel aufzusaugen. Ich entdecke immer noch Stadtteile, die ich noch nicht richtig kenne", schwärmt der Vater von zwei erwachsenen Kindern. Vor allem ein Ritual hat es ihm angetan: „Die Kultur des Feierabend-Pints mag ich gerne – dann steht um 17 Uhr der Bauarbeiter neben dem Banker. Das hat so eine schöne Selbstverständlichkeit. Manchmal machen wir das auch." Aber er verbringt nach wie vor auch gerne Zeit in Herne: zu runden Geburtstagen, Weihnachten, Treffen mit Sandkastenfreunden kommt er immer wieder gerne. Und auch die Entwicklungen von Westfalia Herne verfolgt er nach wie vor von London aus. Und das, obwohl sein Job einiges verlangt. Von den Royals über den Brexit bis hin zu Ruderwettkämpfen und Kunstausstellungen: Spickhofen und seine Kollegen beliefern alle öffentlich-rechtlichen Radiosender in Deutschland. Für 2018 hat er sich ein Datum schon fett im Kalender angestrichen: Am 19. Mai 2018 heiratet Prinz Harry seine Meghan – Großkampftag für alle Journalisten in London. Wohin es Spickhofen irgendwann ziehen wird, kann er noch nicht sagen. Aber eines steht fest: „Wenn man aus Herne kommt, trägt man die Stadt im Herzen. Das ist einfach so."
Zwischen Grizzlys und Elchen
Mehr als 7000 Kilometer entfernt ist das Zuhause von Frank Baranski. Der gebürtige Herner hat sich vor 20 Jahren dazu entschieden, seine Heimatstadt zu verlassen und ein neues Leben in Kanada zu beginnen. Im Hamlet of Mount Lorne in Yukon lebt Baranski mit seiner Frau Sylke.
Bereits seit 1990 hat das Paar regelmäßig Urlaub dort verbracht. „Begeistert hat uns die Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit der Kanadier und die Größe des Landes", so Baranski und ergänzt: „Im Yukon sind wir eine große Familie. Jeder hilft jedem. Wir machen noch Deals mit Handschlag: ein Mann ein Wort."
Besonders die Natur hat es dem Mann, der ursprünglich aus Börnig stammt, angetan. Zum Teil sei diese noch unberührt, nur von wilden Tieren besiedelt. Grizzlys, Elche, Wölfe… wilde Tiere gehören in Kanada dazu. „Elche auf dem Grundstück vor der Tür hat es auch schon gegeben, und sogar Wölfe hinter dem Haus", berichtet der 55-Jährige. Nachdem Frank und Sylke Baranski zuerst als Angestellte bei einer Wohnmobilvermietung gearbeitet und sich dann selbstständig gemacht haben, reisen sie seit 2016 nur noch. „Das Reisen ist vor allem um abzuschalten. Angeln und die Natur genießen ist ganz wichtig für mich. Rumfahren tun wir gar nicht viel. Wir bleiben auch gerne lange an einem Ort, an dem es uns gefällt", beschreibt Baranski sein derzeitiges Leben. In Kanada nennt man die Menschen, deren Leben vor allem aus Reisen und Genießen besteht, „full timer".
Das Ehepaar Baranski liebt das Leben in Kanada, auch wenn Frank Baranski
einiges aus Herne vermisst. „Ich bin so gerne mit der Straßenbahn gefahren. Außerdem fehlen mir die historischen Gebäude wie Kirchen und die Ruhrpottatmosphäre." Aber auch die Art des Essens in Herne fehlt ihm: „Morgens in einem Café vor der Arbeit eine Tasse Kaffee und dazu ein Mett-
brötchen. Nachmittags ab in die Eisdiele und abends einen Mantateller in der Pommesbude. Das gibt es hier nicht, und das fehlt mir." Kein Wunder, dass
Baranski den Kontakt zu Familie und Freunden in Herne möglichst eng hält und sie auch immer wieder in der Heimat besucht.
Aber ans Zurückkommen denkt er – zumindest momentan – nicht. „Ich lebe in einem Traumland. Im Sommer wohnen wir in einem Wohnwagen, der von einem Truck gezogen wird. Ein Boot und ein Quad haben wir dann auch dabei." Für Baranski gibt es nichts Besseres.
Die Weite Australiens
Schon seit nun fast 50 Jahren – seit 1969 – lebt Barbara Rogalla in Australien. „Eigentlich hatte ich vor, nach zwei Jahren wieder nach Deutschland zurück zu kommen. Doch mir gefielen die unendliche Weite Australiens und die stundenlangen Autofahrten ohne Reisepass-Kontrolle oder Grenzpolizisten", erzählt die 68-Jährige. Mittlerweile lebt sie in Bairnsdale, einem Örtchen 300 Kilometer westlich von Melbourne und 800 Kilometer südöstlich von Sydney. „Der Kontakt mit Freunden und Verwandten hält mich über die Politik und die örtlichen Vorgänge in der Region auf dem Laufenden. Mein Lieblingsplatz in der ehemaligen Heimat ist das Bootshaus-Café an der Cranger Schleuse. Von da betrachte ich gerne das Haus meiner Großeltern, die Cranger Kirmes und den Wanderweg am Rhein-Herne Kanal, wo wir als Kinder entlang liefen", berichtet sie.
In Glasgow verliebt
Ebenfalls ein englischsprachiges Land hat sich Sabrina Obreiter ausgesucht: „Ich hatte schon immer den Traum in einem anderen Land zu wohnen, da stand Schottland allerdings nicht unbedingt an erster Stelle. Jedoch habe ich mich schon nach den ersten paar Besuchen direkt in das Land und besonders in die Stadt Glasgow verliebt." Seit März 2014 lebt die 34-Jährige dort. „Das Leben an sich ist hier nicht besonders anders als in Deutschland. Auch denke ich, dass einer der Hauptgründe hier zu bleiben ist, dass die Menschen und die Umgebung mich ein wenig an den Ruhrpott erinnern." Und obwohl sie sich schon gut eingelebt und nette Leute kennengelernt hat, vermisst sie Herne und besonders ihre Familie oft. „Vernünftiges frisches Brot vom Kornbäcker oder frische Brötchen sind hier leider Fehlanzeige. Auch sich einfach mal auf ein Spaghetti-Eis in der Eisdiele zu treffen, gibt es hier nicht", bemängelt die gebürtige Hernerin.
Anja Gladisch