Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt

„Hier möchte ich bleiben“

30. Juni 2017 | Gesellschaft

  • Drei Langzeitarbeitslose arbeiten nun hier. ©Thomas Schmidt, Stadt Herne

Die neue Köchin schmiert Brötchen für das Frühstück, der Kaffee ist schon fertig. Und Doris Banach ist glücklich über ihren neuen Job, das sehen die Besucher sofort. Früher hat sie geputzt, gekellnert, im Gartenbau gearbeitet, dann bekam sie Schwierigkeiten mit ihrem Rücken und wurde arbeitslos. „Kochen ist mal was ganz anderes. Schade ist, dass es nur für eine begrenzte Zeit ist. Am liebsten würde ich hier bleiben. Ich bin glücklich hier“, sagt Banach und strahlt. Zu ihrem Job gehören nicht nur Kochen und Putzen, sie ist auch erste Anlaufstelle für Menschen, die Rat brauchen. „Es ist wichtig, dass jemand in der Küche ist, wenn Leute zu uns kommen. Wenn keiner da ist, gehen sie wieder. Wenn ich koche, kommen wir ins Gespräch und die Leute bleiben und holen sich bei uns Unterstützung“, erklärt die 45-Jährige.

Wieder Teil der Gesellschaft sein

Seit 32 Jahren bietet das Arbeitslosenzentrum eine Anlaufstelle für Menschen auf Jobsuche. „Die Leute sollen aktiv bleiben und sie sollen raus aus der Isolation. Viele ziehen sich aus Scham zurück. Bei uns spüren sie, dass sie Teil der Gesellschaft sind“, so beschreibt der Leiter des Arbeitslosenzentrums, Franz-Josef Strzalka, die Aufgaben.

Einen Teil dieser Aufgaben übernimmt jetzt Renate Catalano. Die gelernte Industriekauffrau kümmert sich um die kaufmännischen Angelegenheiten des Zentrums. Lange hat sie selbst nach Arbeit gesucht. Um nicht zuhause zu sitzen, engagierte sie sich ehrenamtlich im Arbeitslosenzentrum. Nun hat sie dort eine Teilzeitstelle und hilft Arbeitslosen, Anträge korrekt auszufüllen. „Es ist ein Glücksfall, dass ich die Stelle bekommen habe. Man ist ein anderer Mensch, wenn man Arbeit hat“, findet die 62-Jährige. „Bisher haben alle Arbeitgeber gesagt, ich sei zu alt. Jetzt zu arbeiten ist gut fürs Selbstbewusstsein.“

Dahinter stehen 140 Schicksale

Auch der Oberbürgermeister und der Chef des Jobcenters sind zufrieden: „140 Stellen klingt nach wenig angesichts der Arbeitslosenzahlen. Aber Sie müssen sich 140 Menschen dahinter vorstellen, die jetzt eine Stelle haben“, betont Weiß. Und Dr. Dudda ergänzt: „Wir haben ein gutes Gefühl, für solche Plätze weiter zu kämpfen.“ Einfach war es nicht, das Programm möglich zu machen. Zwar hat die Bundesregierung die Lohnkosten für die Teilnehmer übernommen, aber die Kosten für Weiterbildungen und Betreuung waren noch offen. Schließlich sprang das Land NRW ein. Das Jobcenter suchte aus 560 infrage kommenden Kandidaten 300 aus, die sich dann auf die Stellen bewarben. Seit Juni 2017 sind nun alle 140 Stellen besetzt.

Bessere Chancen für die Zukunft

Bis Ende 2018 laufen die Fördergelder. Dann sollen die Teilnehmer möglichst in einen regulären Job wechseln. „Ein Ziel ist, dass die Teilnehmer nach dem Projekt bessere Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt haben“, erklärt Karl Weiß. Trotzdem würden er und Dr. Dudda das Programm gerne fortführen, um weiteren Hernern den Schritt ins Arbeitsleben zu erleichtern – und zu verhindern, dass sie sich von der Gesellschaft vergessen fühlen.

  • "Ich bin der Helmut aus der Suppenküche." ©Thomas Schmidt, Stadt Herne

Darum geht es auch bei der ambulanten Suppenküche, die ihre Räume in der Buschkampstraße hat. Bruder Horst ist seit 32 Jahren vor Ort und betreut Obdachlose. Angefangen hat er mit einer kleinen Küche in einem Übernachtungsquartier. Irgendwann begann er, Essen auszuliefern und auf der Straße an die Obdachlosen zu verteilen. Seit einigen Jahren stellen verschiedene Einrichtungen Räume zur Verfügung, damit die Menschen nicht draußen essen müssen.

„Darf ich nach Feierabend weiter arbeiten?“

Bisher haben ehrenamtliche Mitarbeiter Lebensmittel abgeholt, gekocht und Essen ausgegeben. Mit dem Programm Soziale Teilhabe konnten sie nun feste Stellen bekommen und werden für ihre Arbeit bezahlt. Der Koch, der sich nur Helmut aus der Suppenküche nennt, war zuerst über eine Maßnahme des Jobcenters dort. Danach ist er freiwillig geblieben. Das Kochen hat er sich von einem befreundeten Sternekoch beibringen lassen, denn eigentlich ist er Architekt und Bauingenieur. Jetzt kann er 30 Stunden pro Woche bezahlt in der Suppenküche arbeiten, bis er nach Ende des Programms in Rente geht. Eine wichtige Frage klärt er nun mit dem Leiter des Jobcenters persönlich: „Darf ich nach Feierabend auch ehrenamtlich weiter machen, wenn noch nicht alles erledigt ist?“ Darf er.

Auch Bruder Horst freut sich über die zusätzliche Hilfe. „Das war genial, dass wir vier Mitarbeiter bekommen. Es entlastet uns sehr.“ Alle bisher ehrenamtlichen Helfer kann er jetzt für ihre Arbeit bezahlen. Auch wenn die Helfer nicht des Geldes wegen in die Suppenküche kommen – eine Arbeit die bezahlt ist, bedeutet nun wieder ganz dazu zu gehören.

Nina-Maria Haupt