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31. Juli 2020 | Ausgabe 2020/2

Herne setzt auf innovative Wohnprojekte – ein Beispiel: das we-house

Als sie von dem Projekt in der Lokalpresse las, war sie sofort hin und weg. Nach einer Informationsveranstaltung musste Petra Faryar nur noch ihren Mann vom we-house im Hochbunker Mont-Cenis in Sodingen überzeugen. Mittlerweile steht fest: Petra und Khaschayar Faryar sind Teil des innovativen Wohnkonzeptes, der ehemalige Luftschutzbunker wird ihr neues Zuhause.

Bungalow verkaufen
Eines vorneweg: Beim we-house geht es nicht einfach um irgendein Neubauprojekt. Im Herzen von Sodingen geht es vielmehr um Ökologie, Nachhaltigkeit und Gemeinschaft in einem ehemaligen Hochbunker. Für das neue Zuhause in dem Stahlbetonklotz aus dem 2. Weltkrieg verkaufen die Eheleute ihren selbst gebauten und auf ihre Ansprüche abgestimmten Bungalow in Holthausen. Das Ehepaar hat sich wegen des Aufzugs für diese Wohnung entschieden. Denn Petra Faryar ist aufgrund einer Querschnittslähmung seit ihrem zweiten Lebensjahr auf einen Rollstuhl angewiesen. „Das we-house ist so flexibel, dass es sich auf den individuellen Bedarf der Bewohnerinnen und Bewohner einstellen kann. Gerade jetzt in der Bauphase können wir mitreden“, sagt Khaschayar Faryar, der gelernter Orthopädietechniker ist. Seine Frau ergänzt: „Ich hoffe, dass ich hier alt und so lange wie möglich leben werde.“ Deswegen haben sie sich gegen eine 2,5- und vorsorglich für eine 3,5-Zimmer-Wohnung entschieden. Falls sich ihr Pflegebedarf erhöhen sollte, könne sie so auch zu Hause betreut werden.

„Das we-house ist so flexibel, dass es sich auf den individuellen Bedarf der Bewohnerinnen und Bewohner einstellen kann.“

Bauarbeiten am we-house.

Sie freuen sich auf das neue Wohnkonzept.

„Verzichten zugunsten der Gemeinschaft – das müssen wir im Detail noch lernen. Das we-house gibt uns die Möglichkeit, uns damit auseinanderzusetzen.“

Gemeinschaft leben
Doch trotz der Entscheidung für die größere 3,5-Zimmerwohnung, der Umzug in das we-house bedeutet für die Faryars auch, dass sie ihren Hausstand deutlich verkleinern müssen. Eine Herausforderung, die beide gerne annehmen und die dem Konzept des Minimalisierens entspricht. „Verzichten zugunsten der Gemeinschaft – das müssen wir im Detail noch lernen. Das we-house gibt uns die Möglichkeit, uns damit auseinanderzusetzen“, erklärt die Ergotherapeutin im Ruhestand. Denn alle wichtigen Entscheidungen rund um das Wohnprojekt werden gemeinsam mit den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern demokratisch getroffen. Minimalismus wird es auch innerhalb der Wohnungen geben: Im Erdgeschoss entsteht eine große Gemeinschaftsküche, sodass die eigene Küche kleiner ausfallen kann. Fahrräder und Auto-Sharing gehören ebenso zum Konzept wie die Gästezimmer, die von allen genutzt werden können. Auch ein gemeinsamer Sauna- und Wellnessbereich soll entstehen. Wer nicht alleine essen oder kochen möchte, hat jederzeit die Möglichkeit, in den Gemeinschaftsräumen Anschluss zu finden. Aber auch nach außen wird sich das Haus öffnen: „Ich möchte es gerne mit sozialen Projekten verbinden und die Nachbarschaft miteinbeziehen“, so die Hernerin. Einige Mitbewohner kennen die Faryars bereits aus der Planungsphase – es gebe schon eine „Kerngruppe“. In Videokonferenzen und Telefonaten tausche man sich aus und entwickle den Gesellschaftervertrag demokratisch. Denn das we-house wird eine GmbH & Co. KG – die Bewohnerinnen und Bewohner sind Kommanditisten. Der gesellschaftliche Gedanke liegt Petra Faryar besonders am Herzen: „Das ist das Grundkonzept, von dem ich träume: in der Gemeinschaft aufgehoben alt zu werden.“

We House – unverbindliche Visualisierung einer 1,5 Zimmer Wohnung.

Das Dachgewächshaus deckt den kompletten Rohkostbedarf der Bewohner und des Restaurants ab, rund drei Tonnen Ertrag jährlich.

We House – unverbindliche Visualisierung eines Appartments.

Ökologie im Fokus
Ein anderer wichtiger Aspekt des Projektes ist für das Ehepaar der ökologische Ansatz. Die geplanten Gartenflächen werden nachhaltig bepflanzt, die Baumaterialien umweltbewusst ausgesucht. Abgetragener Beton wird wiederverwertet. In einem Gewächshaus werden Obst und Gemüse für das Restaurant im Erdgeschoss angepflanzt. Strom kommt über die Photovoltaikanlage auf dem Dach. Durch die teilweise mehr als zwei Meter dicken Stahlbetonwände müssen die Wohnungen im Winter nicht so stark beheizt werden und bleiben im Sommer lange angenehm kühl. Die Baustelle besuchen die beiden regelmäßig. „Die Bauarbeiter sind sehr nett und lassen uns auch ins Innere des Bunkers schauen. Aber noch können wir uns gar nicht vorstellen, wie die Wohnung einmal aussehen wird.“ Das soll in einem Jahr ganz anders sein, denn Ende 2021 wollen die Faryars gemeinsam mit der Nachbarschaft ihr neues Zuhause mit Leben füllen.

Text: Anja Gladisch     Fotos: Frank Dieper, ArchiNova